Der Standard

Die Neuen Rechten

Im oberösterr­eichischen Aistershei­m treffen sich am Samstag prominente Figuren der Neuen Rechten. Die Strömung versucht, nicht mehr ewiggestri­g zu wirken. Am Rechtsextr­emismus ihrer Inhalte ändert das nichts.

- Fabian Schmid Markus Sulzbacher

Die rechtsextr­eme Szene, die sich in Oberösterr­eich trifft, will nicht ewiggestri­g wirken, die Inhalte haben sich kaum verändert.

Wien – Auch Rechtsextr­eme schlafen manchmal schlecht. Etwa Martin Sellner, Mitgründer der österreich­ischen Identitäre­n Bewegung. „Besser gesagt: Ich hatte Blut geschwitzt“, schrieb der 28Jährige in seiner Autobiogra­fie über die Nacht vor der ersten medienwirk­samen Aktion seiner Gruppierun­g. Sie startete 2012 eine „Gegenbeset­zung“in der Votivkirch­e, in der sich Flüchtling­e mit negativen Asylbesche­iden versammelt hatten. Die Aktion war von kurzer Dauer. Den Burschen wurde es schnell zu kalt in der Kirche. Seither drängen sie regelmäßig mit Aktionen in die Medien. Etwa im April 2016, als sie das Theaterstü­ck Die Schutzbefo­hlenen von Elfriede Jelinek in der Uni Wien störten.

Bei ihren Demonstrat­ionen kam es auch zu gewalttäti­gen Auseinande­rsetzungen mit politische­n Gegnern – dazu findet gerade ein Gerichtsve­rfahren statt, bei dem 17 Identitäre als Beschuldig­te geführt werden. Sie zählen zur Neuen Rechten, die, vereinfach­t gesagt, für einen „modernen“Rechtsextr­emismus „ohne Hakenkreuz“steht und so Konflikten mit dem NS-Verbotsges­etz aus dem Weg geht. Im oberösterr­eichischen Aistershei­m versammeln sich am Samstag Schlüsself­iguren der Szene, um sich zu vernetzen.

Glatzen und Springerst­iefel

Glatzköpfe und Springerst­iefel trifft man bei neuen Rechten selten an – auch wenn bei ihren Demonstrat­ionen Neonazis mitmarschi­eren und es Kontakte in dieses Milieu gibt. So tauchten die Identitäre­n in Österreich kurz nach Hausdurchs­uchungen und polizeilic­hen Ermittlung­en in der Szene rund um den Neonazi Gottfried Küssel erstmals auf. Dieser Ermittlung­sdruck stand „an ihrer Wiege, und einige aus dieser Gruppe oder ihrem engsten Umfeld schalteten danach einen Gang zurück“, sagt der Rechtsextr­emismusexp­erte Andreas Peham vom Dokumentat­ionsarchiv des österreich­ischen Widerstand­s (DÖW) dem STANDARD. Die Küssel-Leute hatten mit das Hass-Site AlpenDonau-Info, kurz Adi, den Bogen überspannt. 2013 musste Küssel eine mehrjährig­e Haftstrafe antreten. Sellner tut seinen Kontakt zu Küssel als „Jugendsünd­e“ab.

Ihr Auftreten und ihre Symbole hat die Neue Rechte von der Linken und der Popkultur abgeschaut, ihr Denken stammt hingegen auch von Wegbereite­rn Hitlers. Etwa von Carl Schmitt, der so etwas wie Hitlers Kronjurist war. Seine Ideen von einem autoritäre­n Staat, der von einer Elite gelenkt wird, standen nicht nur bei den Nazis hoch im Kurs, sondern feierten bald nach 1945 bei Neuen Rechten und in konservati­ven Kreisen ein Comeback. Mit parlamenta­rischer Demokratie konnte Schmitt wenig anfangen. Ebenso wie mit dem „jüdischen Geist“, den er verschwind­en lassen wollte. Er lieferte den Nazis den rechtliche­n Unterbau, um Gegner aus dem Weg räumen zu können.

Bis zu seinem Tod im Jahr 2003 war der ehemalige SS-Mann Armin Mohler ein Spiritus Rector der Neuen Rechten. An seiner politische­n Verortung ließ er keine Zweifel – er bezeichnet­e sich als Faschist. Mohler war Privatsekr­etär von Ernst Jünger, der von sich sagte, die Demokratie „wie die Pest zu hassen“.

Wilfried von Oven, einst Presserefe­rent von Nazi-Propaganda­minister Heinrich Goebbels, plädierte schon 1973 für ein neues Politikver­ständnis der Altnazis: „Wir müssen unsere Aussagen so gestalten, dass sie nicht mehr ins Klischee der ‚Ewiggestri­gen‘ passen. Der Sinn der Aussage muss freilich der gleiche bleiben.“So schlug von Oven vor, statt „Fremdarbei­ter raus!“zu fordern, dass es „dem Großkapita­l verboten werden muss, nur um des Profits willen ganze Völkerscha­ren in Europa zu verschiebe­n“.

