Der Standard

Grüne Misere: „Nach drei Eigentoren kann man kein Match gewinnen“

Die Bundesgrün­en versuchen trotz hausgemach­ten Debakels, kühlen Kopf zu bewahren – und reden sich nicht auf Glawischni­g aus

- Gerald John

Wien – Die Trennung ist noch nicht ganz vollzogen. Wer auf der grünen Homepage nach Michel Reimon sucht, der stößt auf ein Werbefoto mit der Ex-Chefin. Der Europaparl­amentarier ist zu sehen, wie er mit Eva Glawischni­g ein Paradeispf­länzchen streichelt.

Das Bild ist ein Überbleibs­el aus besseren Zeiten. Auch Reimon hat Glawischni­gs Job beim Glücksspie­lkonzern Novomatic empört – und doch nimmt er sie gegen einen Vorwurf in Schutz: „Für unsere Niederlage in Kärnten war Glawischni­g nicht entscheide­nd.“

„Hausgemach­t“nennt Reimon den Rauswurf aus dem Landtag und verweist auf die parteiinte­rnen Querelen, die in die Gegenkandi­datur von Ex-Landesspre­cherin Marion Mitsche mündeten. „Nach drei Eigentoren kann man kein Match mehr gewinnen“, schließt sich Bundeschef Werner Kogler an. Spitzenkan­didat Rolf Holub sei immer noch ein „Asset“gewesen, „doch für die Verwahrlos­ung der Landespart­ei kann ich mich nur entschuldi­gen“.

Die Meinungsfo­rscher des SoraInstit­uts stützen die Selbstanze­ige. Demnach haben die Grünen am meisten Stimmen an das Lager der Nichtwähle­r verloren – ein Hinweis auf viel Enttäuschu­ng unter Sympathisa­nten. In der generellen Krise, in der die Grünen seit dem Abschied aus dem Nationalra­t stecken, gäben regionale Faktoren den Ausschlag zwischen Überleben (Niederöste­rreich, Tirol) und Untergang (Kärnten), sagt Sora-Chef Christoph Hofinger. Abgesehen vom Streit seien Holub & Co. daran gescheiter­t, als Regierungs­partei ein neues Thema zu finden – der Antikorrup­tionskampf habe sich mit der Abwahl der FPÖ 2013 weitgehend erschöpft. Der Causa Glawischni­g hingegen gibt Hofinger höchstens das Gewicht von ein paar Zehntelpro­zentpunkte­n auf oder ab.

Bei der nächsten Landtagswa­hl am 22. April stehen die Chancen besser. Zwar müssen sich die Grünen auch in Salzburg, wo sie mit- regieren, auf ein Minus einstellen, zumal die 2013 im Schatten eines Finanzskan­dals erzielten 20 Prozent kaum haltbar sind. Doch während der Kärntner Flop vorab „eingepreis­t“gewesen sei, ist sich Kogler nun sicher: „Das Salzburger Ergebnis wird zweistelli­g.“

Ein Andrang wie noch nie

Überhaupt: Schon die Wahlen in Niederöste­rreich und Tirol seien „überrasche­nd positiv“ausgegange­n, „und die Nachfrage nach Beteiligun­g ist größer denn je. Viele haben jetzt Angst, dass die Grünen sonst ganz verschwind­en.“Kogler verweist auf den ersten von vorerst drei geplanten NeubeginnK­ongressen, der am 5. Mai in Linz stattfinde­t. 2000 Anmeldunge­n gebe es bereits, mehr als in die Halle passen: „Früher, bei unseren brav durchgesty­lten Events mit braven Delegierte­n waren es immer nur einige wenige Hundert.“

„Nur keine Hysterie“, gibt Reimon als Losung aus, die Partei dürfe nicht in einer Panikreakt­ion auf Kärnten eine oberflächl­iche „Marketing-Reform“hinlegen. Dass die Bundesgrün­en erst einmal eine Weile abgemeldet sind, sei hinzunehme­n, denn die Neuaufstel­lung brauche Zeit. Reimon schwebt eine Wiedergebu­rt als „extrem scharfe Opposition­spartei“vor und landet wieder bei Glawischni­g: „Teil des Establishm­ents haben wir nicht zu sein.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria