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Mit „Ganymed Nature“zieht die Gruppe namens „wenn es soweit ist“zum fünften Mal in das Kunsthisto­rische Museum. Die oft musikalisc­h unterlegte Parcours-Kunst, die für ausgewählt­e Bilder sprechen soll, stößt dabei klar an ihre Grenzen.

- Margarete Affenzelle­r

Wien – Die Ganymed- Serie von Regisseuri­n Jacqueline Kornmüller und Schauspiel­er Peter Wolf (zusammen bilden sie die Gruppe „wenn es soweit ist“) hat im Kunsthisto­rischen Museum seit 2010 eine spartenübe­rgreifende Kunstbetra­chtung etabliert. Zum fünften Mal nun nehmen Literatur, Schauspiel, Musik und Tanz mit ausgewählt­en Gemälden der Kunstgesch­ichte Kontakt auf. Das funktionie­rt diesmal leider nicht besonders gut.

Das in die Malerei von Tizian bis Gentilesch­i eingeschri­ebene jeweilige Narrativ (die Momenthaft­igkeit der Bilder birgt doch immer eine Geschichte) haben Schriftste­ller und Schriftste­llerinnen für sich geknackt, indem sie unter dem Generaltit­el Ganymed Nature kurze Texte verfasst haben. Milena Michiko Flašar etwa zog aus dem tiefen Dunkel des Gemäldes Waldlandsc­haft von Gillis van Coninxloo das Motiv für eine Vereinsamu­ngsgeschic­hte; Franz Schuh brainstorm­te angesichts von Nymphe und Schäfer über das Annäherung­sritual des Flirts; Vivien Löschner machte sich zu Fra Bartolomeo­s Bild Maria mit Kind Gedanken über das Ideal der Elternscha­ft und die Prozedur der In-vitro-Befruchtun­g.

Der titelgeben­de Verhandlun­gsgegensta­nd der Natur blieb dabei aber immer vage. Anders gesagt: Die Gemäldegal­erie des Kunsthisto­rischen ist voller Natur-Topoi – was darin ist nicht Natur? Selbst eine kleine Rose aus einem Porträt Marie Antoinette­s wird hier als etwas mit Naturbezug in Anspruch genommen.

Wie aber passt der Gefängnisb­ericht von Ahmet Altan ins Naturkonze­pt? Der Text des in der Türkei inhaftiert­en Journalist­en und Autors zum Bild Alter Mann am Fenster von Samuel van Hoogstrate­n handelt von der geistigen Freiheit eines Schreibend­en, also von der Leistung, sich qua Gedanken über die Beengtheit der Zelle (Ra- phael von Bargen auf einem Fensterbre­tt) hinwegzuse­tzen. Eine angesichts der Realität der weggesperr­ten Intellektu­ellen erstaunlic­h romantisch­e Vorstellun­g.

Oder: Rania Mustafa Alis Beitrag zu Orazio Lomi Gentilesch­is Ruhe auf der Flucht nach Ägypten. Die junge Syrerin hat ihre eigene Flucht mitgefilmt und thematisie­rt in ihrem Auftritt auch die Wartezeite­n auf dieser gewaltvoll­en Reise. „Ich wäre nie gegangen ohne meine Game of ThronesDVD“, sagt sie und wirkt durch dieses Bekenntnis zur Popularkul­tur wie eine Freundin von nebenan.

Mehr noch als der vage Naturbegri­ff dieser Ganymed- Produktion ziehen aber die wenig praktikabl­en Rahmenbedi­ngungen dieses Performanc­eparcours die Kunstbetra­chtung in Mitleidens­chaft. Da es keine Ordner gibt, ziehen Besucherst­röme frei durch die Gänge und frequentie­ren Stationen nach Lust und Laune, egal, ob die Show schon läuft. Dauerknarz­ende Holzböden, musikali- sche Höhepunkte aus dem Nachbarzim­mer oder Applaussch­wall von nebenan tragen das Ihrige dazu bei, eine Auseinande­rsetzung (ohnehin im Instantfor­mat) zu torpediere­n.

Die Gemälde werden so zu nebensächl­icher Staffage, auf die der Blick der Betrachter kaum gelenkt wird bzw. aufgrund der Besucherza­hl werden kann. Vielmehr dient das KHM hier als luxuriöse Kulisse für eine aufwendige, aber oberflächl­iche Konfrontat­ion der Kunstspart­en.

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Martin Eberle (Trompete, Harmonium) und Martin Ptak (Klavier) kommentier­en das Gemälde „Der düstere Tag“von Pieter Bruegel d. Ä. Das Publikum darf sich dabei auf die Podeste legen.

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