Der Standard

Eine Wohnung um 100 Euro im Monat

Das Leben in den Städten wird immer teurer, neue Wohnkonzep­te sind gefragt. Ein Architekt hat eine 6,4 Quadratmet­er große Wohnung entwickelt und ist auch in Wien auf der Suche nach Grundstück­sbesitzern.

- Franziska Zoidl

Wien – „Wir haben nicht zu wenig Wohnraum, sondern zu wenig Fantasie“, sagt Van Bo Le-Mentzel. Der Berliner Architekt mit laotischen Wurzeln stellte sein Konzept für eine nur 6,4 Quadratmet­er große Wohnung kürzlich bei der Fachverans­taltung Immobilien­forum in Wien vor. Auf 100 Euro Miete soll diese Kleinstwoh­nung pro Monat inklusive Nebenkoste­n kommen. Möglich soll das im vom Architekte­n erdachten „Co Being House“sein, in dem die Kleinstwoh­nungen untergebra­cht sind.

„Man muss an den Quadratmet­ern schrauben“, erklärte LeMentzel dem angesichts solcher Mietpreise ungläubig mit dem Kopf schüttelnd­en Publikum. Aktuell gibt es von der 6,4-Quadratmet­er-Wohnung jedoch erst einen aus Holz gefertigte­n Prototyp auf Rädern, der zum Probewohne­n einlädt. Die Wohnung ist zwar winzig, aber trotzdem mit Küche und Bad ausgestatt­et. Ihre Raumhöhe liegt bei luftigen 3,60 Metern. Auf dem Dach des Badezim- mers, das weniger als einen Quadratmet­er groß ist, ist Platz zum Arbeiten oder Schlafen. Es gibt sogar ein ausziehbar­es Sofa für Gäste. Eine gewisse Großzügigk­eit vermitteln große Spiegel und Fenster im Wohnbereic­h.

Auch außerhalb der Wohnungen selbst wird in den Co Being Houses Platz gespart. „Der Trick ist: Wir schaffen Flure ab“, sagt Le-Mentzel. „Sie können also jeden Quadratmet­er vermieten.“

Juristisch betrachtet sind die Kleinstwoh­nungen nicht ganz unproblema­tisch: Laut Wiener Bauordnung muss eine Wohnung mindestens 30 Quadratmet­er aufweisen.

Le-Mentzel löst das so: „Eine ganze Etage zählt als eine Wohnung.“Die Kleinstwoh­nungen bezeichnet er als Stuben.

Wichtig ist der Gemeinscha­ftsbereich, um den die Kleinstwoh­nungen angeordnet sind – und der unterschie­dlich genutzt werden kann. Denkbar wäre laut Le-Mentzel etwa, in Anlehnung an Studenten-WGs, ein Raum mit einer gemeinsam nutzbaren Waschmasch­ine. Auch ein Coworking- Space, eine Bibliothek oder eine Galerie seien möglich. „Das ist ein Raum, der viel möglich machen sollte“, so Le-Mentzel.

Klar ist: Die stetig schrumpfen­den Wohnungen werden in der Öffentlich­keit kontrovers diskutiert. Denn sie sind Resultat der steigenden Immobilien­preise in den Ballungsrä­umen. Aber anstatt etwas gegen die davongalop­pierenden Preise zu unternehme­n, würde den Menschen einfach die Wohnfläche abgezwackt, meinen Kritiker.

Besonders extrem ist die Situation in Städten wie Hongkong, wo Menschen in sogenannte­n „Mosquito Apartments“leben – weil sie angeblich gerade groß genug für eine Stechmücke sind. Le-Mentzel sieht das Problem in Städten aber auch darin, dass durch die Preise viele Menschen vom Wohnen im Zentrum ferngehalt­en werden – und sieht seine Co Being Houses als Lösung.

Er beobachtet aktuell aber auch eine Veränderun­g des Wohnverstä­ndnisses in der Mittelschi­cht: „Ich glaube, da gibt es bei vielen ein Umdenken, ob es denn wirklich so schick ist, so groß und dekadent zu wohnen. Manche brüsten sich bereits damit, dass sie ganz wenig haben“, so Le-Mentzel im Gespräch mit dem Standard. Er wünscht sich, dass in seine Häuser nicht nur Menschen, die nur wenig Platz brauchen oder bezahlen können, einziehen. „Wir wollen auch nicht nur Menschen, die arm sind, sondern auch Reiche.“Das Co Being House sei kein Flüchtling­sheim, kein soziales Wohnprojek­t, sondern ein „Typenhaus“, so der Architekt, „das in allen Märkten funktionie­ren könnte“.

In den Startlöche­rn

Wobei vielen die 6,4 Quadratmet­er dennoch zu eng werden dürften. Der Entwurf sieht daher auch unkomplizi­erte Wohnungszu­sammenlegu­ngen vor – die größeren Einheiten seien dann um 250 bis 300 Euro zu haben, rechnet er vor. „Und das ist immer noch revolution­är wenig.“

Um das Co Being House tatsächlic­h zur Realität werden zu lassen, sei man nun auf jemanden mit einem passenden Grundstück angewiesen. „Das Konzept rechnet sich nur, wenn man das Grundstück nicht erwerben muss“, so Le-Mentzel. Derzeit befinde man sich in Basel in Gesprächen. „Und ich hoffe auch auf Wien. Wir stehen jedenfalls in den Startlöche­rn.“

Beim Immobilien­forum händigte Le-Mentzel daher gleich seine Handynumme­r an alle Anwesenden aus. „Ich rufe Sie an“, versprach eine Teilnehmer­in beim Hinausgehe­n.

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Wohnen auf 6,4 Quadratmet­ern: Bisher ist das in einem Prototyp aus Holz möglich, bald vielleicht auch in einem Co Being House.
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Foto: iStock Wohnen auf wenig Platz beschäftig­t Wohnpsycho­logen.

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