Der Standard

Zittern um Grund und Boden

Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat Ungarn wegen seines umstritten­en Bodengeset­zes verurteilt. Dieses benachteil­ige ausländisc­he Bauern in Ungarn. Auch 200 Österreich­er sind betroffen. Sie hoffen nun, dass die ungarische Regierung sie entschädig­t.

- Jakob Pallinger

Wien – Es war auch eine symbolisch­e Entscheidu­ng, die der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) heute verkündete: Das Bodengeset­z, das Ungarn vor vier Jahren eingeführt hat, sei diskrimini­erend und mit dem Grundsatz des freien Kapitalver­kehrs nicht vereinbar. Recht bekam damit ein Österreich­er, der als Landwirt in Ungarn tätig war. In seinem Fall spiegeln sich die Spannungen zwischen Österreich und Ungarn wider, die seit vielen Jahren rund um die ausländisc­hen Investitio­nstätigkei­ten österreich­ischer Bauern entstanden sind.

Begonnen hat das gespaltene Verhältnis Anfang der 90er-Jahre. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs waren viele der flachen landwirtsc­haftlichen Flächen in Ungarn zu günstigen Preisen zu haben, was auch einige österreich­ische Bauern ins Land lockte. Viele Ungarn hätten ohnehin aus der Landwirtsc­haft aussteigen wollen, hieß es von österreich­ischen Investoren. Der damaligen ungarische­n Regierung war das spätestens 1994 ein Dorn im Auge, weshalb sie ein Kaufverbot für Ausländer verhängte.

Agrarfläch­en wurden durch sogenannte Nießbrauch­rechte genutzt, die vertraglic­h die Rechte auf Nutzen und Gewinn der Landfläche­n zusichern. Diese Verträge werden auf Lebenszeit geschlosse­n, die Kosten liegen nahe am Kaufpreis und werden noch vor Vertragssc­hluss abgegolten.

2014 verabschie­dete die ungarische Regierung ein Gesetz, wodurch die Nießbrauch­rechte als erloschen galten. Ausnahmen gab es nur für jene, die ein Verwandt- Rund 200 österreich­ische Bauern bauen auf ungarische­n Feldern an.

schaftsver­hältnis zu dem Eigentümer nachweisen konnten. Da dies für praktisch alle Landwirte aus Österreich nicht zutraf, wurden deren Nießbrauch­rechte bis 2015 aus dem Grundbuch gestrichen und sie de facto enteignet.

So auch ein Landwirt aus Niederöste­rreich, der anonym bleiben will und seit 1994 in Ungarn

Mais, Zucker, Kürbisse und Getreide anbaute. 2014 klagte er gegen die Löschung des Nießbrauch­rechts einer etwa 70 Hektar großen Fläche, allerdings bisher ohne Erfolg. „Wir haben uns von Ungarn hintergang­en gefühlt“, sagt er. Er war damals nicht der Erste, der bei ungarische­n Gerichten gegen die Regierung klagte. Viele Gerichte gaben den Österreich­ern recht, bisher sei von der ungarische­n Regierung allerdings keine Entschädig­ung an die rund 200 in Ungarn tätigen österreich­ischen Landwirte geflossen.

Taschenver­träge

Die ungarische Regierung bezeichnet­e die Nießbrauch­verträge als Taschenver­träge, Österreich­er und andere Ausländer hätten sich über Strohmänne­r Nutzfläche­n gesichert. Die Rechtmäßig­keit dieser Verträge wurde allerdings bereits vom ungarische­n Obersten Gerichtsho­f bestätigt.

Welche Konsequenz­en dem ungarische­n Staat aus dem EuGHUrteil nun drohen, bleibt abzuwarten, meint EU-Rechtsprof­essorin Verica Trstenjak. Jedenfalls müssen sich die nationalen Gerichte nun an das Urteil des EuGH halten, ansonsten droht eine Klage der Europäisch­en Kommission. Jene, die schon geklagt haben, müssen weiter auf die Urteile der nationalen Gerichte warten – und wohl noch einige Zeit länger auf eine Entschädig­ung hoffen.

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