Ein Verbrechen vor Millionen
Das Geiseldrama von Gladbeck mit drei Toten erschütterte 1988 die deutsche Bundesrepublik. Journalisten machten sich damals zu Handlangern der Kriminellen. Die ARD arbeitet den Fall jetzt mit einem TV-Zweiteiler und einer Dokumentation auf.
Wien – Im Sommer jährt sich das Geiseldrama von Gladbeck zum 30. Mal. Fast drei Tage lang hielten Dieter Degowski und HansJürgen Rösner im August 1988 die deutsche Republik in Atem. Sie überfielen eine Bank, nahmen Geiseln, flohen mit ihnen in einem Linienbus und in einem Auto durch Deutschland und die Niederlande. Zwei Geisel und ein Polizist starben. Die ARD widmet diesem Verbrechen jetzt mit Gladbeck einen zweiteiligen Fernsehfilm, zu sehen am Mittwoch und Donnerstag, jeweils um 20.15 Uhr.
Journalisten als Handlanger
Das Geiseldrama von Gladbeck steht vor allem für das Versagen von Polizei und Medien. Journalisten überschritten Grenzen, machten sich zu Handlangern der Kriminellen, lieferten sich ein Rennen um die besten Bilder, übertrugen das Geschehen im Fernsehen. Millionen Deutsche sahen live zu. Medienvertreter waren im Fluchtfahrzeug dabei, gaben den Geiselnehmern Hinweise auf verdeckte Ermittler und wurden so zu Akteuren in einem Drama, das bis heute nachwirkt. Die Polizei agierte unprofessionell, hilflos, vergab Chancen, das Drama unblutig zu beenden. Schuld daran waren auch wechselnde Zuständigkeiten und mangelnde Koordination, wie ein Untersuchungsausschuss später feststellte.
„Gladbeck ist ein nationales Trauma. Unverarbeitet, unfassbar. Eine grauenvolle Sensation. Gladbeck tut weh. Auch heute noch“, sagt Regisseur Kilian Riedhof. Überzeugend: Sascha Alexander Geršak als Hans-Jürgen Rösner, der geschickt die Medien für sich nutzt. Alexander Scheer spielt Dieter Degowski, er agiert mehr im Hintergrund, ist dabei aber nicht weniger präsent.
Dieter Degowski wurde im Februar 2018 nach fast 30 Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Rösner sitzt weiter in Haft, er hatte vergeblich versucht, die ARD-Verfilmung zu verhindern.
Perspektive der Opfer
Im Anschluss an den zweiten Teil zeigt die ARD am Donnerstag die Doku Danach war alles anders. Regisseurin Nadja Kölling konzentriert sich vor allem auf die Opfer und deren Angehörige. Karin R. verlor ihre damals 18-jährige Tochter Silke Bischoff. Tatiana De Giorgi – sie war 1988 neun Jahre alt – war gemeinsam mit ihrem Bruder Emanuele als Geisel im Bus, Emanuele wurde von Degowski erschossen. Die Familie ging zurück nach Italien. Das Leben in Deutschland konnten sie nicht mehr ertragen.
„Das Gladbecker Geiseldrama: ein ewiges Trauma?“und das Versagen von Polizei und Medien sind auch Thema der Diskussion bei Sandra Maischberger am Mittwoch ab 22.45 Uhr im Ersten. (ae)