Erdrutschsieg der SPÖ in Kärnten
Landeshauptmann Kaiser schafft rund 48 Prozent, FPÖ legt zu, Grüne fliegen raus
Klagenfurt – Peter Kaiser hat der SPÖ am Sonntag einen überraschend deutlichen Wahlsieg beschert. Bei der Landtagswahl in Kärnten legten die Roten um mehr als zehn Prozentpunkte zu, kamen auf rund 48 Prozent und schrammten damit nur knapp an der absoluten Mandatsmehrheit im 36 Köpfe zählenden Landtag vorbei.
Die Freiheitlichen unter Landeschef Gernot Darmann, die vor wenigen Monaten noch leise Hoffnungen auf Platz eins haben durften, legten zwar zu, waren aber nicht einmal halb so stark wie die Sozialdemokraten. Die zuletzt erfolgsverwöhnte ÖVP, die in Kärnten ganz nach Vorbild von Bundesparteichef Sebastian Kurz in Türkis antrat, konnte ihr schlechtes Ergebnis des Jahres 2013 nur minimal verbessern. Von den Kleinparteien schaffte nur das aus dem Team Stronach hervorgegangene Team Kärnten von Gerhard Köfer den Einzug. Die Grünen, aber auch die Neos scheiterten ganz klar an der Fünf-ProzentHürde.
Grünen-Landeschef Rolf Holub machte den Bundestrend mitverantwortlich für das Debakel, erklärte aber auch, dass der am Freitag verkündete Wechsel von Ex-Parteichefin Eva Glawischnig zum Glücksspielkonzern Novomatic „nicht hilfreich war“.
Drei Koalitionsoptionen
Peter Kaiser hat nun drei Koalitionsoptionen. Am Sonntag ließ er noch keine Präferenz erkennen. Er werde mit allen, also mit FPÖ, ÖVP und Team Kärnten, Gespräche führen. Die theoretische Mög- lichkeit einer Mehrheit abseits der SPÖ dürfte eine theoretische bleiben. Darmann erklärte, als Demokrat akzeptiere er natürlich, dass es nun an Kaiser liege, eine Landesregierung zu bilden. Er könne sich jedenfalls vorstellen, Kaiser zum Landeshauptmann zu wählen, signalisierte Darmann Regierungswillen. Bereit stünden allerdings auch ÖVP und Team Kärnten, wie deren Chefs Christian Benger und Köfer betonten.
SPÖ-Chef Christian Kern wollten den Kärntner Genossen keine Empfehlung geben. Bundesgeschäftsführer Max Lercher erklärte allerdings, dass es aus seiner Sicht „schwierig“werden könnte, mit der FPÖ einen Koalitionspakt zu schließen. (red)
Peter Kaiser hat sich selbst übertroffen. Der Kärntner Landeshauptmann und SPÖ-Chef hat für die Roten im südlichsten Bundesland bei der Landtagswahl am Sonntag ein Stimmenplus von mehr als zehn Prozentpunkte eingefahren. Er hat aber nicht nur sich selbst übertroffen, sondern auch den früheren Landeshauptmann Jörg Haider, dem es selbst in seinen besten Zeiten nie gelungen war, über die 45-Prozent-Marke hinauszukommen. Die Kärntner SPÖ ist nach ihrem Erdrutschsieg mit knapp 48 Prozent nun deutlich stärker als FPÖ und ÖVP zusammen – ein Erfolg, den Kaiser im Laufe des Wahlabends mantraartig als „großartig“bezeichnete. Der Sieg sei ein Zeichen, dass die Wähler es gutheißen, wenn „Inhalte in den Mittelpunkt gestellt und übliche Querelen unterlassen werden“.
Deutlich gestärkt wurde auch die FPÖ unter Spitzenkandidat Gernot Darmann. Die Freiheitlichen legen um sechs Prozentpunkte zu und landen bei knapp 23 Prozent der Stimmen, sie bauen damit den Abstand zur drittgereihten ÖVP deutlich aus. Die Blauen hatten in Kärnten ja einiges aufzuholen: Bei der Wahl im Jahr 2013 waren sie bei nur knapp 17 Prozent gelandet. Dennoch bleiben sie auch diesmal unter ihrem theoretischen Potenzial: Als ÖVP und FPÖ das letzte Mal im Bund regierten, hatten die Freiheitlichen im südlichsten Bundesland bei der Wahl 2004 noch 42 Prozent erreicht.
Einen mäßigen Erfolg verbucht die Kärntner ÖVP unter Wirtschaftslandesrat und Spitzenkandidat Christian Benger, der für die Türkisen nur ein zusätzliches Stimmenprozent herausholt. Der von der Bundespartei erhoffte Kurz-Effekt wollte sich in den Kärntner Wahllokalen offenbar nicht so recht einstellen. FPÖ und ÖVP bringen es gemeinsam auf keine Mehrheit im Landtag. Eine blau-türkise Zweierregierung ist in Kärnten somit vom Tisch.
