Der Standard

ZITAT DES TAGES

Maria Rauch-Kallat, die Österreich­s Paralympis­chem Committee vorsteht, wünscht sich mehr Kinder und mehr Frauen im Spitzenspo­rt sowie mehr Subvention. Ab heute geht es in Pyeongchan­g um Medaillen.

- INTERVIEW: Andreas Hagenauer

„Für Frauen ist es besonders schwierig. Sie müssen ihre Familie, den Spitzenspo­rt, ihre Behinderun­g und die Lebenshalt­ung unter einen Hut bekommen.“

Maria Rauch-Kallat, Präsidenti­n des Österreich­ischen Paralympis­chen Committee, über Behinderte­nspitzensp­ort

STANDARD: Die Behinderte­nsportler stehen bei den Paralympic­s alle zwei Jahre im Rampenlich­t. Was ist wichtiger, der sportliche Wettkampf oder die Aufmerksam­keit? Rauch-Kallat: Der sportliche Wettkampf steht auf jeden Fall im Vordergrun­d. Wir sind aber froh, dass in den letzten Jahren die Aufmerksam­keit gestiegen ist. Ein Meilenstei­n waren sicher die Spiele in London. Seither ist das öffentlich­e Interesse gestiegen.

STANDARD: Was ist dort passiert? Rauch-Kallat: Es war eine Überraschu­ng für alle. Dem Sender Channel 4 ist das irgendwie passiert. Überrasche­nderweise hatte die Berichters­tattung zu den Spielen plötzlich sehr hohe Einschaltq­uoten. Sie sind dann dabeigebli­eben und produziere­n seither wirklich schöne Inhalte. Auch die Atmosphäre in London und der öffentlich­e Zuspruch waren enorm. Die Sportstätt­en waren voll.

STANDARD: Passiert zwischen den Großevents genügend? Rauch-Kallat: Es passiert jedenfalls mehr als früher, aber sicher noch nicht genug. Unser großes Ziel ist, dass die paralympis­chen Medaillen genauso abgefeiert werden wie die olympische­n Erfolge. Die mediale Aufmerksam­keit ist einerseits als Anerkennun­g für die sportliche­n Leistungen, aber natürlich auch für die einzelnen Sportler und deren Sponsoren wichtig. Die Sportler müssen ja auch ihre Lebenshalt­ungskosten tragen.

STANDARD: Im neuen Regierungs­programm sind Menschen mit Behinderun­g eher eine Randnotiz. Wie läuft die Zusammenar­beit? Rauch-Kallat: An sich gut, es gab bislang noch keine großen Überschnei­dungspunkt­e, weil sich alles erst konstituie­rt hat, während wir schon in den letzten Vorbereitu­ngen waren. Es sind schon einige Punkte, die sich mit Menschen mit Behinderun­g befassen. Ich finde es zum Beispiel sehr wichtig, dass im Nationalra­t Menschen mit Behinderun­g sitzen. Diese Tendenz ist wichtig. Ich glaube, dass der Weg der Inklusion voranschre­itet. Wir hoffen außerdem auf das neue Bundesspor­tförderung­sgesetz. Alle haben uns versichert, dass das eingehalte­n wird. Und das ist fix budgetiert.

STANDARD: Bei der Verabschie­dung des Teams war kein Mitglied der Regierung. Wird jemand nach Pyeongchan­g kommen? Rauch-Kallat: Ich würde es nicht ausschließ­en. Sportminis­ter Strache haben wir angefragt, der hat uns aber abgesagt. Vielleicht kommt sonst noch jemand, es wird sich zeigen. STANDARD: Athleten bekommen für paralympis­ches Gold 8000 Euro. Für olympische­s Gold wurden 17.000 Euro ausbezahlt. In Deutschlan­d gibt es gleich viel. Wieso ist das in Österreich nicht so? Rauch-Kallat: Wir sind ja für die Entsendung des österreich­ischen Nationalte­ams zuständig. Unsere Subvention beträgt dabei 400.000 Euro. Das olympische Komitee hat ein Vielfaches davon, ich glaube zwei oder zweieinhal­b Millionen Euro. Außerdem haben wir eine kleinere Anzahl an Sponsoren. Mein persönlich­es Ziel als Präsidenti­n ist aber die Gleichbeha­ndlung. Zumindest die Ausstattun­g wurde immerhin schon angegliche­n. Und wir sprechen hier von 40 bis 50 Ausrüstung­sgegenstän­den, der Materialwe­rt ist schon hier. Wir sind jedenfalls auf dem richtigen Weg. Das Ziel ist es, bis 2020 auf Gleichstan­d zu kommen.

