Griechenlands Makedonier bleiben stur Die Alexander-Statuen sind weg und ebenso der Name des Makedonierkönigs am Flughafen Skopje. Doch in Griechenland ist die Mehrheit gegen eine Lösung des Namensstreits.
Kann eine Bohne politisch sein? Selbstverständlich. Und auch ein Krautkopf, ein Kilo Miesmuscheln oder die Pfirsiche, die im Sommer auf den Plantagen in Naousa, eine Autostunde westlich von Thessaloniki, am Baum hängen.
Die Küche ist die jüngste Waffe im Arsenal der griechischen Makedonier, um den Nachbarn im Norden in die Schranken zu weisen. Auf dem diplomatischen Parkett wie am Tavernentisch soll die ehemalige Teilrepublik Jugoslawiens eine ebenso empfindliche wie dauerhafte Niederlage erleiden. Denn die mazedonische Küche muss auf die Liste des Weltkulturerbes der Unesco, so stellen es sich die griechischen Politiker in Thessaloniki vor. Mazedonien ist hier, sagen sie, der Staat drüben ist Fiktion.
Der Regionalverwaltung, die von der konservativen Nea Dimokratia geführt wird, ist die Idee mit der Unesco umso wichtiger, als die griechische Regierung in Athen nun ernsthaft versucht, den Namensstreit mit dem kleinen Nachbarstaat im Norden beizulegen. „Wir hätten das schon vor 20, 30 Jahren tun sollen. Dann hätten wir nicht dieses Problem mit Skopje“, sagt Theofanis Papas über den Antrag bei der Unesco.
Er meint es ein wenig scherzhaft, aber im Grunde ist es ihm ernst. „Die Küche ist Teil unserer Identität. Sie folgt den Produkten, die man hier findet“, erklärt Papas, einer der jungen Vizegouverneure der Region Zentralmakedonien und zuständig für Landwirtschaft. Die ehemals Sozialistische Republik Mazedonien hatte 1991 als eine der letzten jugoslawischen Teilrepubliken ihre Unabhängigkeit erklärt. Seither geht der Streit mit Griechenland über den Namen und die Geschichte Mazedoniens, den der Rest von Europa nicht wirklich versteht.
Viele Volksgruppen
Die Idee mit der mazedonischen Küche ist dabei nicht so abwegig. Schließlich hat die Unesco bereits die „mediterrane Ernährung“zum Weltkulturerbe erklärt. Die Gerichte der griechisch-makedonischen Küche spiegeln bis heute den Zusammenfluss vieler Volksgruppen während der osmanischen Herrschaft und nach deren Ende wieder: Griechen und Türken, griechische Flüchtlinge aus Kleinasien und von der türkischen und georgischen Schwarzmeerküste; andere Minderheiten wie Juden, Armenier, Walachen, Sarakatsanen.
In FYROM, wie es politisch korrekt in Griechenland heißen muss, in der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien, wird nicht gekocht wie in Makedonien. Darauf schwören sie beim Gouverneur in Thessaloniki. Oder allenfalls im Grenzgebiet um die Stadt Bitola. Aber die sei ja ohnehin eigentlich griechisch und heißt Monastiri.
Papas’ Büro am noch ganz neuen Sitz der Regionalverwaltung im Industriehafen von Thessaloniki füllt sich im Lauf des Gesprächs. Es geht nicht länger nur um die große Rezeptsammlung und um das Komitee im Haus, das über die Aufnahme wahrhaft mazedonischer Gerichte für die Liste bei der Unesco befinden wird. Jeder der Beamten will auch seine Gefühle über den „Diebstahl“ihres Landes loswerden. „Wir sind in einer Situation wie die Bretagne und Großbritannien“, gibt einer zu bedenken. „Am Anfang fanden wir das auch noch komisch. Aber das hier ist der Balkan. Wir haben keine Nachbarn wie Frankreich, die Schweiz oder Österreich.“
Zugang zum Meer
Das Schreckbild eines irrationalen, kriegslüsternen Balkans ist eine Vorstellung, der man immer wieder auf der Reise durch Makedonien begegnet. Die Slawen wollen sich Zugang zur Ägäis verschaffen, heißt es dann. Und: Wer mag garantieren, dass eine andere Regierung in Skopje nicht eines Tages erklärt, alle Mazedonier – hüben wie drüben – müssten nun zusammengehören?
Für Theofanis Papas wäre eine Einigung mit Skopje über den Na- men Mazedonien keine Bedrohung der Grenzen. Es ist eher noch schlimmer. „Wir verlieren kein Territorium, wir sind dabei, einen Teil unserer Geschichte zu verlieren. Und das ist etwas, was sich schwer zurückfordern lässt“, sagt der Vizegouverneur zum Schluss des Gesprächs.
Kein Kompromiss
Über gut 300 Kilometer spannt sich Makedonien im Norden Griechenlands, von der Stadt Kastoria im Westen bis nach Chalkidiki und Kavala im Osten. 2,4 Millionen Menschen leben hier, ein Fünftel der griechischen Bevölkerung und mehr als in FYROM.
Bei der Verwaltungsreform von 2010 ist das Dutzend von Präfekturen in Makedonien in drei Regionen zusammengelegt worden: Westmakedonien, Zentralmakedonien sowie Ostmakedonien und Thrakien. Jede von ihnen wird von einem gewählten Gouverneur geführt, der eine Lösung des Namensstreits etwa in Form von „Nova Makedonija“oder „Obermazedonien“ablehnt oder ihr skeptisch gegenübersteht. 70 Prozent der Griechen denken ebenso, sagen die Umfragen.
Lefteris Ioannides gehört der Minderheit an. „Die Wahrheit ist der beste Weg vorwärts. Ich sage meine Meinung, auch wenn sie unpopulär ist“, erklärt Ioannides, Griechenlands einziger grüner Bürgermeister. Der Umweltaktivist führt Kosani, die Hauptstadt von Westmakedonien. Die Wahl vor vier Jahren gewann er, weil die Mehrheit in der Stadt nicht länger an die Zukunft der riesigen Kohleminen und Kraftwerke im Umkreis glaubt. Mazedonien aber ist ein anderes politisches Kaliber.
Ioannides ist wie die linksgeführte Regierung in Athen für einen zusammengesetzten Namen, einen geografischen oder anderen Zusatz, der den Unterschied zur griechischen Region Makedonien deutlich machen soll. „Wir wissen, dass der Rest der Welt sie Mazedonien nennt und dass sie als solche anerkannt sind“, sagt Kosanis Bürgermeister. Der Streit um den Namen habe in den letzten 25 Jahren aber verhindert, dass die Region Beziehungen zum Nachbarstaat entwickelte.
Die jüngsten Gesten aus Skopje scheinen auf die Griechen in Makedonien keinen großen Eindruck zu machen. Statuen, die Alexander den Großen darstellen sollen, sind abgebaut worden. Der Flughafen von Skopje und die Autobahn zur griechischen Grenze tragen nicht mehr den Namen des Makedonierkönigs. Eine Debatte mit Argumenten zu führen, das sei vor allem wegen der Desinformation und der Verunglimpfungen in den sozialen Medien sehr schwer, stellt ein Mitarbeiter des Bürgermeisters Ioannides resigniert fest.