Kirchgasser vor dem Abschied
Juventus Turin steht nach einem geradezu prototypischen Auftritt in London im Viertelfinale der Champions League. Am Tag nach dem Triumph über Tottenham trauerten die „Löwen von Wembley“in Florenz.
London/Florenz – Wenige Stunden nachdem sie in London gegen Tottenham mit unnachahmlicher Effizienz das Aus im Achtelfinale der Champions League abgewendet hatten, standen die „Löwen von Wembley“in der Basilica di Santa Croce am Sarg von Davide Astori. Angeführt von Coach Massimiliano Allegri nahmen die großen alten Männer von Juventus Turin – Torhüter Gianluigi Buffon (40) und die Abwehrrecken Giorgio Chiellini (33) und Andrea Barzagli (36) – am Donnerstag in Florenz an der Trauerfeier für den am Wochenende mit 31 Jahren einem Herzversagen erlegenen Kapitän von Fiorentina teil.
Chiellini hatte dem geschätzten Kollegen, der eine Lebensgefährtin und eine zweijährige Tochter hinterlässt, schon unmittelbar nach Abpfiff den 2:1-Erfolg in London gewidmet. „Er ist an diesem Tag in unseren Gedanken. Ich habe oft geweint. Es war schwierig, an das Spiel und den Ausgang zu denken.“
Astori war in Wembley per Schweigeminute gedacht worden, die Spieler beider Teams trugen Trauerflor. „Das war für die ganze Fußballwelt, nicht nur in Italien, ein Schock“, sagte der deutsche Weltmeister Sami Khedira. „Ich kannte ihn in erster Linie als fairen und starken Gegenspieler. Wie ich aus den Erzählungen erfahren habe, war er ein großartiger Mensch. Sein Verlust schmerzt uns alle. In solchen Tagen rückt der Fußball in den Hintergrund.“
In London hatten die von den Sportgazetten als „Leoni di Wembley“gepriesenen Juve-Stars ihre Trauer lange genug verdrängt. „Wir haben eine große Siegermentalität gezeigt, das macht Juventus aus“, sagte Khedira über den Erfolg nach 0:1-Rückstand.
Harte Währung
Allegris Altherrentruppe, im Schnitt 31 Jahre alt, bewies erneut, dass in der Königsklasse Erfahrung eine harte Währung ist. Khedira: „In solchen Spielen hilft uns der unbedingte Wille und die Fülle an Spielern, die die Erfahrung haben, auch solche Spiele noch zu drehen, extrem weiter. Das hat den Unterschied ausgemacht.“Jetzt, sagte der 30-Jährige, „sind wir voll drin im Wettbewerb und im Kampf um den Titel“.
Das Potenzial dazu hat die Alte Dame durchaus. Manchmal scheint es gar so, als wäre der Zweckfußball der Italiener das einzige wirksame Mittel gegen die Künstler von Real Madrid und des FC Barcelona. „Wir sind es gewohnt, diese Spiele zu spielen, wir gehen da mit klarem Kopf rein“, sagte Trainer Allegri.
Seine Auswahl bewahrte auch nach einer schwachen ersten Hälfte (2:12 Torschüsse), einem vorenthaltenen Elfmeter nach klarem Foul an Douglas Costa (18.) und dem 0:1 durch den Südkoreaner Heung-Min Son (39.) die Nerven. Die Argentinier Gonzalo Higuain (64.) und Paulo Dybala (67.) drehten innerhalb von 169 Sekunden das Spiel für den Tabellenzweiten der Serie A. Das reichte nach dem 2:2 im Hinspiel.
Während Tottenham nach 17 Spielen ohne Niederlage en suite wieder einmal verlor, ist Juve nun schon 21 Spiele ungeschlagen.
In Florenz war das gestern kein Thema. Vor Santa Croce hatten sich tausende Trauernde versammelt, auf Schildern war „Addio Capitano“zu lesen. Als der Leichenwagen vorfuhr, brandete Applaus auf. (sid, lü)