KOPF DES TAGES
Ex- Grüne findet zur moralischen Flexibilität
Für die musikalische Karriere hat es nicht gereicht: Die Aufnahmeprüfung für ein Jazzstudium in Graz hatte die 18-jährige Eva Glawischnig nicht geschafft, als Plan B inskribierte sie Jus. Von da an stand die Arbeit der im Kärntner Seeboden am Millstätter See Aufgewachsene im Zeichen des Einsatzes für Schwache und jene, die keine Stimme haben.
Ihre Dissertation verwandelte sie in eine Klage gegen ein grenznahes Atomkraftwerk. Schon während des Studiums engagierte sich die Tochter von Wirtshausbetreibern bei der Umweltschutzorganisation Global 2000. 1993 beriet Glawischnig Aktivisten, die die Baustelle für eine geplante Schnellstraße zwischen Liezen und Stainach besetzten. Weil eine seltene Vogelart dort brütete, konnten die Naturschutzaktivisten den Bau der Straße verhindern.
Mitte der 1990er stieg die Kärntnerin bei den Wiener Grünen als Mitarbeiterin im Umweltbereich ein. 1999 zog sie in den Nationalrat ein, wurde Umwelt- und später auch Verfassungssprecherin des grünen Klubs. 2002 stand sie als Stellvertreterin hinter Partei- und Klubchef Alexander Van der Bellen.
Als sie ihrem Vertrauten Van der Bellen 2008 an der Parteispitze nach- folgte, setzte Glawischnig eine Professionalisierung der Partei in Gang, die dieser 2013 mit 12,4 Prozent das beste Ergebnis bei einer Nationalratswahl und Beteiligungen an Landesregierungen einbrachte. Und Kritik an „weichgespülten“politischen Kampagnen, wenngleich die Partei sich weiterhin gegen Korruption und für Umweltschutz einsetzte – und ein Verbot des kleinen Glücksspiels forderte.
Anhaltende Rücktrittsgerüchte, der Konflikt mit der Parteijugend und dem später abtrünnigen Abgeordneten Peter Pilz sowie gesundheitliche Probleme brachten die mit dem Ex-Journalisten Volker Piesczek verheiratete Mutter zweier Söhne dazu, sich im Mai 2017 zur Gänze aus der Politik, die sie stets als den Kampf für die Schwachen verstanden hatte, zurückzuziehen.
Zu ihrem Image als „Spaßbremse“steht Glawischnig auch nach ihrem Austritt aus der Politik; am Ende ihrer Karriere hörte man in ihren Reden jedoch immer öfter Dialekteinsprengsel, die das Bild der abgehobenen Intellektuellen abschwächen sollten.
Am Freitag präsentierte der Glücksspielkonzern Novomatic eine neue „Verantwortungsmanagerin“: Eva Glawischnig, heute 49, die damit einen erstaunlichen Seitenwechsel vollzogen hat.