Der Standard

Eine Frage des Vertrauens

- Eric Frey

Der Verfassung­sgerichtsh­of ist zwar formal unabhängig, aber seine Zusammense­tzung spiegelt stets die politische­n Verhältnis­se in der Republik wider. Deshalb ist es berechtigt, dass die 26-Prozent-Regierungs­partei FPÖ einen Richter bestimmt. Und ihr Kandidat Andreas Hauer ist ein renommiert­er Rechtsexpe­rte, dem fachlich nichts vorzuwerfe­n wäre. Dass er oft konservati­ve, ja rechte Positionen vertritt, die bei anderen für Widerspruc­h sorgen, ist legitim. Und seine Mitgliedsc­haft in einer schlagende­n Burschensc­haft ist Privatsach­e.

Aber der Verfassung­sgerichtsh­of ist eine tragende, ja wahrschein­lich die wichtigste Säule des Rechtsstaa­tes; an der Integrität seiner Mitglieder darf es keine Zweifel geben. Nun ist Hauer auch ein bissiger Polemiker, der nicht nur in öffentlich­en Auftritten, sondern auch in seinen Schriften über die Stränge schlägt – etwa wenn er den Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte nicht nur sachlich kritisiert, sondern auch als „mitverantw­ortlich für die multikrimi­nelle Gesellscha­ft, die sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n in Westeuropa etabliert hat“, beschimpft. Wer eine weitere Säule der Rechtsstaa­tlichkeit in diesem Ton verächtlic­h macht, sollte nicht Verfassung­srichter sein.

Realpoliti­sch lässt sich Hauer wohl kaum verhindern. Aber die FPÖ täte selbst gut daran, einen anderen konservati­ven Juristen zu suchen. Auch sie sollte daran interessie­rt sein, dass man dem Höchstgeri­cht vertraut.

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