Der neue Smartphone-Fotokönig
Am Mobile World Congress in Barcelona hat Samsung sein Topsmartphone für die erste Jahreshälfte vorgestellt. In wenigen Tagen kommt das Gerät in den Handel. Im Standard- Test weiß vor allem die verbesserte Kamera zu gefallen.
Wien – Blickt man von vorn auf Samsungs Galaxy S9+, die etwas größere und besser ausgestattete Variante des S9, so dürfte man sich schwer damit tun, das Handy von seinem Vorgänger aus dem Jahr 2017 zu unterscheiden. Die ohnehin schon schmalen Ränder sollen noch weiter gestutzt worden sein. Das würde wohl auch bei einer direkten Gegenüberstellung mit freiem Auge kaum zu bemerken sein.
Offensichtlich wird der Generationssprung beim Blick auf die Rückseite. Hier prangen nun zwei Kameramodule, während das S8+ nur eines mitbrachte. Und der Fingerabdruckscanner wurde von seiner ergonomisch ungünstigen Position neben dem Fotosensor unter selbigen gelegt. Jener Sensor, der Puls und Blutsauerstoffgehalt ermitteln kann, verweilt nach wie vor an alter Position. Verpackt ist sämtliche Technik in ein verglastes Metallgehäuse. Dem Telefon beschert das einen edlen Look, aber auch Probleme. Die Rückseite ist ein wahrer Fingerabdruckmagnet und nicht recht griffig. Wer das HandyPrunkstück gegen Hoppalas absichern will, kann die beigelegte Schutzabdeckung mit eigenwilliger Textilanmutung verwenden.
Über alle Zweifel erhaben ist der Bildschirm des S9+ aus Sam- sungs eigener Produktion. Er bringt satte, aber nicht unnatürliche Farben, starke Kontraste und hohe Helligkeit mit. Und er zeigt deutlich, dass der Konzern mit seinen jahrelangen Investitionen in die AMOLED-Technik eine richtige Entscheidung getroffen hat. Der Bildschirm ist auf beiden Längsseiten gekrümmt. Ärgerlicherweise kommt es hin und wieder zu unabsichtlichen Eingaben.
Obwohl die Bildschirmdiagonale mit 6,2 Zoll recht groß ist, liegt das Handy gut in der Hand. Das ist dem „gestreckten“Bildschirmformat von 18,5:9 zu verdanken. Einhändig bedienen lässt sich das Telefon in den meisten Fällen aber nicht.
Bixby bleibt unfertig
Vorinstalliert ist Android 8.0 „Oreo“, das Samsung mit seiner eigenen Touchwiz-Oberfläche überzogen hat. Diese bringt ein paar Sonderfunktionen mit, beispielsweise Schnellzugriff auf wichtige Apps über den gekrümmten Randbereich, hält sich aber an die für Android typische Bedienlogik. Mit Bixby ist erneut ein eigener Sprachassistent an Bord, dessen Fähigkeiten erweitert wurden. Er erkennt Kameramotive und legt Aufnahmeeinstellungen fest, kann Wegpunkte zu interessanten Orten in der Umgebung einblenden, im Netz nach ähnlichen Aufnahmen suchen, Texte mit einer Übersetzung überlagern und Weinetiketten analysieren. Die verschiedenen Funktionen sind unterschiedlich weit entwickelt. Viele qualifizieren sich als Spielerei, die Übersetzungsfunktion erweist sich als praktische Hilfe. Sie hat jedoch mit kleinen Schriftgrößen und Texten auf Bildschirmen noch Probleme.
Nachholbedarf gibt es bei der Verwendung von Bixby mittels Sprachkommandos. Wissensfragen werden brav beantwortet, ebenso klappen auch Anweisungen wie das Stellen eines Weckers. All das muss jedoch auf Englisch erledigt werden, weil dies auch ein Jahr nach der Premiere des Helfers neben Koreanisch und Chinesisch die einzige unterstützte Eingabesprache ist.
Herausragende Kamera
Das Highlight des S9+ ist sicher seine Kamera. Fotos gelingen auch bei schlechteren Wetterbedingungen flott. Die Aufnahmen präsentieren sich in kräftigen, akkuraten Farben und hohem Detailgrad. Bei schwindendem Licht wechselt das System automatisch auf eine empfindlichere Blende.
Die Qualität von Aufnahmen in dunkleren Umgebungen ist – für ein Smartphone – tatsächlich sehr hoch. Zu finster sollte es allerdings nicht sein, denn dann nützt auch diese Kompensationsmaßnahme nichts mehr. Spannend ist auch die Superzeitlupenfunktion. Hier kann ein kurzer Moment dank Aufzeichnung mit 960 Bildern pro Sekunde extrem langsam abgespielt werden. Die KameraApp erlaubt vor dem Start der Aufnahme die Markierung eines Bildbereiches. Erkennt sie darin Bewegung, so wird die „Entschleunigung“aktiviert.
Zwischen lustig und gruselig schwanken die AR-Emojis. Hier werden die wichtigsten Gesichtsmerkmale erfasst und auf ein comichaftes 3D-Modell gelegt, welches sich hinsichtlich Kleidung und Frisur anpassen lässt. Dazu wird automatisch eine Reihe verschiedener „Reaktionen“erzeugt, die man in Messengern verwenden kann. Man kann auch selbst Gesichtsausdrücke des virtuellen Alter Egos festhalten.
Zum Einsatz kommt die Frontkamera auch für eine neue LoginFunktion, die den Irisscanner mit Gesichtserkennung kombiniert. Wie sicher diese Methode ist, bleibt Experten überlassen. Die Erkennung von Antlitz und Augen dauert in der Regel aber deutlich länger als die Verwendung des Fingerabdruckscanners.
Akustisch hat Samsung das S9+ mit Stereosound aufgewertet. Neben dem Lautsprecher auf der Unterseite liefert nun auch der Ohrhörer laute Klangausgabe. Das Ergebnis kann sich für ein Handy absolut hören lassen. Durch die Zuschaltung von Dolby Atmos wird die Wiedergabe weiter verbessert. Akustisch gibt es auch bei Telefonaten nichts auszusetzen. Beide Gesprächsteilnehmer verstehen einander klar und deutlich. Die Empfangsstärke ist ebenfalls gut.
Bei der Akkulaufzeit darf man als Intensivnutzer von einem Tag Verwendung ausgehen. Wer sein Handy nur gelegentlich zur Hand nimmt, sollte anderthalb Tage schaffen. Ein solider, aber nicht spektakulärer Wert. Mittels Schnellaufladung ist das S9+zudem schnell wieder für mehrere Stunden einsatzfähig.
In Summe ist das S9+ eine solide Weiterentwicklung des Vorgängers, die vor allem mit einer starken Kamera punktet. In Kombination mit dem guten Bildschirm und Sound dürfte es das aktuell beste Smartphone für den Entertainment-Bedarf sein. Mit einem Preis ab 949 Euro – er liegt über jenem des aktuellen iPhone 8 – muss man dafür aber auch tief in die Tasche greifen. Das Testgerät wurde von Samsung bereitgestellt.