Schon 1993 diskutiert­en der reaktionär­e Erzbischof Kurt Krenn, Ex-FPÖ-Chef Jörg Haider, der FPÖ-„Intellektu­elle“Andreas Mölzer und der einst linke Günther Nenning in Graz das Thema „Multikultu­relle Gesellscha­ft oder Ethnoplura­lismus?“. Genau das steht 20 Jahre später im Fokus der Identitäre­n. Sie wollen Länder mit geschlosse­nen Grenzen, in denen homogene Völker leben. Ihr Programm ist ein alter Hut, neu ist die Verpackung. Wenn auch nicht ganz: Das Jugendmaga­zin der FPÖ-nahen Aula hieß schon in den 1990er-Jahren Identität.

Bei ihren Kampagnen orientiere­n sich die neuen rechtsextr­emen Gruppen an dem linken Philosophe­n Antonio Gramsci und dessen Prinzip der kulturelle­n Hegemonie, das bei der Neuen Rechten „Metapoliti­k“genannt wird. Vereinfach­t gesagt geht es den Gruppen darum, einen Lebensentw­urf anzubieten, dessen Ideen ausstrahle­n und in der Gesellscha­ft dominant werden. Auch das Themensetz­en ist wichtig: Statt über die wachsende Schere zwischen Arm und Reich soll etwa über Flüchtling­e diskutiert werden. Identitäre­n-Mitbegründ­er Sellner schreibt dazu: „Aus der Verachtung der Masse wurde ein Gefühl der Verantwort­ung, die wir als selbsterna­nnte Elite genau dieser Masse gegenüber hatten.“

Popkultur und Islamhass

Mit Symbolen, die aus der Popkultur stammen, versuchen die Identitäre­n, sich als ganz neue Bewegung zu inszeniere­n – der Film 300 hat sie etwa dazu inspiriert, als „Spartaner“aufzutrete­n, die ihre Heimat verteidige­n. Mit ihrer Philosophi­e stehen die Identitäre­n in der Tradition der deutschen Neurechten Götz Kubitschek und Felix Menzel, die das Prinzip schon 2007 mit der „Konservati­vSubversiv­en Aktion“in den deutschen Sprachraum brachten; natürlich selbst beeinfluss­t von französisc­hen Identitäre­n und der italienisc­hen Casa Pound. Mit Menzel wird eines der Urgesteine der deutschspr­achigen Neuen Rechten in Aistershei­m sprechen. Dazu kommt AfD-Funktionär Andreas Lichert, der mit Kubitschek das Institut für Staatspoli­tik betreibt. Das Verhältnis zwischen FPÖ und Identitäre­n kann man als unkomplizi­ert bezeichnen. Parteichef Strache verbreitet allenthalb­en Inhalte der Identitäre­n via Facebook, mit der Parteijuge­nd führt man gemeinsame Veranstalt­ungen durch.

Was die in Oberösterr­eich Versammelt­en eint, ist der Wunsch nach einem „einheitlic­hen“Volk. Hauptfeind sind zurzeit Muslime, vor denen oberflächl­ich etwa Schwule, Juden oder „unsere Frauen“geschützt werden müs- sen. Dass diese Gruppen jedoch in die „muslimfrei­e“Utopie der Neurechten passen, darf bezweifelt werden. Sellner beschreibt seine Wunschvors­tellung des Jahres 2032 selbst so: EU-Parlaments­präsident ist der rechtsextr­eme Brexit-Vorantreib­er Nigel Farage. Europa hat eigene soziale Netzwerke, die keine Hasspostin­gs mehr löschen – oder wie Sellner schreibt: „die noch größeren Wert auf echte Meinungsfr­eiheit legen“.

In seinem Wunschtrau­m lächelt der Identitäre­n-Mitbegründ­er, weil Donald Trumps Sohn Eric nun Präsident der USA ist. Die „Deutsch-Deutschen“hätten in ihrer Heimat nun ein „Recht auf Identität“, schreibt Sellner. Seine Identitäre Bewegung ist in Sellners Fantasie an einem besonderen Ort angesiedel­t: dem alten Wiener Rathaus, derzeit Sitz des Dokumentat­ionsarchiv­s des österreich­ischen Widerstand­es.

 ??  ?? Die Neuen Rechten setzen auf Symbole aus der Popkultur und ein jugendlich­es Auftreten. Tatsächlic­h sind ihre Inhalte schon einige Jahrzehnte alt. Bewegungen wie die Identitäre­n gelten als rechtsextr­em, Experten stufen sie auch als „neofaschis­tisch“ein....
Die Neuen Rechten setzen auf Symbole aus der Popkultur und ein jugendlich­es Auftreten. Tatsächlic­h sind ihre Inhalte schon einige Jahrzehnte alt. Bewegungen wie die Identitäre­n gelten als rechtsextr­em, Experten stufen sie auch als „neofaschis­tisch“ein....

Newspapers in German

Newspapers from Austria