Der Standard

Kritik an AMS-Kürzungen

Die von der Regierung angekündig­ten Kürzungen der AMS-Mittel sorgen für breite Kritik. In Wien sind große Integratio­nsprojekte betroffen – der zuständige Stadtrat appelliert an die Verantwort­lichen, die Pläne zu überdenken.

- Lara Hagen

Große Integratio­nsprojekte sind von den von der Regierung geplanten Kürzungen der AMS-Mittel betroffen. Es hagelt Kritik.

Wien – Eigentlich wollten Bildungsun­d Integratio­nsstadtrat Jürgen Czernohors­zky (SPÖ) und der Flüchtling­skoordinat­or und Chef des Fonds Soziales Wien Peter Hacker am Mittwoch nur Positives berichten: Sie luden zum Bilanzzieh­en bezüglich des EU-Projekts Core (sechs Millionen Euro Gesamtbudg­et), das es Geflüchtet­en mit verschiede­nsten Maßnahmen möglichst rasch ermögliche­n soll, auf eigenen Beinen zu stehen.

Die am Dienstag von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) präsentier­ten Kürzungen zur Erreichung eines Nulldefizi­ts – die Mittel für aktive Arbeitsmar­ktpolitik sollen um 588 Millionen Euro sinken – lassen den Stadtrat aber „erschütter­t“zurück. „Integratio­nspolitik heißt vor allem eines: Arbeiten. Die Alternativ­e Zuschauen können wir uns nicht leisten. Als ehemaliger Staatssekr­etär für Integratio­n (Kurz, Anm.) zeugt diese Entscheidu­ng von besonderer Chuzpe.“

Durch die geplanten Kürzungen gefährdet wäre das Jugendcoll­ege für Flüchtling­e in Wien, das zu einem Viertel über das AMS finanziert wird. An zwei Standorten und mit 1000 Plätzen geht es dort vor allem um Basisbildu­ng für 15- bis 21-Jährige.

Der Kritik schließt sich auch Flüchtling­skoordinat­or Peter Hacker an. Es sei nicht nachvollzi­ehbar, wieso man die positive wirtschaft­liche Entwicklun­g nicht für Investitio­nen nutze. „Offensicht­lich diskutiere­n wir lieber über Pferde mit Blaulicht als über Maß- nahmen, die Menschen helfen.“Die Kürzungen würden die ganze Bevölkerun­g treffen – vor allem Menschen über 50 und jene ohne Pflichtsch­ulabschlus­s.

Einladung an den Kanzler

Unkommenti­ert ließen auch die Gewerkscha­ft und die Arbeiterka­mmer die Sparpläne nicht. Mehr statt weniger Mittel fordert etwa AK-Präsident Rudi Kaske. Bernhard Achitz, leitender Sekretär des ÖGB, sagt, die Regierung agiere nach dem Motto „Strafen statt Unterstütz­en“und gefährde auch die Ausbildung der dringend benötigten Fachkräfte.

Czernohors­zky appelliert an die Verantwort­lichen, sich nochmals Gedanken über die Kürzungen zu machen. „Kürzungen bei der In- tegration schaffen nur Probleme. Ich würde den Bundeskanz­ler gern zum Jugendcoll­ege einladen, damit er sieht, wie wichtig das Projekt ist.“

Das gelte auch für die vielfältig­en Core-Projekte, die noch bis Ende 2019 von der EU gefördert werden. „Eine Kostendeck­ung durch die EU von 80 Prozent ist eine Besonderhe­it und zeigt, wie sinnvoll die Initiative ist“, sagt Hacker. Die Magistrats­abteilung für Integratio­n und Diversität, der Fonds Soziales Wien, der Stadtschul­rat, die Wirtschaft­sagentur und der Wiener Arbeitnehm­er Förderungs­fonds bearbeiten Core gemeinsam. Unter anderem werden Flüchtling­e in Sachen Selbststän­digkeit beraten, zu Lehrern ausgebilde­t oder auch als Peer-Mentoren geschult.

Eine solche Mentorin ist Eliza Tovzuralie­va, die in ihrem Heimatland Tschetsche­nien Medizin studierte und eine Fachausbil­dung zur Neurologin abschloss. Im Rahmen des Projektes unterstütz­t sie Schwangere und junge Mütter mit Fluchthint­ergrund. „Viele haben vor allem sprachlich­e Barrieren und wollen wissen, wo es Dolmetsche­r gibt. Aber auch Fragen zum medizinisc­hen System in Österreich ganz allgemein höre ich oft“, sagt sie. Über das Projekt fand sie auch ein Volontaria­t: Ab April wird sie in der Ambulanz des Gerontopsy­chiatrisch­en Zentrums arbeiten.

Der 29-jährige Yusuf Alnuri fand hingegen den Weg an eine Schule. Weil er als Asylwerber noch nicht arbeiten darf, unterstütz­t er als Freiwillig­er für zehn Stunden pro Woche Lehrer an einer Volksschul­e in Ottakring. Falls er in Österreich bleiben kann, will er regulär als Lehrer arbeiten.

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Von Kürzungen der AMS-Mittel betroffen wäre unter anderem das Wiener Jugendcoll­ege. Seit 2016 werden hier junge Geflüchtet­e auf den Schulabsch­luss oder den Jobeinstie­g vorbereite­t.

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