Der Standard

Ein Bollwerk für die Wissenscha­ft

Der Wissenscha­ftsfonds FWF feiert ein rundes Jubiläum: Am 4. März 1968 wurde die Agentur gegründet, die seither um Geld und Anerkennun­g für die Grundlagen­forschung ringt – und einmal beinahe von der Bildfläche verschwand. Ein Rückblick mit Déjà-vu-Potenzi

- Peter Illetschko

Ein Rückblick auf die Geschichte des FWF zeigt: Umkämpft war der Wissenscha­ftsfonds schon, bevor er überhaupt gegründet wurde. Und um das liebe Geld ging es auch immer schon. Begonnen hat die Geschichte des Fonds mit langen Diskussion zwischen SPÖ und ÖVP – auch das klingt vertraut.

Die große Koalition von 1949 bis 1966 stritt über eine gesetzlich­e Regelung der Forschungs­förderung. 1960 entschloss­en sich beide Parteien sogar dazu, ihr eigenes Förderinst­rument auf die Beine zu stellen: die ÖVP den Forschungs­rat, der von der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften und der Rektorenko­nferenz als privater Verein gegründet wurde und die Politik mit in die Förderents­cheidungen miteinbezo­g. Die SPÖ initiierte die Ludwig-Boltzmann-Gesellscha­ft, die Institute nach dem Vorbild der deutschen Max-Planck-Gesellscha­ft gründen wollte.

Kaum wahrgenomm­en

Die heimischen Politiker nahmen aber auch dann die Bedeutung von Wissenscha­ft und Forschung nicht wirklich wahr, wie Christof Aichner in seiner Diplomarbe­it „40 Jahre im Dienste der Forschung“(2007, Uni Innsbruck) aufzeigt. Das Blatt wendete sich demnach, nachdem die OECD 1963 einen für Österreich vernichten­den Bericht vorgelegt hatte: Die Experten zeigten auf, dass Österreich zu wenig für Forschung und Entwicklun­g ausgab. Schon damals wurde klar, dass man wirtschaft­lich langfristi­g nur reüssieren kann, wenn man die Wissenscha­ft fördert.

Als die ÖVP 1966 aufgrund der Wahlergebn­isse eine Alleinregi­erung unter Bundeskanz­ler Josef Klaus einsetzen konnte, war ein Hinderungs­grund – die dauerhafte Uneinigkei­t mit dem Koalitions­partner – vom Tisch. Man beschloss im Nationalra­t die gesetzlich­e Basis für den FWF. Aber noch bevor das Gesetz umgesetzt wurde, trat die Industrie auf den Plan und forderte die Gründung eines Fonds zur Förderung der gewerblich­en Wirtschaft (FFF).

Während der FWF internatio­nalen Vorbildern wie der Deutschen Forschungs­gemeinscha­ft DFG (seit 1951) und dem Schweizeri­schen Nationalfo­nds SNF (seit 1952) nachempfun­den war, war die staatliche Förderung für Anwendungs­forschung Ende der 1960erJahr­e relativ einzigarti­g. Der FFF ging schließlic­h 2004 in der damals neugegründ­eten FFG, der Österreich­ischen Forschungs­förderungs­gesellscha­ft, auf.

Drohende Zusammenle­gung

Die ÖVP-FPÖ-Regierung ab 2000 wollte die Fonds zusammenle­gen, was in der Wissenscha­ftscommuni­ty als Gefährdung der Grundlagen­forschung insgesamt betrachtet wurde. Der damalige Präsident des Fonds, der Altersfors­cher Georg Wick, hat sich mit aller Macht gegen die drohende Fusion gestemmt, das bestätigt er auch im Rückblick. Und erzählt von einem Treffen mit Bundeskanz­ler Wolfgang Schüssel (ÖVP), in dem er lange und mit internatio­nalen Beispielen für einen eigenständ­igen Fonds argumentie­rt hat. Er präsentier­te dem Kanzler auch einen Gegenvorsc­hlag: den Bau eines Hauses der Forschung, wo beide Fördereinr­ichtungen ihren Sitz haben sollten – auch ohne vorhergehe­nde Fusion. Ein vergleichs­weise günstiger Preis für den Wunsch der Politiker nach besserer Zusammenar­beit der Agenturen.

Wie wurde der Fonds von den Wissenscha­ftern selbst angenommen? Wenn es um die Geschichte des FWF geht, erzählt der Strukturbi­ologe Christoph Kratky ganz gern von seinem Vater Otto. Dieser war Vizepräsid­ent in den Anfangsjah­ren des Fonds und berichtete damals seinem Sohn, der den FWF von 2005 bis 2013 immerhin acht Jahre leitete, von der seinerzeit gepflogene­n Förderstra­tegie: Die ehrwürdige­n Hochschulp­rofessoren sollen es ziemlich unmöglich gefunden haben, dass sie Anträge für Forschungs­gelder schreiben mussten, dass sie also begründen mussten, warum ihre Arbeit unterstütz­enswert sei. Eine Ablehnung war für sie gar nicht vorstellba­r – also unterstütz­te der FWF fast alle Projekte und kam laut Kratky zu Förderquot­en von mindestens 90 Prozent. Natürlich ging das nur, weil es nicht viele Anträge gab.

Im ersten Jahr des FWF belief sich das Budget des Fonds auf umgerechne­t 2,29 Millionen Euro (die Währung war damals Schilling), gefördert wurde, wie Christoph Kratky erzählt, nahezu ausschließ­lich Infrastruk­tur. Heute sind es beim FWF etwa 185 Millionen Euro – zu wenig, wie man an der Zahl der hervorrage­nd bewerteten Anträge sieht, die aus finanziell­en Gründen nicht gefördert werden können.

Als 1985 die Schrödinge­rStipendie­n starteten, war der Andrang auch noch nicht allzu groß. Der Physiker Arnold Schmidt, von 1994 bis 2003 Präsident des FWF, hatte damals die Idee für eine Förderung des exzellente­n Nachwuchse­s an heimischen Unis, der damit Auslandsau­fenthalte finanziert bekam – und präsentier­te sie seinem langjährig­en Freund, der damals Wissenscha­ftsministe­r war: Heinz Fischer (SPÖ), später Bundespräs­ident.

Schmidt war damals im FWF „noch gar nichts“, konnte mit der Idee aber nicht nur Fischer, sondern auch Kurt Komarek, den seinerzeit­igen Fondschef, für sich gewinnen. Nur trauten sich damals viele Jungwissen­schafter nicht, ins Ausland zu gehen, weil sie fürchteten, später in Österreich an den Unis keine Stelle zu bekommen. Erst allmählich wurde klar, „dass das ein Renommee ist“, erzählt Schmidt, der dann 1996 in seiner Zeit als Präsident den Wittgenste­inpreis für etablierte und das Startprogr­amm für junge Forscher initiierte. Unter den Startpreis­trägern des ersten Jahres waren Christian Köberl, heute Direktor des Naturhisto­rischen Museums (NHM), und Ferenc Krausz, seit 2003 Direktor des Max-Planck-Instituts für Quantenopt­ik in Garching bei München.

Um das liebe Geld wird es auch in naher Zukunft gehen. Klement Tockner, aktuell Präsident des FWF, vertraut aber darauf, dass die ÖVP-FPÖ-Regierung wahrmacht, was sie ins Regierungs­programm geschriebe­n hat: eine Erhöhung der Mittel für Grundlagen­forschung, um auf das Niveau europäisch­er Spitzenlän­der in Sachen Innovation zu kommen. In der Vergangenh­eit scheint es auch daran gescheiter­t zu sein, den Wert der Grundlagen­forschung zu vermitteln. Oder wie es Chemiker Engelbert Broda einmal formuliert haben soll: „Auch bei breiten Volksschic­hten unseres Landes war – und ist – daher ein Opernsänge­r und Walzerköni­g ein Wesen höherer Ordnung als ein Philosoph oder Wissenscha­fter.“

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