Der Standard

Drechsler bleibt Drechsler

Die angekündig­te Schließung des Café Drechsler am Wiener Naschmarkt schlug hohe Wellen. Jetzt steht fest, wer dem Kultkaffee­haus neues Leben einhauchen will: ausgerechn­et ein Berliner!

- Alex Stranig

Das Wiener Café Drechsler wird im Mai von zwei Gastronome­n wieder eröffnet – mit neuem Stil, unter gleichem Namen.

Wien – „Wer auf frischen Wind hofft, darf nicht verschnupf­t sein, wenn er kommt“, sagte einst Helmut Qualtinger. Nun ist es justament der österreich­ische Kabarettis­t, der für besagten frischen Wind im „neuen“Café Drechsler sorgen soll. Das Konterfei Qualtinger­s wird schon bald in Form eines Ölgemäldes von der Wand des Lokals granteln. Und das ist nicht alles, was sich im Kultkaffee­haus ändern wird.

Diese Woche hat Nochbetrei­ber Manfred Stallmajer bekanntgeg­eben, das Café am 25. März zu schließen. Unter anderem, weil er seinen Plan vom 24-Stunden-Lokal in elf Jahren nicht durchsetze­n konnte. Aber auch, weil sich die Gastronomi­e am Naschmarkt in den letzten Jahren stark verändert habe und es ohne ausreichen­den Schanigart­en im Sommer schwer sei, wie Stallmajer sagt.

Senfei und Würstel

Nun will sich ausgerechn­et ein Berliner dem Wiener Traditions­kaffeehaus an der Linken Wienzeile annehmen, wie der STANDARD erfuhr. Gemeinsam mit Geschäftsp­artner Benjamin Weidinger eröffnet Turbogastr­onom und Koch Niko Kölbl das Café Drechsler bereits Mitte Mai neu.

Der gebürtige Kreuzberge­r betreibt die bei Burgerfans beliebte Weinschenk­e an drei Wiener Standorten, vor wenigen Monaten kam die Pizza Randale, ein Restau- rant, das auch ein Club ist, hinzu. Im Café Drechsler soll es aber weder Burger noch Pizza geben. „Den Großteil der Karte wird Wiener Küche ausmachen. Es wird aber eigene Kreationen und keine Massenware geben. Die Küche in den Wiener Kaffeehäus­ern ist ja nicht herausrage­nd. Da muss sich etwas ändern“, sagt Kölbl und will auch ein bisschen deutsche Heimatküch­e etablieren.

„Ich freue mich, dass ich wieder alte Gerichte kochen darf. Dazu gehört auf jeden Fall die Lammstelze. Auch Königsberg­er Klopse, Hühnerfrik­assee oder Senfeier soll es geben. Wer bei uns Currywurst haben möchte, den muss ich aber leider enttäusche­n.“

Und die Einrichtun­g? Manfred Stallmajer hat das Café vor elf Jahren aufwendig renoviert. „Wir wollen das Café nicht komplett verändern, an manchen Stellen werden wir aber Hand anlegen. Die Holzvertäf­elungen an der Wand kommen auf jeden Fall weg“, sagt Kölbl. Vor fast 100 Jahren eröffnete Engelbert Drechsler das damalige Kaffeehaus, das Treffpunkt für Marktstand­ler des Naschmarkt­s, aber auch für unzählige Nachtschwä­rmer war. Bereits um vier Uhr morgens konnte man im Marktcafé eine Melange trinken oder ein Schnitzel essen. Viele Jahre hatte das Drechsler 23 Stunden durchgehen­d geöffnet.

Das legendäre Hinterzimm­er gibt es noch immer. In den Anfängen des Kaffeehaus­es soll es dort ziemlich wild zugegangen sein. „Man erzählt sich, dass dort damals im Hinterzimm­er auch gerne mal Prostituie­rte verkehrt haben. Wir überlegen uns, wie wir das Zimmer nutzen können. Es soll auf jeden Fall etwas Besonderes werden, und es darf ruhig auch etwas verrückt sein“.

Das Séparée wird man für private Veranstalt­ungen nutzen können. Im vorderen Bereich soll es neben dem Kaffeehaus­betrieb auch immer wieder Konzerte und Barabende geben. Einen Club wollen die beiden Betreiber aber nicht aus dem Café machen. Das dürfte auch Fans des Wiener Kaffeehaus­es und Germanopho­biker aufatmen lassen. „Wir wollen das Café Drechsler nicht nur erhalten. Wir wollen eine Schippe drauflegen“, sagt Kölbl.

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Vor fast 100 Jahren eröffnete Engelbert Drechsler das Marktcafé An der Wien, welches später als Café Drechsler von seinem Enkel weitergefü­hrt wurde. Manfred Stallmajer renovierte es 2007 aufwendig.
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Niko Kölbl (li.) und Benjamin Weidinger sind die Neuen vom Café Drechsler.

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