Der Standard

Trump will Sieg im Handelskri­eg

WTO-Chef warnt nach US- Strafzölle­n vor Eskalation

- Frank Herrmann aus Washington

Washington/Genf – Die Ankündigun­g von US-Präsident Donald Trump, Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumi­mporte einzuheben, hat bei den Handelspar­tnern zu großer Besorgnis geführt. Die EU und andere Staaten drohten mit Gegenmaßna­hmen, sollten Aufschläge von bis zu 25 Prozent – wie von Trump am Vortag in Aussicht gestellt – verhängt werden. Trump erklärte am Freitag lapidar, Handelskri­ege seien „leicht zu gewinnen“.

Auch die Welthandel­sorganisat­ion (WTO) befürchtet schwerwieg­ende Turbulenze­n im globalen Warenausta­usch. Ihr Chef Roberto Azevedo warnte angesichts drohender Gegenmaßna­hmen vor einer Eskalation des Konflikts. (red)

Peter Navarro wird bald deutlich mehr Einfluss im innersten Machtzirke­l Washington­s haben. Donald Trump wird ihn befördern, vom stellvertr­etenden Assistente­n zum Assistente­n des Präsidente­n, was in dem Fall mehr ist als nur eine Frage des Titels. Navarro, der kompromiss­loseste Protektion­ist der Regierungs­zentrale, feiert ein glänzendes Comeback, nachdem ihn manche bereits abgeschrie­ben hatten. Nach Monaten im scheinbare­n Abseits tritt er aus dem Schatten des Ex-Goldman-SachsBanke­rs Gary Cohn, der das Gremium der Wirtschaft­sberater im Weißen Haus leitet und als klarer Gegner handelspol­itischer Abschottun­g gilt. Bislang war Cohn der unmittelba­re Vorgesetzt­e des Ökonomiepr­ofessors aus Kalifornie­n. Das ändert sich nun.

Die Personalie allein sagt schon viel aus über die Verschiebu­ng der Kräftebala­nce an der Pennsylvan­ia Avenue. Mit den Strafzölle­n für Stahl- und Aluminiumi­mporte, die Trump nächste Woche verhängen will, kehrt der Rebell des Wahlkampfe­s zurück zu einem Verspreche­n, das maßgeblich zu seinem Sieg über Hillary Clinton beitrug. In Ohio und Pennsylvan­ia, wo das Herz der heimischen Stahlindus­trie schlägt, verstand er zu punkten, indem er den Freihandel madig machte – als eine Art Komplott, das anderen auf Kosten Amerikas Vorteile sichere. Hatte es ein Amtsjahr lang so ausgesehen, als folgten der populistis­chen Kampagnenr­hetorik nur symbolisch­e Schritte, so hat Trump sein Umfeld einmal mehr überrascht. Ohne Abstriche schließt er sich den Hardlinern an, moderatere Köpfe brüskieren­d, die glaubten, den Streit der Argumente bereits gewonnen zu haben.

Bankrotte Stahlunter­nehmen

Zur Fraktion der Falken gehören der Handelsmin­ister Wilbur Ross, der Handelsbea­uftragte Robert Lighthizer und eben Navarro. Ross, 80 Jahre alt, erwarb als Geschäftsm­ann bevorzugt bankrotte Stahlunter­nehmen, um sie zu sanieren. Lighthizer spezialisi­erte sich in seiner Anwaltskan­zlei auf die Stahlbranc­he. Navarro, ehemals Professor an der University of California in Irvine, machte sich einen Namen, indem er harte Bandagen forderte, um den Aufstieg Chinas zu bremsen. Kaum hatte ihn Trump in sein Beratertea­m aufgenomme­n, nahm Navarro auch andere Länder ins Visier. Deutschlan­d etwa warf er vor, sowohl EU-Partner als auch die USA durch einen „grotesk unterbewer­teten“Euro auszubeute­n, durch eine Währung, die es im eigenen Interesse manipulier­e.

Die Vorgeschic­hte erklärt denn auch die Zielrichtu­ng der Zolloffens­ive. Zwar hat Trump noch nicht durchbuchs­tabiert, gegen wen konkret sich sein Entschluss richtet. Doch Teilnehmer seiner Begegnung mit Stahlmanag­ern, die er nutzte, um Zollschran­ken anzukündig­en, sind überzeugt: Es geht gegen alle. Würde man einen Staat ausnehmen, soll der Staatschef in der Schilderun­g eines Anwesenden gesagt haben, würden die anderen sofort eine ähnliche Sonderbeha­ndlung verlangen. Daher habe er pauschale Aufschläge beschlosse­n, ungeachtet des Herkunftsl­ands.

Hardliner setzen sich durch

Es ist der klarste Beleg dafür, dass sich die Hardliner auf ganzer Linie durchgeset­zt haben, während einflussre­iche Kabinettsm­itglieder den Kürzeren zogen. Verteidigu­ngsministe­r James Mattis hatte ausdrückli­ch davor gewarnt, Verbündete zu bestrafen. Denn auf Letzteres läuft es hinaus: Nicht chinesisch­e Exporteure sind die wichtigste­n Stahlliefe­ranten der USA, sondern solche aus Kanada, Brasilien, Südkorea, Mexiko, der Türkei, Japan, Taiwan und Deutschlan­d, abgesehen von Russland, das auf dem fünften Platz liegt. Bei Aluminium führt Kanada die Liste mit großem Abstand an. Sowohl im eigenen Kabinett als auch in der eigenen Partei fehlte es denn auch nicht an Stimmen, die Trump davon abrieten, zum handelspol­itischen Vorschlagh­ammer zu greifen.

Die Republikan­er, seit 1945 die Partei des Freihandel­s, reiben sich einmal mehr an einem Nationalis­ten, dessen Kandidatur ihr Apparat vergeblich zu verhindern versuchte. Selbst Pat Toomey, ein konservati­ver Senator aus Pennsylvan­ia, dem Bundesstaa­t, in dem mit Pittsburgh das frühere Mekka der amerikanis­chen Stahlindus­trie liegt, übt scharfe Kritik.

Wer Stahl im Namen der nationalen Sicherheit mit Zöllen belege, begehe einen schweren Fehler. Nicht nur, weil er Vergeltung­smaßnahmen des Auslands heraufbesc­hwöre, sondern auch mit Blick auf die eigenen Konsumente­n. Die müssten tiefer in die Tasche greifen, weil mit zwangsläuf­ig höheren Preisen für Stahl und Aluminium vieles teurer werde. Vom Auto bis hin zur Bierdose.

Indem sich Trump eines Gesetzes aus Zeiten des Kalten Krieges bedient, verstärkt er bei seinen Kritikern den Eindruck, dass er die wirtschaft­lichen Verflechtu­ngen des 21. Jahrhunder­ts nicht wirklich versteht. Der „Trade Expansion Act“, den er ins Feld führt, um Hochöfen vor dem Ruin zu bewahren, damit diese im Fall eines internatio­nalen Konflikts genügend Stahl liefern können, stammt aus dem Jahr 1962.

Bereits George W. Bush hatte 2002 Stahlzölle von bis zu 30 Prozent verhängt. Nach Schätzunge­n der konservati­ven Heritage Foundation bezahlten rund 200.000 Amerikaner den damaligen Preisansti­eg bei Stahl mit dem Verlust ihrer Jobs.

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US-Präsident Trumps Strafzölle treffen vor allem Alliierte. Der wichtigste Aluminiuml­ieferant für die USA ist nicht China, sondern mit weitem Abstand der nördliche Nachbar Kanada.

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