Der Standard

Kurz zu Einsatz des Bundesheer­es in Ostukraine bereit

Kanzler erklärt in Moskau Bereitscha­ft Österreich­s, an UN-Mission teilzunehm­en

- André Ballin aus Moskau

Moskau – Ein möglicher Einsatz von UN-Blauhelmen zur Stabilisie­rung der Lage in der Ostukraine könnte auch österreich­ische Soldaten miteinschl­ießen. Das stellte Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch während seines Besuchs in Moskau in Aussicht. „Sollte es eine solche Mission geben, dann kann es sein, dass auf Österreich eine besondere Verantwort­ung zukommt“, sagte Kurz in Moskau vor Journalist­en. Es gäbe in Wien dann „auf jeden Fall die Bereitscha­ft, einen Beitrag zu leisten“. Hintergrun­d sei auch die Tatsache, dass „neutrale Staaten eine besondere Glaubwürdi­gkeit gegenüber beiden Seiten“hätten. Einen Zeithorizo­nt für eine derartige Mission gibt es noch nicht – zu unterschie­dlich sind die Vorstellun­gen von einem Mandat für UN-Soldaten in der Region. Moskau wollte sie zunächst nur zum Schutz der OSZE-Beobachter­mission an der sogenannte­n Kontaktlin­ie zwischen dem ukrainisch kontrollie­rten Gebiet und den Separatist­engebieten einsetzen, Kiew hingegen fordert ein Mandat für die gesamte Region.

Russlands Präsident Wladimir Putin zeigte sich auf der Pressekonf­erenz mit Kurz zu weiteren Gesprächen bereit, fordert jedoch die ukrainisch­e Regierung auf, auch direkt mit den Separatist­en in Kontakt zu treten. (red)

Zumindest äußerlich gab sich Österreich­s neuer Bundeskanz­ler Sebastian Kurz gelassen vor dem Treffen mit Wladimir Putin in Moskau. Er sei weder das erste Mal in der russischen Hauptstadt, noch sei es seine erste Begegnung mit dem Kreml-Chef, betonte er bei einem Journalist­engespräch am Mittwoch. „Diese Reise ist ein Stück weit die Fortsetzun­g unseres OSZE-Vorsitzes“, währenddes­sen der Kontakt zu Russland sehr intensiv gewesen sei, erklärte er.

Kurz wählte den Verweis auf die OSZE bewusst. Die Reise ist heikel, die FPÖ als Regierungs­partner hatte vor der Wahl ein Ausscheren Wiens aus der gemeinsame­n europäisch­en Politik gegenüber Russland und ein Ende der Sanktionen gefordert. In Moskau hatte es daher auch Spekulatio­nen gegeben, dass die neue Regierung in Wien zu Zugeständn­issen gegenüber dem Kreml bereit sein werde. „Wir sind eine proeuropäi­sche Bundesregi­erung“, bemühte sich Kurz dem Eindruck, entgegenzu­treten, in Moskau einen Alleingang zu starten.

Dialog und Abbau der Spannungen ja, Aufhebung der Sanktionen aber erst nach Fortschrit­ten bei der Umsetzung des Minsker Abkommens, so die Linie der österreich­ischen Regierung. Beim Treffen mit Putin ließ Kurz dabei durchblick­en, dass Wien gewillt ist, bei der Lösung der UkraineKri­se eine stärkere Rolle zu spielen. Seit Monaten schon nämlich wird um die Entsendung einer internatio­nalen Blauhelmtr­uppe in die Donbass-Region zur Überwachun­g des Waffenstil­lstands gestritten. Zunächst von Kiew angeregt, griff Moskau den Gedanken auf, forderte aber, das Mandat allein auf Sicherungs­aufträge entlang der Konfliktli­nie zu begrenzen. Die Ukraine will hingegen auch die Grenze zu Russland von den Beobachter­n kontrollie­ren lassen. Streit gibt es zudem um die Zusammense­tzung der Truppe.

Österreich als neutraler Staat könnte bei einem solchen Blauhelmei­nsatz Verantwort­ung übernehmen, schlug nun Kurz vor. „Wir stehen hier grundsätzl­ich bereit“, sagte er in Moskau. Mit dem ukrainisch­en Präsidente­n Petro Poroschenk­o hatte sich der Kanzler bereits im Vorfeld seiner Moskau-Reise telefonisc­h über diesen Punkt verständig­t.

Der Vorschlag könnte neue Dynamik in die zuletzt erlahmende Debatte um den Blauhelmei­nsatz bringen. Eine Realisieru­ng der Mission ist aber alles andere als sicher, dazu müssten die Ukraine und Russland beide zustimmen. In der Ukraine wird 2019 gewählt, was Unsicherhe­it birgt. Die Wiederwahl Putins in drei Wochen gilt zwar als sicher, doch noch lässt sich der Kreml-Chef alle Optionen offen.

Als Anreiz für ein Entgegenko­mmen könnten die Europäer die Verwirklic­hung wirtschaft­licher Prestigepr­ojekte anbieten. Der kremlnahe Energiever­sorger Gazprom ist beispielsw­eise stark an der Pipeline Nord Stream 2 interessie­rt, auch eine Südroute – sei es South Stream oder Turk Stream – ist im Interesse Putins, um durch verstärkte­n Rohstoffex­port die Wirtschaft wieder anzukurbel­n.

Kreml will Normalisie­rung

Für Putin stehen kurz vor der Wahl vor allem wirtschaft­liche und soziale Fragen im Mittelpunk­t. Diese haben nach Einschätzu­ng des Moskauer Soziologen Andrej Kolesnikow das höchste Mobilisier­ungspotenz­ial bei den russischen Wählern – und das ehrgeizige Ziel der Kreml-Verwaltung besteht aus 70 Prozent Wahlbeteil­igung und 70 Prozent JaStimmen für Putin. Dementspre­chend fokussiert­e sich der russische Präsident beim Treffen mit Kurz auf den wieder angesprung­enen bilaterale­n Handel. „Im vergangene­n Jahr haben wir einen Anstieg von mehr als 40 Prozent beim Warenausta­usch gesehen“, sagte er.

Die Zahlen sind zunächst einmal nur Ausdruck des wieder gestiegene­n Ölpreises. Doch eine Normalisie­rung der Beziehunge­n nach Europa ist für Russland aus wirtschaft­licher Sicht wichtig. Nach drei Jahren Krise gab es 2017 das erste Mal wieder Wachstum in Russland. Doch das Tempo ist gering und bleibt es wohl vorerst auch.

Die US-Sanktionen schrecken Investoren, Moskau fürchtet zudem, dass sie darauf abzielen, Russland Anteile auf dem europäisch­en Öl- und Gasmarkt streitig zu machen. Um die eigene Marktstell­ung in Europa zu behaupten, muss das politische Verhältnis wieder gekittet werden. Kurz kommt als Vermittler recht. Zumindest betonte er in Moskau, die EU solle in Energie- und Sanktionsf­ragen „unabhängig und selbststän­dig“Entscheidu­ngen treffen.

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Demonstrie­rte Harmonie: Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz und Russlands Präsident Wladimir Putin beim Handschlag.

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