Der Standard

Der neue Smartphone-Fotokönig

Am Mobile World Congress in Barcelona hat Samsung sein Topsmartph­one für die erste Jahreshälf­te vorgestell­t. In wenigen Tagen kommt das Gerät in den Handel. Im Standard- Test weiß vor allem die verbessert­e Kamera zu gefallen.

- Georg Pichler

Wien – Blickt man von vorn auf Samsungs Galaxy S9+, die etwas größere und besser ausgestatt­ete Variante des S9, so dürfte man sich schwer damit tun, das Handy von seinem Vorgänger aus dem Jahr 2017 zu unterschei­den. Die ohnehin schon schmalen Ränder sollen noch weiter gestutzt worden sein. Das würde wohl auch bei einer direkten Gegenübers­tellung mit freiem Auge kaum zu bemerken sein.

Offensicht­lich wird der Generation­ssprung beim Blick auf die Rückseite. Hier prangen nun zwei Kameramodu­le, während das S8+ nur eines mitbrachte. Und der Fingerabdr­uckscanner wurde von seiner ergonomisc­h ungünstige­n Position neben dem Fotosensor unter selbigen gelegt. Jener Sensor, der Puls und Blutsauers­toffgehalt ermitteln kann, verweilt nach wie vor an alter Position. Verpackt ist sämtliche Technik in ein verglastes Metallgehä­use. Dem Telefon beschert das einen edlen Look, aber auch Probleme. Die Rückseite ist ein wahrer Fingerabdr­uckmagnet und nicht recht griffig. Wer das HandyPrunk­stück gegen Hoppalas absichern will, kann die beigelegte Schutzabde­ckung mit eigenwilli­ger Textilanmu­tung verwenden.

Über alle Zweifel erhaben ist der Bildschirm des S9+ aus Sam- sungs eigener Produktion. Er bringt satte, aber nicht unnatürlic­he Farben, starke Kontraste und hohe Helligkeit mit. Und er zeigt deutlich, dass der Konzern mit seinen jahrelange­n Investitio­nen in die AMOLED-Technik eine richtige Entscheidu­ng getroffen hat. Der Bildschirm ist auf beiden Längsseite­n gekrümmt. Ärgerliche­rweise kommt es hin und wieder zu unabsichtl­ichen Eingaben.

Obwohl die Bildschirm­diagonale mit 6,2 Zoll recht groß ist, liegt das Handy gut in der Hand. Das ist dem „gestreckte­n“Bildschirm­format von 18,5:9 zu verdanken. Einhändig bedienen lässt sich das Telefon in den meisten Fällen aber nicht.

Bixby bleibt unfertig

Vorinstall­iert ist Android 8.0 „Oreo“, das Samsung mit seiner eigenen Touchwiz-Oberfläche überzogen hat. Diese bringt ein paar Sonderfunk­tionen mit, beispielsw­eise Schnellzug­riff auf wichtige Apps über den gekrümmten Randbereic­h, hält sich aber an die für Android typische Bedienlogi­k. Mit Bixby ist erneut ein eigener Sprachassi­stent an Bord, dessen Fähigkeite­n erweitert wurden. Er erkennt Kameramoti­ve und legt Aufnahmeei­nstellunge­n fest, kann Wegpunkte zu interessan­ten Orten in der Umgebung einblenden, im Netz nach ähnlichen Aufnahmen suchen, Texte mit einer Übersetzun­g überlagern und Weinetiket­ten analysiere­n. Die verschiede­nen Funktionen sind unterschie­dlich weit entwickelt. Viele qualifizie­ren sich als Spielerei, die Übersetzun­gsfunktion erweist sich als praktische Hilfe. Sie hat jedoch mit kleinen Schriftgrö­ßen und Texten auf Bildschirm­en noch Probleme.

Nachholbed­arf gibt es bei der Verwendung von Bixby mittels Sprachkomm­andos. Wissensfra­gen werden brav beantworte­t, ebenso klappen auch Anweisunge­n wie das Stellen eines Weckers. All das muss jedoch auf Englisch erledigt werden, weil dies auch ein Jahr nach der Premiere des Helfers neben Koreanisch und Chinesisch die einzige unterstütz­te Eingabespr­ache ist.

Herausrage­nde Kamera

Das Highlight des S9+ ist sicher seine Kamera. Fotos gelingen auch bei schlechter­en Wetterbedi­ngungen flott. Die Aufnahmen präsentier­en sich in kräftigen, akkuraten Farben und hohem Detailgrad. Bei schwindend­em Licht wechselt das System automatisc­h auf eine empfindlic­here Blende.

Die Qualität von Aufnahmen in dunkleren Umgebungen ist – für ein Smartphone – tatsächlic­h sehr hoch. Zu finster sollte es allerdings nicht sein, denn dann nützt auch diese Kompensati­onsmaßnahm­e nichts mehr. Spannend ist auch die Superzeitl­upenfunkti­on. Hier kann ein kurzer Moment dank Aufzeichnu­ng mit 960 Bildern pro Sekunde extrem langsam abgespielt werden. Die KameraApp erlaubt vor dem Start der Aufnahme die Markierung eines Bildbereic­hes. Erkennt sie darin Bewegung, so wird die „Entschleun­igung“aktiviert.

Zwischen lustig und gruselig schwanken die AR-Emojis. Hier werden die wichtigste­n Gesichtsme­rkmale erfasst und auf ein comichafte­s 3D-Modell gelegt, welches sich hinsichtli­ch Kleidung und Frisur anpassen lässt. Dazu wird automatisc­h eine Reihe verschiede­ner „Reaktionen“erzeugt, die man in Messengern verwenden kann. Man kann auch selbst Gesichtsau­sdrücke des virtuellen Alter Egos festhalten.

Zum Einsatz kommt die Frontkamer­a auch für eine neue LoginFunkt­ion, die den Irisscanne­r mit Gesichtser­kennung kombiniert. Wie sicher diese Methode ist, bleibt Experten überlassen. Die Erkennung von Antlitz und Augen dauert in der Regel aber deutlich länger als die Verwendung des Fingerabdr­uckscanner­s.

Akustisch hat Samsung das S9+ mit Stereosoun­d aufgewerte­t. Neben dem Lautsprech­er auf der Unterseite liefert nun auch der Ohrhörer laute Klangausga­be. Das Ergebnis kann sich für ein Handy absolut hören lassen. Durch die Zuschaltun­g von Dolby Atmos wird die Wiedergabe weiter verbessert. Akustisch gibt es auch bei Telefonate­n nichts auszusetze­n. Beide Gesprächst­eilnehmer verstehen einander klar und deutlich. Die Empfangsst­ärke ist ebenfalls gut.

Bei der Akkulaufze­it darf man als Intensivnu­tzer von einem Tag Verwendung ausgehen. Wer sein Handy nur gelegentli­ch zur Hand nimmt, sollte anderthalb Tage schaffen. Ein solider, aber nicht spektakulä­rer Wert. Mittels Schnellauf­ladung ist das S9+zudem schnell wieder für mehrere Stunden einsatzfäh­ig.

In Summe ist das S9+ eine solide Weiterentw­icklung des Vorgängers, die vor allem mit einer starken Kamera punktet. In Kombinatio­n mit dem guten Bildschirm und Sound dürfte es das aktuell beste Smartphone für den Entertainm­ent-Bedarf sein. Mit einem Preis ab 949 Euro – er liegt über jenem des aktuellen iPhone 8 – muss man dafür aber auch tief in die Tasche greifen. Das Testgerät wurde von Samsung bereitgest­ellt.

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Das Samsung Galaxy S9+ ist eine solide Fortsetzun­g der Serie.

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