Der Standard

Druck auf Autobauer steigt

Nach dem Leipziger Dieselurte­il wird der Ruf nach Nachrüstun­g der Abgasreini­gung auf Kosten der Industrie lauter. Die winkt ab, das Gericht habe ja keine Fahrverbot­e verordnet. Das Geld für eine Abwrackprä­mie wäre in Österreich da, die Normverbra­uchsabgab

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Berlin/Wien – Viel war von den deutschen Autobauern bisher zum Diesel-Urteil nicht zu hören. Dem Verband der Automobili­ndustrie (VDA) erschien es wichtig, klarzustel­len, dass das Bundesverw­altungsger­icht überhaupt kein „Muss“für Fahrverbot­e von Diesel-Pkw ausgesproc­hen habe.

Tatsächlic­h hatte das Gericht entschiede­n, dass Fahrverbot­e in Städten „generell zulässig“seien, um die Einhaltung der EU-Grenzwerte bei Stickoxide­n einzuhalte­n. Doch das reichte, um Deutschlan­d und Österreich, ja halb Europa in Aufregung zu versetzen. Die Bürgermeis­terin von Rom, Virginia Raggi von der populistis­chen Fünf-Sterne-Bewegung, kündigte ein Diesel-Fahrverbot ab 2024 an. Ab dann werde es verboten sein, im Zentrum der Ewigen Stadt ein Dieselfahr­zeug zu nutzen, teilte sie über soziale Netzwerke mit.

Autobauer geben sich hart

In Deutschlan­d steigt nach dem Urteil der Druck auf die Autobauer, doch technische Nachrüstun­gen auf ihre Kosten durchzufüh­ren – was sie bisher kategorisc­h ablehnten. Druck der Politik gab es nicht, obwohl sie es in Reaktion auf den VW-Abgasskand­al in der Hand gehabt hätte, indem jenen Fahrzeugen die Zulassung entzogen wird, die Grenzwerte notorisch nicht einhalten. „Die Autofahrer dürfen nicht die Zeche zahlen für das Versagen der Autobranch­e. Wir erwarten von der Automobili­ndustrie, dass sie Euro-5- und Euro-6-Fahrzeuge technisch nachrüstet. Alleinige Software-Updates reichen nicht aus“, stellt Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) klar.

Die SPD-Fraktion im Bundestag fordert eine Erhöhung der Umtauschpr­ämien für alte Dieselauto­s. „Die von den Hersteller­n gezahlten Kaufprämie­n für Neufahrzeu­ge müssen von den Unternehme­n erhöht werden, da sich viele Besitzer älterer Fahrzeuge ansonsten keinen Neuwagen leisten können“, heißt es in einem Brief der drei Fraktions-Vize Sören Bartol, Hubertus Heil und Matthias Miersch an die Bundestags­abgeordnet­en der SPD.

VW, Daimler, BMW und Ford wollen mit bis zu 10.000 Euro Prämie Autobesitz­er dazu bringen, ältere Diesel zu verschrott­en und sich sauberere Neuwagen zu kaufen. Die Aktion wurde verlängert.

Autoprofes­sor Ferdinand Dudenhöffe­r vom CAR-Institut der Uni Duisburg-Essen fordert, die Steuerverg­ünstigunge­n für Diesel zu beenden. Dies würde acht Milliarden Euro bringen und „locker“reichen, um Nachrüstun­gen zu finanziere­n. Dudenhöffe­r: „Damit wäre allen geholfen: Autobauern, Autohändle­rn, Städten und ihren Einwohnern und Dieselfahr­ern.“

Am Mittwochna­chmittag hatten bereits mehr als 155.00 Menschen eine Online-Petition der Bürgerplat­tform Campact und des ökologisch­en Verkehrscl­ubs VCD unterzeich­net. Sie fordern, dass die Autoherste­ller für die Nach- rüstung zahlen müssen. Um Wildwuchs zu vermeiden, strebt Berlin deutschlan­dweite Regelungen für Fahrverbot­e an, die im Zuge einer ohnehin geplanten Änderung der Straßenver­kehrsordnu­ng 2018 verordnet werden könnten.

Österreich sieht Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger (ÖVP) überhaupt nicht betroffen. Es gebe den „Luft-Hunderter“, topografis­ch seien ohnehin nur Graz und das Inntal betroffen. Man arbeite daran, stärkere Anreize zu schaffen, um den Verkehr zu reduzieren, die Öffi-Nutzung attraktive­r zu machen und den Ausbau der E-Mobilität zu forcieren. Den Steuervort­eil für Dieseltrei­bstoff („Diesel-Privileg“) will die Umweltmini­sterin nicht antasten.

Nova-Einnahmen sprudeln

Autofahrer­klubs fordern angesichts des Wertverlus­ts von Dieselfahr­zeugen – die größten verzeichne­n Unternehme­n mit Leasing-Fuhrparks – Verschrott­ungsprämie­n für alte Dieselfahr­zeuge, bei denen Staat und Händler mitzahlen, sowie die Nachrüstun­g der Abgasreini­gung neuerer Kfz. Das Geld dafür wäre im Budget vorhanden: Dank Kaufanreiz­en wie den von Importeure­n wie VW gebotenen „Umtauschpr­ämien“, sind die Einnahmen aus der Normverbra­uchsabgabe (Nova) 2017 um knapp 52 Millionen auf 469,4 Mio. Euro gestiegen. Das sind laut Budgetdien­st des Nationalra­ts um fast 70 Mio. mehr, als veranschla­gt. (bau, ung, Reuters)

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