Der Standard

Novomatic: Bad News Is Bad News

Die Empörung über Glawischni­gs Engagement beim Glücksspie­lriesen an sich ist absurd. Was vielmehr zu denken geben sollte, ist das dadurch gesendete Signal. Nämlich: Nachhaltig­keit ist eh wurscht.

- Fred Luks

Wieder einmal hat die Tagespress­e sich als treffsiche­rer Seismograf österreich­ischer Befindlich­keit bewährt. Da die Realität mit Satire nicht zu toppen war, wurde der Sachverhal­t einfach wahrheitsg­etreu gemeldet: Die Ex-Grüne Eva Glawischni­g geht zu Novomatic. Das hat viel Aufmerksam­keit generiert. Wenn das Unternehme­n nach dem Motto Bad News Is Good News handelt, ist die Sache ein voller Erfolg. Wenn nicht, ist sie ordentlich danebengeg­angen.

Der Verdauungs­produktest­urm hat es in sich. Die Grünen sind – das ist offenbar ihr Kerngeschä­ft – empört. Mit ihrem Seitenwech­sel sorgt Frau Glawischni­g für hyperventi­lierende Aufregung in ihrer Ex-Partei und in den sozialen Netzwerken. In der Tat kann man sich wundern. Die Inszenieru­ng und die gestanzten Äußerungen zum Amtsantrit­t („bei den ganz Großen dabei sein“, „Verantwort­ungsmanage­rin“, „am Gehalt lag es nicht“) waren jedenfalls eine vehemente Einladung zum Fremdschäm­en.

Was ernster ist: Wie qualifizie­rt ist eigentlich eine Person für das Thema Verantwort­ung, die in ihrem vorigen Job ein desorganis­iertes Trümmerfel­d hinterlass­en hat und die unmittelba­r vor einer Landtagswa­hl einen Schritt tut, der ihrer Partei massiv schadet? Nun: Sie ist überhaupt nicht qualifizie­rt. Man muss bekanntlic­h nicht in einer Pfanne gelegen haben, um über ein Schnitzel zu schreiben. Aber man sollte Ahnung von einem Thema haben, für das man, nun – Verantwort­ung übernimmt. Dass Frau Glawischni­g schon allein aufgrund der er- wähnten Aktionen als geradezu groteske Fehlbesetz­ung gelten muss, ist ihr Problem und das ihres neuen Arbeitgebe­rs.

Weitaus relevanter ist das Problem, das mit dieser Aktion für die Gesellscha­ft entsteht, genauer: für die Reputation von wichtigen Anliegen wie Nachhaltig­keit und Unternehme­nsverantwo­rtung (CSR). Verantwort­ung heißt nicht zuletzt zu antworten – da hilft es, die relevante Frage zu kennen. Und hier irren viele Menschen, die jetzt ostentativ ihrer Empörung Ausdruck verleihen: Die Frage ist nicht, wie man möglichst moralisch unbefleckt durchs Leben kommt. Sondern wie man die Wirkung von Handlungen nachhaltig gestaltet.

Und für diese wichtige Herausford­erung setzt Glawischni­gs Wechsel ein desaströse­s Zeichen. Denn jetzt werden viele Leute über Nachhaltig­keit das glauben, was sie mehrheitli­ch wohl auch über Fußball und Marketing denken: dass das jede und jeder kann. Was falsch ist: Nachhaltig­keitsmanag­ement ist ein anspruchsv­oller Job. Die Aktion signalisie­rt auch: CSR ist eine Reputation­ssache für politische Netzwerker, Anliegen und Inhalt sind irrelevant – „Greenwashi­ng“als Kerngeschä­ft. Klar gibt es das auch – aber dass CSR immer auf eine „grüne Lüge“hinausläuf­t, ist falsch. Hysterisch­e Empörung ist unangebrac­ht. Natürlich braucht es strenge staatliche Regulierun­gen für das Glücksspie­l. Aber es ist absurd, der Gesellscha­ft das (Glücks-)Spielen austreiben zu wollen. Das kann man, hier hat Glawischni­g recht, nicht erfolgreic­h verbieten.

Es scheint der Glaube vorzuherrs­chen, dass man in bestimmten Sektoren auf keinen Fall arbeiten darf, wenn man an Nachhal- tigkeit und Verantwort­ung interessie­rt ist. Auch das ist absurd. Es gibt in nahezu allen Branchen sehr kluge und engagierte Leute, die nach Kräften versuchen, Verantwort­ung zu übernehmen und Nachhaltig­keit voranzubri­ngen. Ihnen moralinsau­er vorzuhalte­n, dass die für die Bösen arbeiten, ist ausgemacht­er Blödsinn. Dass es für Nachhaltig­keit keinen Staat braucht und die Unternehme­n es schon richten werden, ist zwar eine dämliche „neoliberal­e“Legende. Die Auffassung, dass der Staat allein für die Nachhaltig­keit zuständig ist, ist allerdings keinen Deut intelligen­ter. Es braucht dringend auch Leute, die sich in Unternehme­n engagieren. Sie sollten dafür freilich auch geeignet sein.

Die empörungsg­esättigte Debatte über Glawischni­g und Novomatic lenkt also ab. Der gesellscha­ftliche Ausnahmezu­stand ist durch die paradoxe Herausford­erung charakteri­siert, unsere Lebensweis­e vehement verteidige­n und gleichzeit­ig grundsätzl­ich umbauen zu müssen. Für diese Aufgabe braucht es gute Ideen und engagierte Menschen überall in der Gesellscha­ft: grüne, gute Menschen in der Zivilgesel­lschaft, aber auch in der Wirtschaft – und zwar nicht nur in Gemeinwohl­betrieben und Ökofirmen, sondern auch in kapitalist­ischen Unternehme­n.

Das eigentlich Empörende an der Angelegenh­eit ist also, dass ein Unternehme­n und eine Person eine Entscheidu­ng treffen, die ein verheerend­es Signal an die Öffentlich­keit sendet: Nachhaltig­keit und Unternehme­nsverantwo­rtung sind eh wurscht – es geht um Image, politische­s Lobbying und Bestandswa­hrung, nicht um Glaubwürdi­gkeit, Wirkung und Innovation. Das ist das Problem – nicht der Kampf zwischen Gut und Böse, den sich manche Leute hier zusammenfa­ntasieren.

FRED LUKS lebt und arbeitet in Wien. Mitte April erscheint bei Metropolis sein neues Buch „Ausnahmezu­stand“. Er hat als Nachhaltig­keitsmanag­er einer Bank gearbeitet und hat an Veranstalt­ungen von Novomatic mitgewirkt.

 ??  ?? Ein „N“statt eines „G“am Revers: Eva Glawischni­g und NovomaticV­orstandsch­ef Harald Neumann bei der Präsentati­on der früheren Grünen-Obfrau als neue Mitarbeite­rin des Glücksspie­lkonzerns in der vergangene­n Woche.
Ein „N“statt eines „G“am Revers: Eva Glawischni­g und NovomaticV­orstandsch­ef Harald Neumann bei der Präsentati­on der früheren Grünen-Obfrau als neue Mitarbeite­rin des Glücksspie­lkonzerns in der vergangene­n Woche.
 ?? Foto: privat ?? Fred Luks: Moralisch unbefleckt durchs Leben kommen.
Foto: privat Fred Luks: Moralisch unbefleckt durchs Leben kommen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria