Justizministerium schaltet sich in Affäre um Staatsschutz ein
Vorgänge bei Hausdurchsuchung geprüft Festplatte einer Zeugin sichergestellt
Wien – Das Verfahren gegen fünf Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) schlägt weiter Wellen. Am Donnerstag bestätigte der Generalsekretär des Justizministeriums, Christian Pilnacek, dass sein Ressort eine Prüfung der Causa eingeleitet habe.
Im Zentrum der Untersuchung steht, wie es zu der Hausdurchsuchung im BVT beziehungsweise in Privatwohnungen von Beschuldigten kam, wer zu welchem Zeitpunkt informiert war und wer den finalen Auftrag gab, überraschenderweise die Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität und nicht das eigentlich für derartige Fälle zuständige Bun- desamt für Korruptionsbekämpfung mit der Durchsuchung zu beauftragen. Das Justizministerium war jedenfalls nach Informationen von STANDARD und Profil vorab nicht informiert. Innenministerium und Staatsanwaltschaft wollten sich nicht zu den laufenden Ermittlungen äußern.
Ebenfalls untersucht wird nun, warum nicht nur die Unterlagen der fünf Beschuldigten sichergestellt wurden, sondern auch die Festplatte der Leiterin des Extremismusreferats, auf der sich der gesamte Extremismusermittlungsstand des BVT zurück bis ins Jahr 2006 befunden haben soll. Die Leiterin wird in dem Verfahren nur als Zeugin geführt. (red)
Wien – Nach den aufsehenerregenden Hausdurchsuchungen beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hat sich nun auch das Justizministerium eingeschaltet. Generalsekretär Christian Pilnacek bestätigte am Donnerstag, dass sein Ressort eine Prüfung eingeleitet habe, wie es zu der Durchsuchung auf Anordnung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft kam.
Wie berichtet, marschierten vergangenen Mittwoch schwer bewaffnete Beamte der Einsatztruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) mit schusssicheren Westen im BVT ein und durchsuchten auch Privatwohnungen von Beschuldigten. Drei BVT-Mitarbeiter wurden suspendiert, ermittelt wird aber auch gegen den Leiter des BVT, Peter Gridling, sowie dessen früheren Stellvertreter. Es geht um den Verdacht auf Amtsmissbrauch.
Blauer Leiter
Untersucht wird nun, warum ausgerechnet die Experten für Straßenkriminalität mit den Hausdurchsuchungen beauftragt wurden. Die Einheit wird vom freiheitlichen Gewerkschafter und Gemeindepolitiker Wolfgang Preiszler geleitet.
Nach Informationen von STANDARD und Profil, die in der Causa gemeinsam recherchieren, kam die finale Entscheidung dazu von Peter Goldgruber, dem von Innenminister Herbert Kickl installierten mächtigen Generalsekretär des Ressorts. Das Justizministerium war vorab nicht informiert.
Goldgruber wollte sich auf Anfrage nicht äußern, verwies nur auf die Staatsanwaltschaft. Auch dort gibt man keine Auskunft. Es handle sich um eine Verschlusssache, so die Auskunft.
Ebenso Teil der Prüfung ist laut Pilnacek, dass nicht nur Unterlagen der Beschuldigten mitgenommen wurden, sondern auch die Festplatte einer Referatsleiterin für Extremismus, die nur als Zeugin geführt wird. Bei ihr laufen alle Ermittlungen im rechtsextremen Milieu zusammen, also auch beispielsweise Aktivitäten der Identitären, die immer wieder mit Kontakten zu FPÖ-Politikern auffielen. All diese Informationen liegen nun bei der EGS.
Beschäftigen wird sich mit der Causa auch das Parlament. Für den 20. März – an diesem Tag soll zumindest interimistisch ein neuer BVT-Chef verkündet werden – wurde eine Sitzung des ständigen Unterausschusses des Ausschusses für innere Angelegenheiten anberaumt. Aufgabe dieses vertraulich tagenden Gremiums mit dem sperrigen Namen ist es, die Nachrichtendienste zu kontrollieren. Bis zum 20. März soll es laut Pilnacek einen Bericht des Justizministeriums geben.
Die Sicherheitssprecherin der Neos, Stephanie Krisper, hat am Donnerstag zudem eine parlamentarische Anfrage an Innenminister Kickl angekündigt, in der die Hintergründe der ungewöhnlichen Vorgangsweise abgefragt werden. Sie schreibt: „Eine an sich dafür unzuständige Einheit unter Leitung eines FPÖ-Gemeinderates führte die Hausdurchsuchung beim Verfassungsschutz durch und nahm angeblich hochsensible Geheimdienstinformationen in Kopie mit sich. Diese Informationen rund um die Ermittlungen gegen Beamte des Verfassungsschutzes sind höchst fragwürdig und beunruhigend.“
Gridling ist, wie berichtet, seit Beginn der Woche auf Urlaub. Dem Vernehmen nach wird ihm vorgeworfen, es mutwillig unterlassen zu haben, sensible Informationen zu löschen. Dabei soll es um Daten gehen, die den Wiener Anwalt Gabriel Lansky betreffen.
Anderen Beamten wird vorgeworfen, Nordkorea durch die Weitergabe von in Österreich gefertigten nordkoreanischen Blankopässen an Südkorea geschädigt zu ha- ben. Im Vorjahr, als STANDARD und Profil das erste Mal darüber berichteten, hatte das Innenministerium noch erklärt, dass es sich dabei um eine übliche Kooperation der Polizeibehörden handle.
Die Ermittlungen gehen auf ein im Herbst anonym verschicktes BVT-Dossier zurück, in dem zahlreiche angebliche Missstände und Korruptionsvorwürfe enthalten waren. Vieles davon ist nachweislich falsch oder übertrieben.
Präsidialchef geht
Betroffen von den Anschuldigungen war auch der Präsidialchef des Innenministeriums, Michael Kloibmüller. Die Ermittlungen gegen den langjährigen Personalvertreter, der auch Kabinettschef unter mehreren ÖVP-Innenministern war, wurden aber bereits eingestellt. Mitten in dieser turbulenten Phase verlässt er nun aber das Innenministerium. Er soll eine Geschäftsführerposition bei einer privaten Firma in Niederösterreich übernehmen. Äußern wollte er sich weder zum Jobwechsel noch zu den Vorgängen im Ministerium.