Der Standard

Zurück in die Zukunft: ORF als Aktiengese­llschaft

Nach der Schweizer Gebührenab­stimmung geht es wieder an die Umbaupläne der österreich­ischen Regierung für den ORF und dessen Finanzieru­ng. Eine Idee dazu zieht seit Wochen unter Bürgerlich­en ihre Kreise: aus der Stiftung ORF eine AG zu formen.

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Wien – Warum eine ORF AG? Eine Neugründun­g und die Aktiengese­llschaft als mögliche neue Gesellscha­ftsform kursiert seit Regierungs­antritt als Schuhlöffe­l für einige geplante und kolportier­te Änderungen am ORF-Gesetz.

Im Regierungs­programm haben sich ÖVP und FPÖ vorgenomme­n, die fünf sehr unterschie­dlich ausgestatt­eten Kollektivv­erträge und Betriebsve­reinbarung­en sowie Sonderpens­ionsregelu­ngen anzugleich­en. Eine Neugründun­g könnte das erleichter­n. Arbeitsrec­htler Wolfgang Mazal freilich sagt: Das geht – bei öffentlich­em Interesse und in nicht übermäßige­m Umfang – auch ohne.

Mehrere Vorstände statt des heutigen Alleingesc­häftsführe­rs kämen im Aktienrech­t auch praktisch im Paket. Auch das geht natürlich mit einer ohnehin geplanten Änderung des ORFGesetze­s.

Ebenso der Regierungs­plan, dass Betriebsrä­te nicht mehr im ORF-Aufsichtsr­at gleichbere­chtigt über ihre Chefs, Generaldir­ektoren und Direktoren, mitstimmen sollen. Bei Aktiengese­llschaften sieht das Arbeitsver­fassungsre­cht eine Mehrheit auch unter den Kapitalver­tretern als Bedingung für Vorstandsb­estellunge­n. Die Bestellung der ORF-Führung nach dem Aktienrech­t mit sogenannte­n doppelten Mehrheiten – unter den Kapitalver­tretern und im Aufsichtsr­at insgesamt – plante die Koalition von ÖVP und FPÖ schon 2001 mit ihrem neuen ORF-Gesetz. Der bürgerlich­e ORFBetrieb­sratschef Heinz Fiedler legte sich erfolgreic­h quer.

Ein Vorstand statt eines Alleingesc­häftsführe­rs und untergeord- neter Direktoren wie bisher würde auch eine Neubestell­ung der ORF-Führung bedeuten. Hier taucht die Neugründun­g als Aktiengese­llschaft im Zusammenha­ng mit der Fortzahlun­g der Gehälter in den geltenden Verträgen von ORF-Führungskr­äften auf. Bei Neugründun­g wäre die Fortzahlun­g auf zwei Jahre und nicht bis Ende der Funktionsp­eriode am 31. Dezember 2021 nötig.

Ein Kommentar aus dem Medienmini­sterium zum Thema ORF AG stand bei Redaktions­schluss noch aus. Rechtskund­ige ORFInsider nannten die Argumente im Zusammenha­ng mit einer möglichen Neugründun­g „absurd“.

Die gängigen Erscheinun­gsformen für so große öffentlich­e Unternehme­n hat der ORF schon heute im Wesentlich­en durch: Er war schon als Aktiengese­llschaft organisier­t, in den 1920ern bis 1938. Als öffentlich­e Verwaltung, nach 1955, und ab 1957 als GesmbH im Besitz von Bund und Bundesländ­ern. Ab 1974 als Anstalt öffentlich­en Rechts und, mit dem ORFGesetz von ÖVP und FPÖ 2001, wurde daraus eine Stiftung. (fid)

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Als Österreich­s Rundfunk noch eine AG war: ORF-Vorläufer Radio-Verkehrs-Aktiengese­llschaft (Ravag).

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