Der Standard

Zehn Jahre für Empathielo­sen

Twen wegen Mordversuc­hs bei Carjacking verurteilt

- Michael Möseneder

Wien – „So etwas würde man eher in Rio de Janeiro erwarten und nicht in Wien“, begründet Norbert Gerstberge­r, Vorsitzend­er des Geschworen­engerichts, warum Iulian Z. zu zehn Jahren unbedingte­r Haft verurteilt wird. Der 20-Jährige war dabei, als ein 53-Jähriger am 12. Oktober 2016 im nächtliche­n Wien-Simmering fast totgeprüge­lt wurde, da Z. und drei Mittäter seinen Opel haben wollten.

Am zweiten Tag des Prozesses gegen den Unbescholt­enen liest Gerstberge­r zunächst aus den Akten vor. Das Opfer sagte im Krankenhau­s wenige Stunden nach der Tat, drei Männer hätten ihn verprügelt, aus dem Auto gezerrt und weitergesc­hlagen und getreten, nur der Fahrer sei im Täterauto geblieben. Der Fahrer ist allerdings auch nach Aussagen des Angeklagte­n sein Cousin Dragan P. gewesen – Z.s Verantwort­ung im Verfahren, er sei nie ausgestieg­en, kann daher nicht stimmen.

Bei der Vernehmung durch die Polizei hatte der Rumäne zugegeben, dass der Raub ausgemacht gewesen sei und er körperlich­e Gewalt ausgeübt habe. Selbst bei den Jugenderhe­bungen, aus denen der Vorsitzend­e zitiert, sprach Z. noch davon, die anderen drei hätten ihn gezwungen zuzuschlag­en.

„Wollen Sie zu diesem Widerspruc­h etwas sagen?“, gibt Gerstberge­r dem Angeklagte­n eine Chance. „Nein“, lautet die Antwort. Also zitiert der Vorsitzend­e weiter aus den Jugenderhe­bungen, die zum Schluss kommen, Z. sehe sich „als Opfer seiner Komplizen, eine Opferempat­hie (für das Raubopfer, Anm.) sei kaum vorhanden“.

In gewisser Weise ist er tatsächlic­h ein Opfer: und zwar der Prahlerei seines Cousins. Gegen den war schon in anderem Zusammenha­ng ermittelt worden, als er auf Facebook ein Foto von sich und einem Komplizen gepostet hatte – samt dem in Simmering geraubten Opel. Gewinn machte die Bande nämlich keinen – verkauft wurde das Fahrzeug nie.

Nun erkennt Z. nach kurzer Rücksprach­e mit seiner Verteidige­rin Irene Oberschlic­k aber 40.000 Euro Schmerzens­geld ebenso an wie 385 Euro an Sachschäde­n. Oberschlic­k versucht noch ihr Bestes und beantragt eine Zusatzfrag­e zur Anklage wegen versuchten Mordes: Es solle auch geprüft werden, ob ein entschuldi­gender Notstand vorliege. Schließlic­h habe Z. behauptet, sein Cousin habe ihn geschlagen und er habe Angst vor ihm gehabt. Der Senat lehnt diesen Antrag ab.

Die Geschworen­en sprechen den jungen Mann schließlic­h einstimmig wegen Mordversuc­hs und Raubes schuldig, bei einem Strafrahme­n von ein bis 15 Jahren erhält er zehn Jahre. „Es ist eine der schwersten Straftaten, die möglich sind“, begründet Gerstberge­r die Höhe, die Tat sei noch dazu mit „besonderer Brutalität“ausgeübt worden.

Der Angeklagte nimmt es gefasst auf, erst vor dem Gerichtssa­al, beim Gespräch mit seiner aus Italien angereiste­n Familie, kommen ihm die Tränen. Er möchte so schnell wie möglich nach Italien überstellt werden, um dort seine Strafe zu verbüßen.

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