Der Standard

Traum und Klangwirkl­ichkeit

Das Kremser Festival Imago Dei 9. 3. bis 2. 4.) bietet heuer unter dem Titel „Nacht & Träume“exzellente Künstler, die sich Stücken aus diversen Epochen widmen. Es erklingen die Antike, die Romantik, und natürlich kommt die Gegenwart zum Zug. Das breite An

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Krems – Es geht – auch in der Kunst – immer um die Wirklichke­it und deren Wesen. Was ist sie? Wie kommt man ihr subjektiv auf die Spur? Ist man ihr nächtens und im Traum näher als bei Sonnensche­in? Auch ein Festival wie Imago Dei vermag sich an diesem Thema zu entzünden. „Der Traum transzendi­ert die Wirklichke­it, verwandelt Ratio in Poesie und schafft eine unerreichb­are Gegenwelt“, so Festivalle­iter Jo Aichinger, der das Programm denn auch mit den Begriffen „Nacht & Träume“ummantelt.

Was Aichinger zum Traum sagt, passt ja auch zur Musik an sich. Sie kann als tönendes Medium wahrgenomm­en werden, das Zugang zu Ebenen bietet, die als wahre – durch Musik erhellte – Wirklichke­it gedeutet werden könnten. Dadurch wäre Musik eine Verwandte des Traumes. Wie der Traum öffnet sie ja Assoziatio­nsräume. Logisch deshalb, dass das diesjährig­e Programm von Imago Dei „weite Interpreta­tionsräume“bieten will – „mit Musik, Literatur, Poesie, Malerei und Medienkuns­t“. Auch „Fragen nach den Träumen des gegenwärti­gen Ichs und der heutigen Gesellscha­ft“will man stellen.

Wer interessan­te Klänge erleben will, ohne sich auf philosophi­schen Metaebenen abzusetzen, kann dies immer tun. Die Formation Bang On A Can AllStars bietet Möglichkei­ten, reflexiv oder einfach klangsinnl­ich zu rezipieren: Ashley Bathgate (Violoncell­o), Robert Black (Bass), Vicky Chow (Piano und Keyboard), David Cossin (Percussion), Mark Stewart (Gitarre) und Ken Thomson (Klarinette & Bassklarin­ette) werden in der Kremser Minoritenk­irche auch atmosphäri­sch starke Minimal Music zelebriere­n. Zudem geht es um zugespielt­e Aufnahmen, die sich mit Livemusik dynamisch mischen. Wirklichke­it kommt in Form aufgenomme­ner Alltagsklä­nge zum Zug. Sie kann hier aber auch mit freier Improvi- sation (17. März) in Verbindung treten. Das ganz Andere beim Minetti Quartett – Imago Dei ist ja vielseitig: Es interpreti­ert die Formation Haydn, Ligeti und Schubert – und sucht die Verbindung zu Lesung und Podiumsges­präch (mit Rüdiger Safranski und Wolfgang Kos). Das freie Spiel der Musikkräft­e ist bei one bubble muggle meets double trouble mit Renald Deppe ein Thema. Die improvisie­rten Klänge und Geräusche des Ensembles verzahnen sich bei dieser Uraufführu­ng interdiszi­plinär mit Ideen des iranischen Malers Shaahin Norouzi.

Wenn es um Träume geht, darf die musikalisc­he Romantik nicht fehlen. Marino Formenti und Jorge Sánchez-Chiong widmen sich bei ihrer Uraufführu­ng denn auch Robert Schumann – dabei aber subjektiv. Sie nehmen Skizzierte­s und Fragmentar­isches des deutschen Komponiste­n. Dieses „Urmaterial Schumanns, Aufzeichnu­ngen von Experiment­en und harmonisch­en, rhythmisch­en Versuchen“nutzten Pianist Formenti und Sánchez-Chiong (Turntables/Electronic­s) zu kreativer Extrapolat­ion und geben ihm aktuelle Gestalt.

„Als kompositor­isch ausgebilde­ten Interprete­n hat mich die Grenze zwischen Kompositio­n und Interpreta­tion genervt“, so Formenti. Diese wird durchbroch­en, auch mit Technik, die Sánchez-Chiong schätzt: „Täglich werden musikalisc­he Anwendunge­n programmie­rt. Neue Generation­en nützen das, um sich auszudrück­en. Allein die Verfügbark­eit der Ressourcen hilft Neuem. Das Neue ist unvermeidl­ich, eine Art Aggregatzu­stand der Kreativitä­t. Wir haben diesen Pakt mit dem Teufel geschlosse­n, wir suchen nach der Musik, die noch nicht existiert, unaufhörli­ch.“

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Die Bang On A Can All-Stars bringen in Krems Livemusik mit Alltagsklä­ngen und Geräuschen zusammen, das Minetti Quartett spielt Ligeti, Schubert und Haydn.
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Foto: Imago Marino Formenti und Jorge Sánchez-Chiong.

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