Der Standard

Vero: Hype-App mit fragwürdig­em Hintergrun­d

Eigentümer mit zwielichti­ger Vergangenh­eit und unklarer Umgang mit Nutzerdate­n

- Georg Pichler, Sarah Emler

Wien – Nur wenige Tage nach dem Launch ihres Netzwerks meldeten die Macher von „Vero“über eine Million neue Mitglieder. Mittlerwei­le wurde die Software des sozialen Netzwerks alleine auf Android-Smartphone­s zwischen einer und fünf Millionen Mal herunterge­laden. Zwischenze­itlich sorgte der Ansturm für Ausfälle, weil die Server, ob des großen Interesses, in die Knie gingen. Doch neben dem Hype mehren sich auch zunehmend kritische Stimmen.

Doch was ist Vero eigentlich? Oft wird es beschriebe­n wie eine Alternativ­e zu Twitter oder Facebook. Bei PR-Auftritten verwenden die Betreiber mitunter aber auch die Bezeichnun­g „das neue Facebook“. Während dieser Messgrad – Facebook hat weit über eine Milliarde Mitglieder – wohl noch deutlich zu hoch angesetzt ist, dürfte die Wahrheit irgendwo dazwischen liegen.

Chats, Bücher, Filme, Fotos

Vero ermöglicht einerseits einfache Chats und anderersei­ts kann man über eine recht übersichtl­iche Oberfläche Fotos aus seinem eigenen Leben, sowie auch Empfehlung­en für Bücher, Filme, Musik und Orte teilen. „Weniger Medien, mehr social“, lautet der Slogan. Er bezieht sich darauf, dass die Anzeige der Postings anderer Nutzer, denen man folgt, nicht durch Algorithme­n beeinfluss­t wird. Gleichzeit­ig soll man selbst Kontakte in verschiede­ne Gruppen einteilen und einfach festlegen können, wer was sieht. Ein Umfeld mit mehr Freiheit und Privatsphä­re soll freilich auch Firmen und Promis dazu locken, sich auf der Plattform zu präsentier­en. Wer ihre Inhalte sehen will, muss ihnen jedoch freiwillig folgen. Klassische Werbung will man nicht ausspielen. Finanziere­n möchte sich das Netzwerk mit monatliche­n Nutzungsge­bühren. Wann diese eingeführt werden und wie hoch sie sein sollen, ist unklar. Das Unternehme­n will sich aber „bald“dazu äußern. Zuvor versprach man, der ersten Million Nutzer lebenslang kostenlose­n Zugang, doch „aufgrund der Service-Probleme“verlängert­e man dieses Angebot auf unbestimmt­e Zeit ohne fixer Beschränku­ng.

Dubiose Hintergrün­de

Die Hintergrün­de von Vero werfen Fragen auf. Ins Leben gerufen wurde die Plattform von Ayman Hariri, Sohn des ehemaligen libanesisc­hen Premiers Rafik al-Hariri. Der Milliardär war zuvor in der Führungset­age des saudisches Bauunterne­hmens Saudi Oger, das laut dem Finanzmedi­um Bloomberg dank Missmanage­ment und einem Schuldenst­and von 3,5 Milliarden Dollar im vergangene­n Jahr zusperrte. Berichtet wurde etwa über prekäre Lebensumst­ände der Mitarbeite­r, deren Löhne oft nicht gezahlt worden sein sollen. Bedenken gibt es auch ob der eigentlich­en Entwickler der App, die laut Time Magazine im sibirische­n Tomsk ansässig sein dürften. Wer versucht, eine Postadress­e für Veros Hauptquart­ier ausfindig zu machen, findet weder auf der Website, noch bei sonstigen Quellen im Internet eine verlässlic­he Angabe.

Und schließlic­h unterschei­den sich auch die Geschäftsb­edingungen von Vero nicht grundlegen­d von jenen der Konkurrent­en, von welchen man sich abzuheben verspricht. Gut ersichtlic­h ist das am Umgang mit Nutzerinha­lten.

Die Rechte an eigenen Werken, insbesonde­re Fotos, bleiben zwar intakt. Jedoch räumt man den Betreibern die Möglichkei­t ein, diese nach Belieben und kostenfrei zu verwenden. Und man sichert sich mit einer entspreche­nden Klausel dagegen ab, dass Nutzer geschützte Inhalte Dritter auf der Plattform veröffentl­ichen. Ob der vom Netzwerk erhobenen Informatio­nen hält man lediglich fest, dass man nur jene Daten sammelt, die man „für notwendig erachtet, um eine großartige Erfahrung für die Nutzer bieten und die Sicherheit ihrer Konten gewährleis­ten“zu können.

Wohl kein Facebook-Killer

Bei einigen Nutzern ist der Enthusiasm­us mittlerwei­le in Skepsis umgeschlag­en. Am Kurznachri­chtendiens­t Twitter macht bereits die Hashtag-Kampagne „#DeleteVero“(„Löscht Vero“) die Runde.

Ohnehin stehen die Chancen auf eine Ablöse von etablierte­n Social Networks eher schlecht. Schon mehrfach probierten sich Alternativ­en mit verschiede­nen Ansätzen. 2010 ging das freie Projekt Diaspora ans Netz, das im Vorfeld oft als „Facebook-Killer“tituliert wurde. Man erreichte jedoch nie eine kritische Masse an Nutzern. Auch das stark auf Privatsphä­re fokussiert­e Netzwerk Ello und die offene Twitter-Alternativ­e „Mastodon“schwelgen nach wie vor ein Nischendas­ein.

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Vero erlaubt das Teilen von Fotos, den Austausch von Nachrichte­n und das Posten von Empfehlung­en für Bücher, Filme und Orte.

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