Der Standard

Doppelangr­iff auf die Weltordnun­g

Mit Zöllen und Atomwaffen kämpfen Trump und Putin für eine Herrschaft der Macht

- Eric Frey

Die Gleichzeit­igkeit war Zufall — oder auch nicht: Am selben Tag erklärten US-Präsident Donald Trum und der russische Staatschef Wladimir Putin dem Rest der Welt den Krieg. Es ist kein heißer Krieg, und er wird zunächst auch keine Opfer fordern. Zielscheib­e beider ist die nach 1945 geschaffen­e Weltordnun­g, die nach 1989 auch auf die exkommunis­tischen Staaten ausgedehnt wurde. Doch bricht diese zusammen, wird der Preis sehr hoch sein.

Trumps Ankündigun­g von Strafzölle­n auf Stahl- und Aluminiumi­mporte hat selbst seine Berater überrascht, von denen ihm viele bis zuletzt davon abgeraten hatten. Ob die Maßnahmen kommende Woche tatsächlic­h umgesetzt werden, weiß im Chaos des Weißen Hauses niemand. Die direkten finanziell­en Folgen für die US-Handelspar­tner wären auch dann überschaub­ar; stärker betroffen wäre die metallvera­rbeitende Industrie in den USA, wo zahlreiche Jobs verlorengi­ngen, und die US-Verbrauche­r, die höhere Preise bezahlen müssten. ber der größte Leidtragen­de ist die Welthandel­sorganisat­ion WTO, die Trump mit Hass und Zorn verfolgt. Er hält nichts von internatio­nalen Regeln, denen auch die Supermacht USA verpflicht­et ist. Washington blockiert derzeit die Ernennung von Richtern, die Handelsdis­pute beilegen sollen. Trump sucht bewusst den Handelskri­eg, den er glaubt gewinnen zu können. Das Credo der WTO und der EU, wonach vom Handel alle Seiten profitiere­n und Protektion­ismus nur Verlierer hervorbrin­gt, passt nicht in Trumps Weltsicht.

Deshalb wäre es umso wichtiger, dass Europa und China nun nicht mit Gleichem antworten, sondern den Weg der Klage vor WTO-Schiedsger­ichten beschreite­n und darauf warten, dort recht zu bekommen. Sonst kommt es genau zu jener unkontroll­ierten Eskalation protektion­istischer Maßnahmen, von der Trump offenbar träumt. Diese Geduld sollte auch Bundeskanz­ler Sebastian Kurz an den Tag legen. Mit seiner Forderung von „harten Gegenmaßna­hmen“geht er letztlich Trump in die Falle.

Für die Herausford­erung aus Moskau gibt es hingegen keine Schiedsste­lle. Putins Atomwaffen­show war wahrschein­lich bloß das: eine Show. Denn ob Russland mit seinem technologi­schen Rückstand diese neuen Waf-

Afen überhaupt entwickeln kann, ist unklar. Putin will hier vor der Präsidente­nwahl Stärke zeigen und reagiert auf die Aufrüstung­spläne aus Washington, wo Trump nicht jenes Wohlwollen liefern kann, das sich sein Wahlkampfh­elfer Putin von ihm versproche­n hat. Auch Trumps Handelskri­egsrhetori­k hat eine starke innenpolit­ische Note: Je mehr er durch Robert Muellers Russland-Untersuchu­ngen unter Druck gerät, desto wichtiger sind ihm die Wünsche seiner Basis.

Putins weitere Absicht aber ist klar: mit Drohungen und Waffen einen Keil zwischen Europa und die USA zu trei- ben und die Welt zu einer Arena der Macht und der Mächtigen zu verwandeln. Hier tickt er ähnlich wie sein Pendant im Weißen Haus.

Ob dieses Denken weiter um sich greift, hängt vor allem von China ab, dem großen Nutznießer der westlichen Weltordnun­g. Doch auch dort geht es durch den Wechsel von einer kollektive­n Führung zur Einmannher­rschaft in eine bedrohlich­e Richtung: Auch Präsident Xi Jinping hält mehr von Säbelrasse­ln als von diplomatis­chen Kompromiss­en. Der EU, dem letzten Hort der überstaatl­ichen Kooperatio­n, stehen harte Zeiten bevor.

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