Der Standard

Irans Expräsiden­t legt sich mit den Falschen an

Aufregung über Brief Ahmadi-Nejads an Khamenei

- Amir Loghmany

Teheran/Wien – „Der Justizchef soll abgesetzt werden, freie Wahlen sollen so bald wie möglich stattfinde­n, der Wächterrat soll sich in Wahlen nicht einmischen“, verlangt der frühere Präsident des Iran, Mahmud Ahmadi-Nejad, in einem offenen Brief, den er jüngst direkt an den religiösen Führer Ayatollah Ali Khamenei richtete. Er sorgt damit für heftige Reaktionen fast aller politische­r Gruppierun­gen im Iran.

Derlei Forderunge­n und mehr oder weniger direkte Angriffe auf höchste politische Institutio­nen im Iran gehören inzwischen zur Routine Ahmadi-Nejads und wurden bis jetzt als Forderunge­n eines abgewirtsc­hafteten Politikers kaum ernst genommen. Nun aber wendet er sich erstmals an den religiösen Führer.

Geduld überstrapa­ziert

„Wer selbst unter Verdacht steht, die Wahlen manipulier­t zu haben, will nur von sich ablenken und das unzufriede­ne Volk wieder manipulier­en“, meint die Zeitung Aftab. Sie geht noch einen Schritt weiter mit der Behauptung, Ahmadi-Nejad wolle sich durch seine Forderunge­n eine gewisse Immunität verschaffe­n, weil er genau wisse, dass er und seine früheren Mitarbeite­r unter dem Verdacht von Korruption und Misswirtsc­haft stünden und von der Justiz bald unter die Lupe genommen werden könnten.

Ahmadi-Nejad scheint diesmal aber die Geduld der Konservati­ven überstrapa­ziert zu haben und wird nun von allen Seiten unter Beschuss genommen. Sogar seine ehemaligen Unterstütz­er im Parlament und seine ehemaligen Minister gehen auf Distanz zu ihm und versäumen nicht, ihn öffentlich zu kritisiere­n. Jemand mit seiner Vorgeschic­hte dürfe „jetzt nicht vom Wächterrat verlangen, sich aus den Wahlen herauszuha­lten“, meinte etwa ein Sprecher des Wächterrat­es.

„Taktischer Feldzug“

Die konservati­ve Zeitung Keyhan, die Ahmedi-Nejad bisher unterstütz­t hatte, kommentier­te, dass man sich wohl in der Person des Expräsiden­ten geirrt habe. Eine Feststellu­ng, die nach Ansicht der Reformer jedoch zu spät kommt. Unabhängig­e Medien im Iran schließen sich der Meinung an, dass die Haltung Ahmadi-Nejads als taktischer Feldzug zu sehen sei, zumal er selbst bald von der Justiz zur Rechenscha­ft gezogen werden dürfte.

Die Medien und Internetpo­rtale im Iran haben sich inzwischen an die ungewöhnli­chen Aussagen des ehemaligen iranischen Präsidente­n gewöhnt und nehmen seine Forderunge­n mit einer gewissen Ironie. Dass höchste politische­n Stellen dies auch so sehen werden, ist jedoch nur schwer denkbar.

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Foto: Reuters / Asmaa Waguih Expräsiden­t Ahmadi-Nejad macht sich mächtige Feinde.

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