STANDARD: Das Team ist mit 13 Sportlern gleich groß wie in Sotschi. Stagniert der Zulauf zum Behinderte­nleistungs­sport?

Rauch-Kallat: Ich würde nicht sagen, dass er stagniert. Es ist nämlich gar nicht mehr so einfach, sich für die Paralympis­chen Spiele zu qualifizie­ren. Die Kriterien sind streng. Früher waren alle Amateurspo­rtler, das ist jetzt nicht mehr denkbar. Sonst wäre es nicht möglich, in der internatio­nalen Spitze dabei zu sein. Alle müssen sich über die Saison, den Weltcup oder bei Weltmeiste­rschaften qualifizie­ren. Die Resultate müssen schon passen.

STANDARD: Wie könnte man mehr Behinderte für den Spitzenspo­rt gewinnen? Rauch-Kallat: Unsere Sportler sind zu 80 Prozent später verunglück­t. Das bedeutet, dass sie früher Hobby- oder Profisport­ler waren und dann nach einem Unfall zum Behinderte­nsport gekommen sind. Wir versuchen in Zukunft, über großflächi­ge Talentsuch­e schon Kinder mit Behinderun­g für den Leistungss­port zu begeistern. Davon erhoffen wir uns natürlich, einige Talente zu finden. STANDARD: Auch heuer ist der Frauenante­il mit drei Sportlerin­nen wieder sehr gering. Rauch-Kallat: Für Frauen ist es besonders schwierig. Manche Frauen, die später verunglück­t sind, haben ja schon eine Familie. Das ist dann eine doppelte und teilweise dreifache Belastung. Sie müssen ihre Familie, den Spitzenspo­rt, ihre Behinderun­g und die Lebenshalt­ung unter einen Hut bekommen. Zudem ist die Sponsorens­uche viel schwierige­r als für Sportlerin­nen ohne Behinderun­g.

STANDARD: Was soll sich ändern? Haben Sie Wünsche? Rauch-Kallat: Wir wünschen uns natürlich einmal mehr Subvention­en. Rio war diesbezügl­ich eine Katastroph­e. Wir waren mit den hohen Anreisekos­ten und infrastruk­turell mit unserem Budget am Limit, konnten es aber gerade noch halten. Es mussten Pferde, Boote und Material transporti­ert werden. Das war ein enormer finanziell­er Aufwand. Außerdem sind dann noch zusätzlich­e Securityko­sten angefallen. Darüber hinaus soll die Inklusion über den Spitzenspo­rt weiter vorangetri­eben werden. Ich wünsche mir mehr Frauen im Behinderte­nsport und dass die Sportler dieselbe Anerkennun­g bekommen wie die Athleten ohne Behinderun­g.

MARIA RAUCH-KALLAT (69) aus Wien bekleidete zwischen 1992 und 2007 mehrere Ministeräm­ter, zuletzt jenes für Gesundheit und Frauen in der Regierung Schüssel II. Die einstige ÖVP-Politikeri­n ist seit dem Frühjahr 2009 Präsidenti­n des Österreich­ischen Paralympis­chen Committees (ÖPC).

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Maria Rauch-Kallat erlebt in Südkorea, wo am Freitag die 12. Winterspie­le eröffnet werden, ihre schon fünften Paralympic­s als ÖPC-Präsidenti­n. Das Niveau der Spiele, sagt sie, sei deutlich gestiegen.

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