Schwarzer Tag für Grüne
Für die Grünen tritt am Sonntag jenes dunkle Szenario ein, das zwar alle vorausgesagt, Spitzenkandidat Rolf Holub und sein Team aber dennoch bis zuletzt abzuwenden versucht hatten: Die derzeit mitregierende Partei wird nach internen Querelen, die in eine Parteispaltung gemündet hatten, regelrecht zerschmettert. Sie rasselt von zuletzt 12,1 Prozent der Stimmen auf unter vier Prozent herunter und wird dem Kärntner Landtag nach 14 Jahren nun nicht mehr angehören. „Wir hatten viel Gegenwind“, kommentiert Holub die Niederlage Sonntagabend. „Der Bundestrend hat sich fortgesetzt – und schlussendlich war das mit der Eva Glawischnig vor zwei Tagen auch nicht hilfreich“, spielt der Spitzenkandidat auf die jüngst verkündete Nach- richt der Ex-Bundesprecherin an, ihr berufliches Dasein künftig beim Glücksspielkonzern Novomatic zu fristen. Ob er wie angekündigt nach der Wahlniederlage zurücktreten wird, will Holub am Sonntag noch nicht sagen. Es werde sich aber wohl „anderes auftun für einen alten Mann namens Rolf Holub“.
Ebenfalls nicht im Landtag vertreten sein werden die Neos, die zum ersten Mal ihr Glück in Kärnten versuchten. Die pinke Partei ist mit knapp mehr als zwei Prozent der Stimmen deutlich hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben. Zum Zünglein an der Waage wird nun eine Kleinpartei, die es im Rest Österreichs nicht gibt: das Team Kärnten, vormals Team Stronach, unter Gerhard Köfer, der derzeit Landesrat in der Regierung Kaiser ist und einen engagierten Wahlkampf hingelegt hat. Der frühere SPÖ-Politiker, der in einer Kampfabstimmung einmal gegen Peter Kaiser verloren hatte, dürfte nun abermals zum entscheidenden Faktor für den SPÖChef werden. Die Kleinfraktion könnte sowohl für die SPÖ als auch für Türkis-Blau zum Mehrheitsbeschaffer im Landtag werden. Noch ist aber nichts fix: Das vollständige Endergebnis inklusive der mehr als 20.000 Briefwahlund Wahlkarten-Stimmen wird erst Montagnachmittag vorliegen. Die Sora-Hochrechnung beinhaltete aber bereits eine Schätzung für die Briefwahlstimmen. Viel wird sich daher am Ergebnis nicht mehr verändern.
Kaiser lässt sich alles offen
Es liegt laut Landesverfassung nun an Wahlsieger Peter Kaiser, andere Parteien zu Koalitionsgesprächen einzuladen. Präferenzen, mit wem er gerne zusammenarbeiten würde, lässt der Wahlgewinner auch am Sonntag nicht verlauten. Zuerst gelte es, das endgültige Ergebnis abzuwarten, so Kaiser, dann werde man die kommende Woche nutzen, um das Resultat in den Parteigremien zu diskutieren. Erst nächste Woche sollen dann die Gespräche mit potenziellen Partnern beginnen. Amtlich wird das Endergebnis erst am Mittwoch oder Donnerstag. Noch nicht fixiert ist, wann der neue Landtag zur konstituierenden Sitzung zusammentritt. Dazu eingeladen werden muss spätestens vier Wochen nach der Wahl, stattfinden muss die erste Sitzung binnen sechs Wochen nach dem Wahltermin.
Autoren: Gerald John, Walter Müller, Lisa Nimmervoll, Günther Oswald, Karin Riss, Conrad Seidl, Maria Sterkl
In Klagenfurt ging es den Nachzüglern besser als in Kranjska Gora. 60 Kilometer weiter in Slowenien waren die Konkurrenten bloß noch Staffage für Marcel Hirschers Weltcupsieg – im aktuellen Slalom wie in der saisonalen Disziplinen- und Gesamtwertung. In Kärnten hingegen galt Platz eins von Peter Kaiser zwar als ebenso sicher, doch das Interesse an den Mitbewerbern blieb weit größer. Wie Hirscher seit 2012 das Skifahren dominiert hier der Titelverteidiger seit 2013 die Politik. Dadurch stürzte er viele Wähler in ein schier unauflösbares Dilemma und stärkt nun seine Bundespartei bei der Lösung ihres Zielkonflikts. Laut Umfragen wollten sechs von zehn Kärntnern den SPÖ-Spitzenkandidaten als Landeshauptmann behalten. Doch in der Koalitionsfrage rangierte FPÖÖVP vor einem SPÖ-Bündnis mit kleineren Listen und SPÖ-ÖVP.
Stockerlplätze vergeben
Es waren Landtagswahlen und die Stockerlplätze längst vergeben. Rot, Blau, Schwarz in dieser Reihenfolge stand nie infrage, auch wenn die Freiheitlichen hier bei der Nationalratswahl stärker abgeschnitten haben als die Sozialdemokraten. Doch je überragender Kaiser als Person und je klarer die Platzverteilung der Parteien erschien, desto mehr konzentrierte sich das Interesse auf mögliche Regierungsbildungen – nach der ersten Wahl ohne Proporz. Aufgrund dieses Prinzips drohte in Kärnten bisher weder SPÖ noch FPÖ und ÖVP der Gang in die Opposition. Nun hätte dieses Los sogar trotz eines rauschenden Wahlsieges auch den Sozialdemokraten blühen können. Denn es waren Landtagswahlen. Noch die knappste Koalitionsvariante sticht die klarste Personalhoheit.
