Der Standard

Die zweigeteil­te Einheit der Kärntner Slowenen

Vor der Landtagswa­hl am Sonntag ist die Vertretung der Kärntner Slowenen gespalten: Dass ihr Chef mit den Neos antritt, ärgert die Basis. Dahinter steckt ein Streit über die Frage, wie man Anliegen am besten durchsetzt.

- Maria Sterkl

REPORTAGE:

Klagenfurt – Die Plastiktis­chdecke ist mit grünem Gras bedruckt, darauf eine Vase mit gelben Stoffblume­n: Ostern ist näher als Weihnachte­n. Noch näher ist die Kärntner Landtagswa­hl. Die Wahl? „Interessie­rt mich nicht“, brummt der ansonsten freundlich­e Wirt im Wirtshaus Pri Lipi (Zur Linde) in Bajdise/Waidisch südlich von Klagenfurt. Auch die wenigen Gäste unterhalte­n sich lieber über den Brennwert von Heizmateri­al als über Politik. Wählen gehe sie schon, sagt die einzige Frau am Stammtisch, dämpft eine Zigarette aus und zündet sich die nächste an, „aber darüber reden? Nein.“

Wie so oft in Kärnten verdrängt die Angst, eine Diskussion könnte einen Spalt in die gesellige Runde treiben, das auch schwelende Bedürfnis, sich einmal so richtig auszukotze­n über die da oben. Aber hier, bei den Slowenisch­sprachigen in Südkärnten, hat das Schweigen auch einen aktuellen Anlass: Seit ihre politische Spitze sich im Dezember mit den Neos zusammenge­tan hat, geht ein alter Riss wieder auf.

„Da passiert gerade eine politische Spaltung“, sagt Olga Voglauer, Fraktionsv­orsitzende der slowenisch­en Einheitsli­ste/ Enotna Lista (EL) in Ludmannsdo­rf/Bilčovs. Während andere Parteien ihre üblichen Grabenkämp­fe für die Zeit des Wahlkampfs beiseitele­gen, um alles dem gemeinsame­n Ziel Stimmenmax­imierung unterzuord­nen, sehen die Verhältnis­se bei der Einheitsli­ste anders aus: Die EL kandidiert nicht auf Landeseben­e, die Volksgrupp­e ist zu klein, um genügend Stimmen für ein Grundmanda­t aufzubring­en. Daher ging man bei früheren Wahlen öfter Allianzen mit etablierte­ren Parteien ein: den Liberalen, den Grünen. Auch das war nicht immer allen recht.

Neos als Tragflügel

Doch diesmal ist es ernster. Bei der Wahl am Sonntag sollten die Neos als Tragflügel für den Einzug im Landtag dienen, beschloss ELVorsitze­nder Gabriel Hribar im vergangene­n Herbst. Doch da hatte er die Rechnung ohne die weitverspr­engten Gemeindefr­aktionen gemacht. Auf einer außerorden­tlichen Mitglieder­versammlun­g stimmte die Mehrheit der Anwesenden gegen eine Allianz mit der pinken Liste. Seither ist das Wahlbündni­s quasi Privatsach­e Hribars und einiger anderer EL-Funktionär­e, die sich mit einer Handvoll deutschspr­achiger Quereinste­iger und Gemeindepo­litiker zur Wahlplattf­orm „Mein Südkärnten – Moja Južna Koroška“zusammenge­schlossen haben. Der Streit ist damit aber noch lange nicht beigelegt.

Dabei sieht offiziell alles ganz friedlich aus. Medien berichtete­n über ein gemeinsame­s Antreten der Neos mit Moja Južna Koroška, und immer wieder hieß es, auch die EL sei Teil der Plattform. Ganz so, als hätte es den Beschluss der Delegierte­n nicht gegeben. Auch von der EL folgte keine klare Distanzier­ung. Für Unbeteilig­te sah es also ganz danach aus, als hätten die Kärntner Slowenen bei den Neos eine neue Heimat gefunden.

Warum man sich nie öffentlich von dem Neos-Bündnis abgrenzte? „Wir wollten nicht, dass es dann wieder heißt, wir streiten nur“, sagt Olga Voglauer. Die Biobäuerin ist eine der schärfsten Kritikerin­nen Hribars. Auf der Mitglieder­versammlun­g warf sie dem Obmann vor, die Basis hintergan- gen zu haben und mit den Neos gemeinsame Sache zu machen, ohne zuvor die Zustimmung der Landesvers­ammlung eingeholt zu haben. Dem widerspric­ht Hribar auf STANDARD- Anfrage: „Blödsinn“sei das. In der Basis habe nämlich schon vorher ein Konsens darüber geherrscht, dass man diesmal an gar keiner Partei andocken wolle. Deshalb, so Hribar, war eine Abstimmung über die pinke Allianz „nicht notwendig“. Dass es sie – auf Drängen Voglauers – dann doch gab, sei dennoch „gut so“, meint Hribar: „Es wurden gewisse Sachen klargestel­lt.“

Zum Beispiel die Finanzen. Von der EL fließt kein Cent in den Wahlkampf der Neos. Einige Kritiker Hribars kandidiere­n mittlerwei­le auf grünen Listen. Auch Voglauer, die sich auf der Mitglieder­versammlun­g eigentlich für ein selbst- ständiges Antreten der EL starkgemac­ht hatte. Nicht um in den Landtag einzuziehe­n, wie sie erklärt, sondern um als Volksgrupp­e sichtbar zu sein. „Ein starkes Zeichen“wäre das gewesen. Dass sie nun doch auf einer Wahlkreisl­iste der Grünen antritt, erklärt Voglauer als Akt der Solidaritä­t mit der stark geschwächt­en Partei. Sollten die Grünen an der Einzugshür­de scheitern, dann würde das nämlich „einen starken Rechtsruck“im Landtag bringen – und ein solcher sei für die Kärntner Slowenen schon immer fatal gewesen.

Der aktuelle Zwist ist auch ein Richtungss­treit: Da ist einerseits die Fraktion rund um Hribar. Sie will in die Breite gehen, will auch deutschspr­achige Kärntner ins Boot holen – darum die Gründung der Plattform mit dem neutralen Namen „Mein Südkärnten“: Als Einheitsli­ste deutschspr­achige Mitglieder anzuwerben hätte nicht funktionie­rt, so Hribar. „Die EL hat bei manchen den Hauch eines nationalis­tischen Images. Stimmt zwar nicht, ist aber in manchen Köpfen halt noch drin.“

Die andere Fraktion sieht sich als Interessen­vertretung der Volksgrupp­e. Eine solche sei auch dringend notwendig, sagt Voglauer: Für viele Initiative­n, etwa zweisprach­ige Kindergrup­pen, gebe es immer weniger Geld.

Dass slowenisch­e Projekte mehr Förderung brauchen, sieht auch Hribar so. Er glaubt daran, Anliegen wie diese im Landtag vertreten zu können, wenn die Neos den Einzug schaffen. Dass er das als EL-Obmann tun wird, ist fraglich: Auf der nächsten EL-Versammlun­g nach der Wahl werde man Hribar zum Rücktritt auffordern, sagt ein Kritiker. Und auch Voglauer meint: „Die Spaltung ist noch länger nicht vorbei.“

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 ??  ?? Lang dauerte es, bis sie standen: zweisprach­ige Ortstafeln. Wie für die Rechte der Kärntner Slowenen kämpfen? Darüber herrscht Streit.
Lang dauerte es, bis sie standen: zweisprach­ige Ortstafeln. Wie für die Rechte der Kärntner Slowenen kämpfen? Darüber herrscht Streit.

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