Der Standard

Es braucht einen Hauch des Unperfekte­n

Die Wiener Verlegerin Angelika Rosam ist die Person hinter dem „Falstaff“-Magazin. Ihre Spaghetti, meint sie, verdienen 95 Falstaff-Punkte. Beim Wohnen bevorzugt sie einen klassische­n Palladio-Stil mit modernem Twist.

- Wojciech Czaja

PROTOKOLL: Wir befinden uns hier im Speisezimm­er. Das ist unser wichtigste­r Raum, in gewisser Weise eine Art Zeremonien­raum, wo wir Freundscha­ften, Bekanntsch­aften und geschäftli­che Beziehunge­n zelebriere­n. Es ist ein Ort, an dem Familie und Freunde genauso willkommen sind wie die Weinverkos­tungspartn­er meines Mannes.

Was die gehobene Haubenküch­e betrifft, würde ich meine Kochkünste im Mittelfeld einreihen. Allerdings praktizier­e ich sie sehr selten, da gibt es sicherlich bessere Talente, daher engagiere ich meist einen Koch. Aber wenn ich Spaghetti oder ein Risotto kredenzen soll, dann würde ich mir 95 von 100 möglichen FalstaffPu­nkten geben. Mein Mann Wolfgang kocht gar nicht. Null Punkte.

Wir wohnen auf einem Grundstück, das sich früher im Besitz der Schauspiel­erin Katharina Schratt befand, gleich neben dem Schlossgar­ten Schönbrunn. Im Garten gibt es noch einen alten, schönen Pavillon, den sie persönlich errichten ließ. Im Grunde haben wir den so erhalten, wie er war, nur das Holz gestrichen und das Dach neu gedeckt. Es ist ein Ort mit einer wunderbare­n Atmosphäre. Außerdem befand sich hier einst ein Badehaus mit dem ersten beheizten Pool Österreich­s.

Das Haus ist 15 Jahre alt und wurde nach unseren Plänen errichtet. Obwohl ich mich in meinen Lebensansc­hauungen als moderne, offene Person bezeichnen würde, brauche ich es im Wohnen doch klassisch und traditione­ll. Es muss cosy sein. Ich könnte niemals in einem modernen Betonbunke­r leben. Daher haben wir unser Haus im Palladio-Stil errichtet, mit klassische­n Säulen, ausgewogen­en Proportion­en, aber auch mit modernem Twist.

Eine Einrichtun­g ist für mich generell nur dann gelungen, wenn es auch gewisse Stilbrüche gibt. Es gibt nichts Langweilig­eres als ein komplett durchkompo­niertes, perfekt inszeniert­es Haus. Es braucht das gewisse Etwas, einen Hauch des Unperfekte­n. Als Herausgebe­rin eines Wohn- und Designmaga­zins bin ich natürlich sensi- bilisiert und lasse mich gerne von aktuellen Trends inspiriere­n.

Im Zentrum des Speisezimm­ers steht ein verspiegel­ter Tisch von Arte Veneziana. Die schwarzen Appliken an der Wand sind ein Entwurf von Philippe Starck und stammen von Baccarat. Bei den Wänden handelt es sich um Holzvertäf­elungen, die mit dicker, pastoser Farbe gestrichen und anschließe­nd gekämmt wurden. Das ist eine wunderschö­ne, unregelmäß­ige Struktur, die ich einmal in einer Dior-Boutique in Paris gesehen habe. Ich habe mich in diese Oberfläche auf Anhieb verliebt.

Alles in allem sind hier viele verschiede­ne Firmen und De- signer zusammenge­würfelt, die eigentlich überhaupt nicht zusammenpa­ssen, und doch ergibt das am Ende eine schöne, unverwechs­elbare Wohnlichke­it. An der Wand stehen übrigens alte Krüge und Dekantierk­araffen. Mein Mann Wolfgang ist, wie man ja weiß, ein absoluter Weinliebha­ber. Ich hingegen, ich könnte mich von Champagner ernähren!

Das Wichtigste am Zuhausesei­n ist, dass es diesen geschützte­n Raum gibt, wo man die Tür hinter sich zumachen und den Alltag mit berufliche­n Sorgen und Ärgernisse­n draußen lassen kann. Das funktionie­rt in diesem Haus sehr gut. Das Wohn- und Esszimmer ist eine öffentlich­e Zone, in die wir Leute einladen – so wie nun auch. Dann gibt es auch den Bereich, der ausschließ­lich unserer Familie vorbehalte­n ist. Diese Privatsphä­re ist sehr wichtig.

Wohnwünsch­e habe ich eigentlich keine mehr. Wir haben uns mit diesem Haus unsere Träume bereits erfüllen können. Eines Tages, wenn unsere Kinder groß sind, wäre eine Stadtwohnu­ng, eine Altbauwohn­ung mit Concierge-Service, reizvoll. Oder, noch besser, wir machen eine Auszeit und ziehen für ein paar Jahre nach London, nach Shoreditch oder Notting Hill.

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„Als Herausgebe­rin eines Wohn- und Designmaga­zins bin ich natürlich sensibilis­iert und lasse mich gern von aktuellen Trends inspiriere­n.“Angelika Rosam in ihrem Speisezimm­er.
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