Diese Zwickmühle erklärt einerseits die Kampagnenführung aller Parteien und andererseits die hohe Aufmerksamkeit für Schwellenlisten. Vom – wie bisher – Sechs- bis zum Drei-Parteien-Landtag schien bis Wahlschluss alles möglich. Dabei wurden den Grünen aufgrund der Kombination ihrer nationalen Krise mit einer regionalen Zellteilung die geringsten Chancen gegeben. Umgekehrt erschien Neos infolge seines scharfen Oppositionsprofils im Bund sowie des Landtagseinzugs in Niederösterreich und Tirol nicht mehr als unbedingt verlorene Stimme.
Am ehesten galt aber die einstige Stronach-Filiale Team Kärnten des Ex-SPÖ-Manns Gerhard Köfer als fähig, die FünfProzent-StimmenanteilHürde ins Regionalparlament zu nehmen. Denn seine Persönlichkeitswerte waren sogar besser als jene von ÖVP-Spitzenkandidat Christian Benger. Folgerichtig versteckte die Volkspartei diesen geradezu in ihrem TeamWahlkampf für einen „Kurz-Kurs“in Kärnten, während die SPÖ sich von Tag zu Tag mehr in den Schatten ihres Kaisers fügte.
Unterdessen wurde FPÖ-Frontmann Gernot Darmann nicht müde zu betonen, dass nach einem Fehlversuch des Ersten auch der Zweite eine Regierung bilden könne. Doch die blaue Bundes-Nummer-eins glaubte wohl schon länger nicht mehr daran. Im Gegensatz zu Sebastian Kurz und Christian Kern kam er angekündigt nicht nach Klagenfurt zum Mitfeiern. Nur der Sieg hat viele Väter. Und nicht einmal den höchsten Zugewinn zu erzielen ist für die 2013 in ihrem Kernland schwer gedemütigte FPÖ wie eine Niederlage.
Die Zuspitzung auf eine Entscheidung zwischen rotem Landeshauptmann und blauschwarzer Koalition hat für die Sozialdemokraten in Kärnten funktioniert. Sie konnten damit nicht nur ihr eigenes Wählerpotenzial trotz der „g’mahtn Wiesn“bis zuletzt mobilisieren. Sie haben auch zuhauf Leihstimmen aus für sie als Partei schwer erreichbaren Milieus erhalten. Dass Kaiser ungeachtet eines von ihm getragenen deutlichen Wahlsiegs nicht mehr Landeshauptmann hätte sein können, erschien dann so vielen Kärntnern einen ideologischen Seitensprung wert, dass die SPÖ hier erstmals seit 34 Jahren wieder die absolute Mehrheit hält. Ausgerechnet im literarisch bezugsreich verewigten Jahr 1984 ist das letztmals gelungen.
Einen besseren Moment dafür könnte es für die Bundespartei nicht geben. Denn der Sieg des vom Linken zum Pragmatiker mutierten Kaiser stärkt Kern und schwächt den rechten Flügel, der
sich nach Michael Ludwigs Machtübernahme in Wien bereits allzu sehr im Aufwind wähnte.
Die Art des Wahlerfolgs und die Verfasstheit der Kärntner Landespartei geben allerdings nur bedingt Hinweise, wohin die Reise der österreichischen Sozialdemokratie insgesamt geht. Denn sie übernimmt hier Funktionen und agiert auch inhaltlich oft ähnlich wie in vergleichbaren Bundesländern die ÖVP. Ansonsten wären die Gewinne der SPÖ auch in den ländlichen Gebieten nicht möglich. Das Ganze wird lediglich durch eine Person zusammengehalten, die den vermeintlich ideologisch unmöglichen Spagat täglich vollzieht. Das Erfolgsgeheimnis ist ausgerechnet jener Peter Kaiser, der sich selbstironisch auch schon einmal als „Betriebsunfall“an der Parteispitze bezeichnet hat – ein etwas trockener, aber pointierter Linker und promovierter Philosoph, der die Bezeichnung „Landesvater“für sich ablehnt und ansonsten auch gerne ein Europapolitiker wäre.
Falls nun der Ruf lauter wird, den Kaiser nach Wien zu holen, schüfe dies ein ähnliches Dilemma, wie es aktuell eine Verwaltungsebene tiefer in Tirol entstehen könnte: Wenn die rote Lienzer Bürgermeisterin Elisabeth Blanik als Juniorpartnerin in die Landesregierung geht, würde Osttirol wohl wieder schwarz werden. Wenn Peter Kaiser in die Bundeshauptstadt wechselt, könnte Kärnten erneut blau geraten. Deshalb wird er bleiben. Gleichermaßen aus Landesverbundenheit wie Staatsräson.