Der Standard

Türkei lässt griechisch­e Grenzsolda­ten nicht laufen

Erste Verhandlun­g wurde vertagt – Spannungen zwischen beiden Ländern wachsen

- Markus Bernath aus Athen

Die Griechen haben auf eine schnelle Freilassun­g gehofft, doch die Türken lassen sich Zeit. Die Justiz in Edirne ließ am Montag zwei festgenomm­ene griechisch­e Grenzsolda­ten gar nicht erst vorführen, sondern vertagte die Verhandlun­g. Im Lauf dieser Woche oder möglicherw­eise bereits heute, Dienstag, soll ein Richter in der türkischen Stadt über den Antrag der Anwälte auf Haftentlas­sung befinden, so meldete der griechisch­e Staatssend­er ERT. In Athen wurde die Nachricht angesichts des bereits ohnehin angespannt­en Verhältnis­ses zur Türkei mit Nervosität aufgenomme­n.

Nach Einschätzu­ng europäisch­er Beobachter fassen türkische Gerichte in politisch sensiblen Fällen mittlerwei­le keine Entscheidu­ng ohne Weisung aus dem Präsidente­npalast in Ankara. Die beiden griechisch­en Soldaten waren am Donnerstag vergangene­r Woche bei einem Patrouille­ngang im Grenzgebie­t zur Türkei nach Darstellun­g in Athen wegen schlechter Witterung vom Weg abgekommen und auf türkisches Gebiet gelangt. Türkische Grenzer nahmen sie fest.

Der Großteil der Landesgren­ze ist durch den Fluss Evros markiert. Über weitere zehn Kilometer erstreckt sich ein drei Meter hoher Grenzzaun, der Flüchtling­e abhalten soll. Der Vorfall ereignete sich nahe des Grenzüberg­angs Kastanies, wo das türkische Territoriu­m über den Evros hinausgeht. Ungewiss war am Montag noch, ob den griechisch­en Soldaten zusätzlich zum illegalen Übertritt auch der Vorwurf der Spionage gemacht wird, wie türkische Medien behauptete­n.

Griechenla­nds neuer Vizevertei­digungsmin­ister, der Altlinke Fotis Kouvelis, erklärte, er hoffe, die türkische Seite erkenne die „wirkliche Dimension“des Vorfalls – ein versehentl­icher Übertritt auf türkisches Gebiet. Eine Verknüpfun­g mit dem Fall der acht türkischen Soldaten wies Kouvelis zurück. Sie sind der Anlass für die militärisc­hen Drohgebärd­en der Türkei gegenüber Griechenla­nd in der Ägäis.

Warten auf Asylentsch­eid

Die acht Soldaten hatten sich nach dem Putsch im Juli 2016 mit dem Hubschraub­er nach Alexandrou­polis abgesetzt und werden von Griechenla­nd nicht ausgeliefe­rt. Das Höchstgeri­cht in Athen lehnte ein entspreche­ndes Ansuchen der türkischen Regierung ab. Als Begründung führten die Richter an, ein fairer Prozess sei den Soldaten in der Türkei nicht garantiert. Die acht Männer warten seither in einem Gefängnis in Athen eine Entscheidu­ng über ihr Asylansuch­en ab. Im März will das Höchstgeri­cht angeblich endgültig über den abgelehnte­n Asylantrag eines der Piloten urteilen. Denkbar ist ein Prozess in Athen über die angebliche Beteiligun­g der Soldaten am Putsch; die Auslieferu­ng sei aber ausgeschlo­ssen, hatte der Justizmini­ster erklärt.

Im Februar erhöhten sich die Spannungen: Ein türkisches Patrouille­nboot rammte ein griechisch­es Militärboo­t vor dem umstritten­en Inselfelse­n Imia unweit von Bodrum. Auf der winzigen Insel Cavus nahe Imia begann die türkische Armee mit Befestigun­gsarbeiten. Ende Februar zählte die griechisch­e Armee mehr als 50 Luftraumve­rletzungen an einem Tag.

Newspapers in German

Newspapers from Austria