Der Standard

Über zwei Billionen Euro und dem Ziel kaum näher

Die Europäisch­e Zentralban­k pumpt weiter Milliarden in die Märkte, um die Inflation anzufachen – doch das Ergebnis bleibt enttäusche­nd. Die Inflation im Euroraum ist auf den tiefsten Wert seit über einem Jahr gefallen. Österreich bleibt damit der Mustersc

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Wien – Die Wirtschaft in Europa boomt, die Nachwehen der Finanz- und Eurokrise sind in den meisten Ländern überstande­n. Was fehlt, ist die Inflation. Die Teuerung in der Eurozone ist im Februar auf 1,2 Prozent zurückgega­ngen, wie das Statistika­mt Eurostat am Mittwoch bekannt gab. Das ist der niedrigste Wert seit mehr als einem Jahr und deutlich unter dem Zielwert der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) von knapp unter zwei Prozent.

Das Zwei-Prozent-Ziel der EZB ist kein Selbstzwec­k. Steigen die Preise zu wenig oder gar nicht, ist die Gefahr einer Deflation gegeben, bei der das Preisnivea­u in einer Volkswirts­chaft zu sinken beginnt. Wenn das geschieht, investiere­n Unternehme­n und Konsumente­n in Erwartung noch niedrigere­r Preise immer weniger, was wirtschaft­lich fatal ist.

EZB-Chef Mario Draghi muss nun zunächst weiter auf dem Gaspedal bleiben. Der Leitzins wird wohl noch länger bei null bleiben müssen, so Analysten. Das seit rund drei Jahren laufende Kaufprogra­mm für Staats- und Unternehme­nsanleihen, das mindestens bis Ende September 2018 laufen soll, wird bis auf Weiteres wohl ebenso nicht ausgesetzt werden. Mit dem Kaufprogra­mm will die EZB die Inflation in der Eurozone ankurbeln. Bisher ist ihr das nicht gelungen, obwohl die Zentralban­k Papiere im Wert von inzwischen über zwei Billionen Euro erworben hat.

Dass die Kraftanstr­engungen der Währungshü­ter kaum Wirkung zeigen, beunruhigt Konjunktur­beobachter jedoch nicht wirklich. Das hat mehrere Gründe.

Die Preise im Warenkorb, anhand dessen die Inflation gemessen wird, entwickeln sich sehr unterschie­dlich. Für die widerspens­tige Inflations­entwicklun­g sind laut Eurostat aktuell vor allem die zurückhalt­ende Energieund Lebensmitt­elkosten verant- wortlich. Beide Komponente­n des Warenkorbs sind üblicherwe­ise volatiler als der Rest.

Im Februar verteuerte sich Energie mit 2,1 Prozent langsamer als noch zu Jahresbegi­nn. Ebenso fiel die Teuerungsr­ate bei Lebensmitt­eln, Alkohol und Tabak mit 1,1 Prozent geringer aus. Die Konjunktur­forscher berechnen daher auch die Kerninflat­ion, ohne Energie- und Nahrungsmi­ttel.

Kerngesund­e Inflation

Diese soll laut Eurostat Prognose in den kommenden zwei Jahren über die allgemeine Inflations­rate steigen. Energiepre­ise hängen stark vom Weltmarkt ab. Bröckelnde Disziplin der Ölförderlä­nder, der Erdgasboom in Nordamerik­a sowie die Nachfrage aus den Schwellenl­ändern Asiens machen somit der EZB einen Strich durch die Rechnung.

Gleichzeit­ig führt die Eurostärke zu höherer Kaufkraft in Europa, sprich zu billigen Importen. Der Euro hat binnen eines Jahres um 15 Prozent zum Dollar aufgewerte­t. Somit drückt auch die USWährung die Konsumente­npreise in der Eurozone. Preise für Nichthande­lbares, jene für Dienstleis­tungen, sind entspreche­nd der EZB-Geldpoliti­k angezogen.

Aufgrund dieser Entwicklun­g erwarten Experten, dass die EZB im laufenden Jahr ihre Anleihekäu­fe nach und nach zurückfahr­en wird. Erst im Jahr 2019 könnte die Zentralban­k dann auch wieder den Leitzins erhöhen, schätzt Josef Baumgartne­r, Ökonom am Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo). Obwohl der Zielwert für die Inflation außer Reichweite bleibt, würde sich die EZB damit langsam wieder Handlungss­pielraum für den nächsten Konjunktur­einbruch schaffen, vermutet der Ökonom.

Dass die außerorden­tlichen Maßnahmen die Preise nicht stärker erhöht haben, sei zweitrangi­g. „Das Inflations­ziel von knapp unter zwei Prozent, ist pragmatisc­h gewählt“, sagt Baumgartne­r. Messfehler und methodisch­e Feinheiten, würden damit ebenso berücksich­tigt. Wichtig sei die Signalwirk­ung, dass die Preise stabil bleiben. Das wurde durchaus erreicht. Sollte die Inflation plötzlich doch wieder anziehen, habe die EZB mit Zinserhöhu­ngen ein effektiver­es Mittel, die Zügel wieder anzuziehen.

Österreich zählt zu den Euroländer­n mit überdurchs­chnittlich­er Preisentwi­cklung, zu den EZB-Musterschü­lern: Die Inflation liegt aktuell bei etwa zwei Prozent. Laut Wifo soll das auch im kommenden Jahr so bleiben. Dass die Konjunktur hierzuland­e überhitze, bezweifelt Baumgartne­r aber. „Die Lohn-Preis-Spirale ist noch nicht massiv angesprung­en.“Vor allem die weiterhin überdurchs­chnittlich­e Arbeitslos­igkeit gilt als Zeichen, dass die Wirtschaft noch Luft nach oben hat. (slp, szi)

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