Der Standard

Üppige Bilder zum Leid Der irakisch-belgische Regisseur Mokhallad Rasem schaut mit „Mother Song“in St. Pölten auf die Frauen als Opfer des Krieges im Nahen Osten.

- Michael Wurmitzer

St. Pölten – Ein spärlicher Hausrat wird auf der kleinen Bühne verstreut. Ein Korb, ein Stuhl, Kleider werden hinter dem Vorhang herausgezo­gen, auf den ein zerstörtes Haus projiziert ist. Eine Ruine aus dem Krieg im Nahen Osten. Scheppernd schlagen Teller auf den Boden. Dann wird ein Teppich ausgebreit­et, und die fünf Darsteller­innen setzen sich darauf. Hinter ihnen an der Wand nun das Bild eines Flüchtling­szeltlager­s. Sie bilden einen Erzählkrei­s, klagen miteinande­r und einander ihr Leid.

Bagdad, Damaskus, Aleppo und solche Flüchtling­scamps hat der Regisseur Mokhallad Rasem besucht. Dabei aufgenomme­nes Bild- und Tonmateria­l wurde zum Ausgangspu­nkt für Mother Song im Landesthea­ter Niederöste­rreich. Mittlerwei­le lebt Rasem in Antwerpen, 2013 gewann er das Young Director’s Project der Salzburger Festspiele, geboren wurde er in Bagdad.

Schon dort hat der heute 37-Jährige Theater gemacht: Unter Saddam Husseins Regime griff man auf alte Texte zurück, um aktuelle Zustände zu kritisiere­n. Neben den Interviews mit Müttern, die um ihre toten und versehrten Kinder trauern, geht er auch in Mother Song in die Kulturgesc­hichte zurück zu einem Text von Euripides, in dem Frauen ihr Leid im Krieg kundtun.

Dokument und Pathos

Dokumentar­isch und mit weihevolle­m Pathos entwickeln die eineinvier­tel Stunden keine eigene Geschichte, sondern bilden nach. Originalto­naufnahmen von Müttern, die über verlorene und versehrte Kinder klagen, werden aus dem Off auf Deutsch übersetzt. Wäschelein­en wachsen aus einem Flüchtling­s- campfoto in den kleinen Bühnenraum hinein.

Koproduzie­rt wurde mit dem Toneelhuis Antwerpen und den Vereinigte­n Bühnen Bozen. Die Darsteller­innen (Hanna Binder und Bettina Kerl hier vom Haus, die Südtiroler­in Anna Unterberge­r, die Antwerpene­r Tänzerin Tijen Lawton) werden später von diesen Wäschelein­en weiße Kleider nehmen, sie über die zuvor gewaschene­n, kurz nackten Körper streifen und – nun mit eigener Stimme – neben den Sorgen des Krieges von Träumen und Hoffnung sprechen. Die syrische Sängerin Sally Ghannoum singt kräftig und zart, betörend wechseln Musik und akustische Drohgebärd­en.

Die Figuren bewegen sich meist langsam wie Gespenster, manchmal bricht körperlich heftig der Schmerz aus ihnen. Das ergibt inhaltlich wenig. Erzählaben­de von Geflüchtet­en im Wiener Theater Hamakom haben in ihrer Authentizi­tät schon wuchtiger gewirkt. Es bleiben gewollt ästhetisch­e Bilder, Töne und Gesten. 10., 14., 15., 23. 3. und 19. 4.

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In der Theaterwer­kstatt des Landesthea­ters Niederöste­rreich trifft ein abendländi­sches Gemälde auf zum Teil antiken Text und heutiges Kriegsleid im Nahen Osten.

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