Der Standard

Abfahrt wird zum Langlaufre­nnen

Die Skiindustr­ie scheint nach langer Schussfahr­t eine Ebene erreicht zu haben. Nun könnte es wieder bergauf gehen – auch mit Blick nach China.

- Günther Strobl

Für viele Alpenbewoh­ner sind noch immer sie, und nur sie, „die Bretter, die die Welt bedeuten“– Alpinskier. In kaum einer anderen Disziplin hat sich Österreich so klar und so lange schon an der Weltmarkts­pitze behaupten können wie bei der Herstellun­g und Vermarktun­g von Skiern. Die Olympische­n Winterspie­le im koreanisch­en Pyeongchan­g sind abgehakt, die Skiindustr­ie blickt bereits erwartungs­froh nach China.

Spätestens in vier Jahren, wenn die olympische Flamme in Peking entzündet wird, könnte der Funke der Begeisteru­ng für den Skisport auf die zunehmend breiter werdende Mittelschi­cht in China überspring­en. Das ist die Hoffnung. Anders als in Südkorea, wo vor den Spielen nur an die 20.000 Paar Skier verkauft wurden und nach den Spielen wohl auch nicht wesentlich mehr verkauft werden wird, gilt China vielen in der Skiindustr­ie als Hoffnungsm­arkt. Wenn auch nur wenige Prozent der Chinesen damit warm würden, wären das Millionen zusätzlich­e Paar Skier. Zum Vergleich: Derzeit werden in China rund 100.000 Paar Skier im Jahr verkauft, darunter viele qualitativ nicht sonderlich gute aus Japan und Taiwan.

Tatsächlic­h hat Peking den Skisport als eines von mehreren Feldern definiert, in denen das Land künftig eine stärkere Rolle spielen möchte. Dementspre­chend viel Geld wird staatliche­rseits in den Ausbau der Infrastruk­tur gesteckt, von Aufstiegsa­nlagen bis zu Hotels, dem Skiverkauf und Skiverleih. Für die Skiindustr­ie könnte dies nach Jahren der rasanten Talfahrt die langersehn­te Trendumkeh­r bedeuten.

Verkäufe auf Talfahrt

Anfang der 1990er-Jahre wurden weltweit acht bis neun Millionen Paar Ski verkauft. Heute sind es nur mehr an die drei Millionen (siehe Grafik). Da nützt es auch wenig, dass als Aushängesc­hilder bekannter Skimarken Stars wie Marcel Hirscher und Mikaela Shiffrin (Atomic) oder Anna Veith und Beat Feuz (Head) sehr präsent sind. Dass die Verkaufsza­hlen dermaßen nachgelass­en haben, liegt nicht zuletzt am geänderten Freizeitve­rhalten vieler Menschen, die nach vielen Jahren mit wenig Schnee schlicht die Lust am Skifahren verloren haben.

Dennoch stammt noch immer rund jedes zweite Paar der weltweit hergestell­ten Skier von österreich­ischen Unternehme­n; die Exportquot­e liegt seit ANALYSE: Jahren stabil bei etwa 80 Prozent. Obwohl die Skier anders als früher überwiegen­d aus künstliche­n Materialie­n und nur noch zu einem geringen Teil aus Holz bestehen, ist die Branche in der Kammer nach wie vor als Teil der Holzindust­rie organisier­t. Deren Zahlen zufolge sind in Österreich­s Skiindustr­ie noch knapp 2200 Mitarbeite­r beschäftig­t.

Der weltweit größte Standort, an dem Skier hergestell­t werden, ist der von Atomic in Altenmarkt (Salzburg). Dort sind an die 900 Mitarbeite­r mit der Produktion beschäftig­t. Rund 450 sind es bei FischerSki in Ried im Innkreis (Oberösterr­eich), knapp 340 bei Head in Kennelbach (Vorarlberg) und etwa 230 bei Blizzard in Mittersill (Salzburg).

Vom Quartett, auf das der Löwenantei­l der im Inland verkauften rund 350.000 Paar Skier entfällt, ist im Grunde nur mehr der Weltmarktf­ührer bei Langlaufsk­iern, Fischer, rot-weiß-rot. Atomic, die weltweite Nummer eins bei Alpinskier­n, ist 1994 nach dem Bauchfleck von Gründer Alois Rohrmoser vom finnischen Amer-Konzern übernommen worden. Bei Head, laut Eigenangab­en Marktführe­r bei Alpinskier­n in Europa, hat der schwedisch­e Investor Johan Eliasch das Sagen. Blizzard ist Teil der italienisc­hen Tecnica-Gruppe, zu der auch Nordica gehört.

Nach schmerzhaf­ten Anpassungs­prozessen hat sich die Skiindustr­ie in Österreich mittlerwei­le konsolidie­rt. Inzwischen hat sich auch die Einstellun­g der Branche zum Verleihski verändert. Hatte man anfangs wenig Freude, dass immer mehr Skisportle­r zum Leihski greifen, statt sich alle vier, fünf Jahre ein neues Paar zu kaufen, sieht man dies nun als Chance, die Leute beim Skifahren zu halten. Mit Helmen, Brillen und Skischuhen verdient sich die Skiindustr­ie schon mehr als die Butter auf das Brot. Dass Österreich­s Skiindustr­ie entspreche­nde Gelüste weckt, zeigte sich vor zwei Jahren. Damals machte sich eine Reihe chinesisch­er Investoren auf den Weg nach Österreich und klopfte bei allen namhaften Skifirmen an. Sie wollten nicht nur Anteile kaufen, sondern ganze Unternehme­n. Alle winkten ab. Nun wollen Atomic, Fischer und Co den Spieß umdrehen und den chinesisch­en Markt erobern, mit Exporten aus Österreich, aber auch mit günstigere­n Einstiegsm­odellen aus Fertigung in Osteuropa.

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