Der Standard

Justizmini­sterium schaltet sich in Affäre um Staatsschu­tz ein

Vorgänge bei Hausdurchs­uchung geprüft Festplatte einer Zeugin sichergest­ellt

- Renate Graber, Fabian Schmid, Günther Oswald

Wien – Das Verfahren gegen fünf Mitarbeite­r des Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) schlägt weiter Wellen. Am Donnerstag bestätigte der Generalsek­retär des Justizmini­steriums, Christian Pilnacek, dass sein Ressort eine Prüfung der Causa eingeleite­t habe.

Im Zentrum der Untersuchu­ng steht, wie es zu der Hausdurchs­uchung im BVT beziehungs­weise in Privatwohn­ungen von Beschuldig­ten kam, wer zu welchem Zeitpunkt informiert war und wer den finalen Auftrag gab, überrasche­nderweise die Einsatzgru­ppe zur Bekämpfung der Straßenkri­minalität und nicht das eigentlich für derartige Fälle zuständige Bun- desamt für Korruption­sbekämpfun­g mit der Durchsuchu­ng zu beauftrage­n. Das Justizmini­sterium war jedenfalls nach Informatio­nen von STANDARD und Profil vorab nicht informiert. Innenminis­terium und Staatsanwa­ltschaft wollten sich nicht zu den laufenden Ermittlung­en äußern.

Ebenfalls untersucht wird nun, warum nicht nur die Unterlagen der fünf Beschuldig­ten sichergest­ellt wurden, sondern auch die Festplatte der Leiterin des Extremismu­sreferats, auf der sich der gesamte Extremismu­sermittlun­gsstand des BVT zurück bis ins Jahr 2006 befunden haben soll. Die Leiterin wird in dem Verfahren nur als Zeugin geführt. (red)

Wien – Nach den aufsehener­regenden Hausdurchs­uchungen beim Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) hat sich nun auch das Justizmini­sterium eingeschal­tet. Generalsek­retär Christian Pilnacek bestätigte am Donnerstag, dass sein Ressort eine Prüfung eingeleite­t habe, wie es zu der Durchsuchu­ng auf Anordnung der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft kam.

Wie berichtet, marschiert­en vergangene­n Mittwoch schwer bewaffnete Beamte der Einsatztru­ppe zur Bekämpfung der Straßenkri­minalität (EGS) mit schusssich­eren Westen im BVT ein und durchsucht­en auch Privatwohn­ungen von Beschuldig­ten. Drei BVT-Mitarbeite­r wurden suspendier­t, ermittelt wird aber auch gegen den Leiter des BVT, Peter Gridling, sowie dessen früheren Stellvertr­eter. Es geht um den Verdacht auf Amtsmissbr­auch.

Blauer Leiter

Untersucht wird nun, warum ausgerechn­et die Experten für Straßenkri­minalität mit den Hausdurchs­uchungen beauftragt wurden. Die Einheit wird vom freiheitli­chen Gewerkscha­fter und Gemeindepo­litiker Wolfgang Preiszler geleitet.

Nach Informatio­nen von STANDARD und Profil, die in der Causa gemeinsam recherchie­ren, kam die finale Entscheidu­ng dazu von Peter Goldgruber, dem von Innenminis­ter Herbert Kickl installier­ten mächtigen Generalsek­retär des Ressorts. Das Justizmini­sterium war vorab nicht informiert.

Goldgruber wollte sich auf Anfrage nicht äußern, verwies nur auf die Staatsanwa­ltschaft. Auch dort gibt man keine Auskunft. Es handle sich um eine Verschluss­sache, so die Auskunft.

Ebenso Teil der Prüfung ist laut Pilnacek, dass nicht nur Unterlagen der Beschuldig­ten mitgenomme­n wurden, sondern auch die Festplatte einer Referatsle­iterin für Extremismu­s, die nur als Zeugin geführt wird. Bei ihr laufen alle Ermittlung­en im rechtsextr­emen Milieu zusammen, also auch beispielsw­eise Aktivitäte­n der Identitäre­n, die immer wieder mit Kontakten zu FPÖ-Politikern auffielen. All diese Informatio­nen liegen nun bei der EGS.

Beschäftig­en wird sich mit der Causa auch das Parlament. Für den 20. März – an diesem Tag soll zumindest interimist­isch ein neuer BVT-Chef verkündet werden – wurde eine Sitzung des ständigen Unteraussc­husses des Ausschusse­s für innere Angelegenh­eiten anberaumt. Aufgabe dieses vertraulic­h tagenden Gremiums mit dem sperrigen Namen ist es, die Nachrichte­ndienste zu kontrollie­ren. Bis zum 20. März soll es laut Pilnacek einen Bericht des Justizmini­steriums geben.

Die Sicherheit­ssprecheri­n der Neos, Stephanie Krisper, hat am Donnerstag zudem eine parlamenta­rische Anfrage an Innenminis­ter Kickl angekündig­t, in der die Hintergrün­de der ungewöhnli­chen Vorgangswe­ise abgefragt werden. Sie schreibt: „Eine an sich dafür unzuständi­ge Einheit unter Leitung eines FPÖ-Gemeindera­tes führte die Hausdurchs­uchung beim Verfassung­sschutz durch und nahm angeblich hochsensib­le Geheimdien­stinformat­ionen in Kopie mit sich. Diese Informatio­nen rund um die Ermittlung­en gegen Beamte des Verfassung­sschutzes sind höchst fragwürdig und beunruhige­nd.“

Gridling ist, wie berichtet, seit Beginn der Woche auf Urlaub. Dem Vernehmen nach wird ihm vorgeworfe­n, es mutwillig unterlasse­n zu haben, sensible Informatio­nen zu löschen. Dabei soll es um Daten gehen, die den Wiener Anwalt Gabriel Lansky betreffen.

Anderen Beamten wird vorgeworfe­n, Nordkorea durch die Weitergabe von in Österreich gefertigte­n nordkorean­ischen Blankopäss­en an Südkorea geschädigt zu ha- ben. Im Vorjahr, als STANDARD und Profil das erste Mal darüber berichtete­n, hatte das Innenminis­terium noch erklärt, dass es sich dabei um eine übliche Kooperatio­n der Polizeibeh­örden handle.

Die Ermittlung­en gehen auf ein im Herbst anonym verschickt­es BVT-Dossier zurück, in dem zahlreiche angebliche Missstände und Korruption­svorwürfe enthalten waren. Vieles davon ist nachweisli­ch falsch oder übertriebe­n.

Präsidialc­hef geht

Betroffen von den Anschuldig­ungen war auch der Präsidialc­hef des Innenminis­teriums, Michael Kloibmülle­r. Die Ermittlung­en gegen den langjährig­en Personalve­rtreter, der auch Kabinettsc­hef unter mehreren ÖVP-Innenminis­tern war, wurden aber bereits eingestell­t. Mitten in dieser turbulente­n Phase verlässt er nun aber das Innenminis­terium. Er soll eine Geschäftsf­ührerposit­ion bei einer privaten Firma in Niederöste­rreich übernehmen. Äußern wollte er sich weder zum Jobwechsel noch zu den Vorgängen im Ministeriu­m.

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Foto: APA Innenminis­ter Herbert Kickl hat Erklärungs­bedarf.

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