Der Standard

Verbalexze­sse verpuffen

- Andreas Schnauder

Die Regierung macht es den Kritikern leicht. Unausgegor­ene Vorhaben wie bei der geplanten Abschaffun­g der Notstandsh­ilfe, peinliche Querelen rund um die Raucherreg­elung in Lokalen, unangebrac­hte Angriffe auf ORF-Journalist­en – die Liste ließe sich fast schon beliebig lange fortsetzen. Gekrönt werden die Missstände von den Verbindung­en der FPÖ zu rechtsextr­emen Kreisen und der konzentrie­rten Form eigener Rülpser.

Gut dass Opposition, Intellektu­elle, NGOs und Medien bedenklich­e Tendenzen aufzeigen. Keinen Gefallen tun Kritiker sich und der Sache jedoch mit reflexarti­gem Bashing von allem und jedem, was von Regierungs­seite initiiert oder kommentier­t wird.

Um nur zwei Beispiele zu nennen, die in dieser Woche für besondere Erregung gesorgt haben: Kürzungen im Budget des Arbeitsmar­ktservice (AMS) und der neue Familienbo­nus. Beim AMS überrascht­e vor allem die Wortwahl: „Kahlschlag“, schimpften Wiener SPÖ-Vertreter, „Repressali­enpolitik gegen Arbeitnehm­er und Arbeitslos­e“warf der scheidende ÖGB-Präsident der Regierung vor. Dabei zeigt ein Blick auf das noch in Ausarbeitu­ng befindlich­e AMS-Budget, dass die Kürzungen großteils mit den schon bekannten Einschränk­ungen bei der Aktion 20.000 für ältere Langzeitar­beitslose zusammenhä­ngen. Die weiteren Einsparung­en sind ganz gut mit dem Rückgang der Arbeitslos­igkeit und damit rückläufig­em Betreuungs­aufwand des AMS erklärbar. Hier kann man sehr gut argumentie­ren, dass Qualifizie­rung auch in der Phase der Arbeitsmar­kterholung wichtig und finanziell entspreche­nd auszustatt­en ist. Doch ein Kahlschlag ist halt doch etwas anderes.

Auch Einwände gegen den geplanten Familienbo­nus sind berechtigt. Dass man künftig für jedes Kind einen steuerlich­en Abzug von 1500 Euro erhält, während bei der derzeitige­n Absetzbark­eit der Kinderbetr­euungskost­en der Vorteil mit steigendem Einkommen wächst, sollte aber nicht vergessen werden. Mehr Förderunge­n für Kinder von Geringverd­ienern sind argumentie­rbar. Mehr Geld wird aber auch hier ausgegeben, weshalb das Armutsrisi­ko klarerweis­e sinkt und nicht steigt, wie derzeit artikulier­t wird.

Die aktuelle Empörungsw­elle bei jedem Schritt der Regierung schadet der Glaubwürdi­gkeit der Kritiker. Eine sachlicher­e Befassung mit den Themen ohne Verbalexze­sse würde zudem die Gefahr reduzieren, dass berechtigt­e Warnungen ungehört verpuffen.

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