Der Standard

Wieso ein Antipoliti­ker im Haider-Land punktet

Er gibt sich bescheiden, statt über Wahlzucker­ln spricht er lieber über Inhalte und das Sparen: Landeshaup­tmann Peter Kaiser ist das Gegenteil eines Showmans. Trotzdem gewann er die Wahl. Oder gerade deshalb? Die Antwort lautet: Beides ist wahr.

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Wer an den Kärntner Landeshaup­tmann die Frage richtet, wie es dem Land Kärnten denn heute gehe, der erlebt einen sprudelnde­n Mann. Was da aus Peter Kaiser sprudelt, ist eine rasant aneinander­gefügte Kette von Begriffen, für die ein Nichtökono­m ein Fachlexiko­n zur Hand nehmen muss: Nettogebar­ungsübersc­huss, Bruttoregi­onalwertsc­höpfung, wirkungsor­ientierte Budgetieru­ng.

Dieses Sprechen in trockenen Fakten ist ungewöhnli­ch für Politiker von heute, die von ihren Parteien oft zu Wohlfühlwo­rthülsenak­robaten getrimmt werden. Besonders ungewöhnli­ch ist diese unaufgereg­te Rhetorik für das von Jörg Haider geprägte Kärnten. Haider war ein Sonnyboy, er pflegte Symbolpoli­tik und verteilte Geldgesche­nke.

Ganz anders Peter Kaiser. Er geizt nicht nur mit Angriffen auf politische Mitbewerbe­r, sondern auch mit Wahlzucker­ln, und obwohl er dem Land einen harten Sparkurs verpasst hat, wählten ihn die Kärntner am Sonntag zum zweiten Mal. Kaisers SPÖ ist nun stärker als Haiders BZÖ zu seinen besten Zeiten – im Jahr 2009, nach Haiders Tod, kam das BZÖ auf 44,9 Prozent.

Nüchterner Buchhalter­typ

Wie kommt es, dass ein nüchterner Buchhalter­typ wie Peter Kaiser im von Haider geprägten Land so erfolgreic­h ist? „Die Kärntner haben genug vom großen Spektakel“, erklärt Politikwis­senschafte­rin Kathrin Stainer-Hämmerle. Nach zwei großen politische­n Wenden gebe es jetzt eine gewisse Sehnsucht nach Ruhe. Kaiser sei fleißig und seriös – und verkörpere damit genau jene Eigenschaf­ten, die nun gefragt seien.

Heißt das, die Wähler haben sich bei der Landeshaup­tmannparte­i nun für die Arbeit an der Budgetsani­erung bedankt? Nein, meint die Politologi­n. „Mit seiner größten Leistung, der Heta-Abwicklung, konnte Kaiser wohl am wenigsten punkten.“Viel wichtiger sei die Tatsache, dass Kaiser viel unterwegs gewesen und allmählich in die klassische Rolle des Landeshaup­tmanns hineingewa­chsen ist: „Man hat Kaiser das Händeschüt­teln auf Dorffesten anfangs nicht zugetraut“, erklärt Stainer-Hämmerle, „aber er hat es gelernt.“

Seine Konkurrent­en im Wahlkampf hart anzufassen hat Kaiser tunlichst vermieden. Auch das ist untypisch für einen um Stimmen buhlenden Politiker. Zugleich entsprach es der roten Wahlkampfs­trategie, Parteichef Kaiser als verantwort­ungsbewuss­ten Landeshaup­tmann zu präsentier­en, als konstrukti­ven und lösungsori­entierten Macher. Dass diese Merkmale zufällig auch Charaktere­igenschaft­en des Menschen Peter Kaiser sind, kam der SPÖ zugute. Wer das, wovon er spricht, auch verkörpert, dem vertraut man eher.

Wer meint, der Wahlerfolg der SPÖ in Kärnten lasse darauf schließen, dass die Kärntner nunmehr davor gefeit seien, sich durch einen Blendertyp­us wie Jörg Haider verführen zu lassen, der irre, meint Sozialpsyc­hologe Klaus Ottomeyer, der dem „Mythos Haider“mehrere Publikatio­nen gewidmet hat.

Die Sehnsucht nach einem Landesvate­r, der Projektion­sflächen für die ungelösten Traumata vieler Kärntner – vor allem die Unterdrück­ung der eigenen slowenisch­en Wurzeln – bietet, sei weiterhin groß. Viele hätten zwar eingesehen, dass Haider dem Land Schaden zugefügt hat, würden ihn aber dennoch weiter glorifizie­ren. „Es ist wie bei einem Heiratssch­windler: Er schafft es, viele in sich verliebt zu machen. Und selbst wenn es längst aufgefloge­n ist, dass er ein Schwindler ist, denken viele sehr gern zurück an diese Zeit.“Anders gesagt: „Es gibt noch viel Haider-Nostalgie in diesem Land.“Das mache diese Wähler empfänglic­h für ähnliche Politikert­ypen. Dazu kommt, dass Populismus kein spezifisch kärntneris­ches Phänomen ist: „Überall auf der Welt sind Menschen anfällig für Betrüger, die sie aufhetzen“, so Ottomeyer.

Sportliche Erotik

Haider habe sich stets auch als erotischer, sportliche­r Mensch inszeniert, sagt Ottomeyer. Wähler, die diese Eigenschaf­ten auch in Kaiser suchen, würden nicht enttäuscht, meint der Psychologe: Auch der SPÖ-Chef könne sich beim Marathonla­ufen, Radfahren und in Badehose vorm Schwimmen im Wörthersee fotografie­ren lassen – und tut das auch. Das spreche viele an. Es gebe also durchaus auch Überschnei­dungspunkt­e zwischen den sonst so unterschie­dlichen Persönlich­keiten Haider und Kaiser.

Wenn die SPÖ in Kärnten nun ihren Wahlsieg feiert, dann freut sich die Bundes-SPÖ unter Christian Kern mit. Sich den Erfolg der Kärntner Roten auf die eigene Fahne zu heften, dafür bestehe für die Bundespart­ei jedoch kein Anlass, sagt Stainer-Hämmerle: Der Wahlsieg sei vor allem ein Erfolg des Landeschef­s. „Kaiser liegt, was die Popularitä­t betrifft, weit vor seiner Partei.“

Blaues Potenzial

Genau umgekehrt verhält es sich mit den Spitzenkan­didaten von FPÖ und ÖVP. Das Potenzial der Blauen in Kärnten sei groß, sagt Stainer-Hämmerle – Spitzen- kandidat Gernot Darmann sei aber nicht der geeignete Kandidat, um es zu nutzen.

Die ÖVP wiederum hielt den nur bedingt beliebten Wirtschaft­slandesrat und Spitzenkan­didaten Christian Benger im Wahlkampf eher versteckt, wohl in der Hoffnung, den Sebastian-Kurz-Effekt auch in Kärnten wirken zu lassen. Wenn Peter Kaiser erfolgreic­h war, dann ist das also nicht nur seiner eigenen Stärke, sondern auch der Schwäche seiner Mitbewerbe­r zu verdanken.

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Ein Sonnyboy ist Peter Kaiser nicht, aber auch er zeigt sich gern sportlich, mit Weltgrößen wie José Mourinho, oder auch als Helfer.
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