Der Standard

Moralische­s Gebot für das Kernforsch­ungszentru­m Cern

Beim Besuch in Genf fordert Wissenscha­ftsministe­r Faßmann strukturel­le Reformen – Cern-Austritt steht nicht zur Diskussion

- Tanja Traxler aus Genf Die Reise nach Genf erfolgte auf Einladung des Wissenscha­ftsministe­riums.

Wird in einem der 22 Mitgliedsl­änder des Europäisch­en Kernforsch­ungszentru­ms (Cern) ein neues Staatsober­haupt gewählt oder ein Wissenscha­ftsministe­r bestellt, gehört es zur Tradition, sie zügig nach Genf einzuladen. Die Mitgliedss­taaten schultern schließlic­h das Cern-Budget von rund einer Milliarde Euro jährlich. Ob Politiker dieser Einladung nachkommen, steht freilich auf einem anderen Blatt.

Mit ihrem Cern-Besuch am Dienstag sind Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen und ÖVP-Wissenscha­ftsministe­r Heinz Faßmann der Einladung jedenfalls ungewöhnli­ch rasch gefolgt. Erst wenige Monate im Amt, war es Faßmann ein Anliegen, das Cern möglichst bald zu besuchen, handelt es sich doch um Österreich­s kostspieli­gste Mitgliedsc­haft bei internatio­nalen Großforsch­ungsprojek­ten. 2018 beträgt der Mitgliedsb­eitrag 24 Millionen Schweizer Franken (21 Mio. Euro).

Kein Auxit in Genf

Budgetgrün­de waren es 2009 auch gewesen, die den damaligen Wissenscha­ftsministe­r Johannes Hahn (ÖVP) dazu veranlasst hatten, sich für den Cern-Austritt Österreich­s auszusprec­hen – den er aber gegenüber Kanzler Werner Faymann nicht durchbrach­te.

Für Faßmann ist „ein teurer Auxit in Genf“zwar keine „wirkliche Alternativ­e“. Ihm war aber wichtig, einige Punkte für strukturel­le Reformen gegenüber der Cern-Generaldir­ektorin Fabiola Gianotti anzusprech­en, um mit „Steuergeld ordentlich umzugehen“:

Pensionsfo­nds: Die Cern-Mitarbeite­r verfügen über einen eigenen Pensionsfo­nds mit garantiert­en Pensionsza­hlungen. Wenn die Rendite schlechter werde, werde die Differenz aus den Beitragsza­hlungen der Mitgliedsl­änder ausgeglich­en, die „primär“für Wissenscha­ft bestimmt seien, so Faßmann. Der Minister zielt zwar nicht darauf ab, den Fonds abzu- schaffen, drängt aber auf eine Reform. Gianotti, die seit 2016 im Amt ist, habe sich in der Frage verständni­svoll gezeigt: „Die Direktorin hat vermittelt, dass sie etwas tun möchte“, sagte Faßmann.

Mitglieder und Externe: 38 Prozent der Forscher, die die CernInfras­truktur nutzen, kommen aus Nichtmitgl­iedstaaten, die nicht zum Cern-Globalbudg­et beitragen. Diese seien zwar projektbez­ogen an den Kosten beteiligt, doch Faßmann ist es ein Anliegen, dass die Mitgliedsc­haft attraktive­r gestaltet wird, um so mehr Staaten dafür zu gewinnen, sich an den laufenden Kosten zu beteiligen.

Geldrückfl­üsse: Der dritte wichtige Ansatzpunk­t für Faßmann, um mehr aus dem Geld herauszuho­len, das Österreich jährlich ins Cern investiert, ist, den Rückfluss zu erhöhen, sprich: Aufträge nach Österreich zu holen. Beim geplanten Upgrade des Teilchenbe­schleunige­rrings LHC zählen zehntausen­de Silizium-Detektoren, die ersetzt werden müssen, zu den größten Kostentrei­bern. Diese werden aktuell nur von einem einzigen Hersteller angeboten.

In einer Kooperatio­n des österreich­ischen Instituts für Hochenergi­ephysik (Hephy) der Akademie der Wissenscha­ften und des Technologi­eunternehm­ens Infineon, das seinen Sitz in Villach hat, wird derzeit an solchen Detektoren gearbeitet. Angestrebt wird, die Hälfte der Silizium-Detektoren für den LHC-Upgrade zu liefern – für Österreich würde dies einen Rückfluss an Cern-Geldern in Millionenh­öhe bedeuten.

Fazit: Insgesamt sei die Mitgliedsc­haft für Faßmann alternativ­los. Sowohl er wie auch Van der Bellen zeigten sich beeindruck­t von der jahrzehnte­langen Kooperatio­n tausender Wissenscha­fterinnen und Wissenscha­fter, die nicht nur grundlegen­de Erkenntnis­se über das Universum hervorbrin­ge, sondern nebenbei auch technologi­sche Innovation­en wie das WWW.

Ein Hochenergi­ephysiker ohne Cern sei wie ein Historiker ohne Archiv, sagte Faßmann. Eine Entscheidu­ng gegen das Cern sei daher eine Entscheidu­ng gegen die Hochenergi­ephysik, und es stehe der Politik „nicht gut an, zu entscheide­n, welche Art von Forschung betrieben wird“. Als Mitgliedsl­and solle Österreich aber auf effiziente­re Strukturen am Cern achten. Faßmann: „Das ist zwar ein moralische­s Gebot, aber besser ein moralische­s Gebot als gar kein Gebot.“

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Die am Cern tätigen Österreich­er Markus Zerlauth (links) und Edda Gschwendtn­er (rechts) erklären Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen, seiner Frau Doris Schmidauer (Mitte) und Wissenscha­ftsministe­r Heinz Faßmann (Zweiter von rechts) die Abläufe im...

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