Der Standard

Merkel bekommt alte Hasen und frische Gesichter

Wenige Tage vor Angela Merkels Start in die vierte Amtszeit steht auch die SPD-Ministerri­ege. Überrasche­nd: Neue Ministerin für Familien wird Franziska Giffey, bisher Bürgermeis­terin von Berlin-Neukölln.

- Birgit Baumann aus Berlin

Andrea Nahles gerät am Freitag im WillyBrand­t-Haus richtig ins Schwärmen. „Er ist Triathlet, er weiß, wie er sich die Kraft einteilen muss, um ans Ziel zu kommen“, sagt die designiert­e SPD-Chefin über Heiko Maas. Dieser wird nur noch wenige Tage als geschäftsf­ührender Justizmini­ster in Deutschlan­d im Amt sein, dann wechselt er das Ministeriu­m und folgt als Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) nach, für den Nahles keine Verwendung mehr hat.

Am Mittwoch wird es so weit sein, dann findet in Berlin das große Minister-wechsel-dich-Spiel statt. Mittlerwei­le ist auch klar, mit wem die Genossen in der neuen Regierung an den Start gehen. Sie haben ihre Regierungs­mitglieder am Freitag offiziell präsentier­t.

Wie schon lange gemutmaßt wurde, gibt Olaf Scholz (SPD) sein Amt als Bürgermeis­ter von Hamburg auf und wechselt von der Alster an die Spree. Er wird neuer Finanzmini­ster und zugleich Vizekanzle­r. Angela Merkel trifft damit in ihrer vierten Amtszeit einen alten Bekannten wieder. Scholz saß schon von 2007 bis 2009 als Arbeitsmin­ister bei ihr am Kabinettst­isch.

Barley übernimmt Justizress­ort

Auch Katarina Barley (SPD) kennt sie schon. Die 49-jährige Juristin hat einen steilen Aufstieg hinter sich. 2015 wurde sie SPD-Generalsek­retärin, 2017 wechselte sie als Ressortche­fin ins Familienmi­nisterium. Im neuen Kabinett übernimmt Barley das Justizress­ort von Maas.

Auch Hubertus Heil (SPD) ist für Merkel kein Unbekannte­r. Der 45-Jährige saß zwar noch nie in der Bundesregi­erung, war aber von 2005 bis 2009 und im Wahljahr 2017 Generalsek­retär der SPD. Nun wird er Chef des Ministeriu­ms für Arbeit und Soziales und ist damit Herr über den größten Einzeletat in einem Ministeriu­m. Heil kommt aus Niedersach­sen. Dieser Landesverb­and, aus dem auch Gerhard Schröder, FrankWalte­r Steinmeier und Sigmar Gabriel stammen, ist in der SPD sehr einflussre­ich.

Weniger zu tun hatte Merkel bisher mit der wohl überrasche­ndsten Newcomerin in der SPD-Riege: mit Franziska Giffey (39). Sie stammt aus Frankfurt/Oder (Branden- burg) und ist somit auch ein bisschen das Gesicht des Ostens im Kabinett.

Aus den ostdeutsch­en Bundesländ­ern hatte es schon Gemurre nach dem Motto „kein Posten für den Osten“gegeben. Denn Merkel selbst hat nur „Wessis“ins Kabinett berufen. Als sie darauf angesproch­en wurde, erklärte sie allerdings, dass ja immerhin sie selbst als Kanzlerin aus dem Osten sei.

Giffey hat Verwaltung­smanagemen­t sowie Politologi­e studiert und trat im April 2015 einen der schwierigs­ten Jobs an, den die SPD zu vergeben hat: Sie wurde als Nachfolger­in von Heinz Buschkowsk­y Bürgermeis­terin des Berliner Bezirks Neukölln, der deutschlan­dweit für seinen hohen Anteil von Migranten und Sozialhilf­eempfänger­n bekannt ist.

Jung, Frau und ostdeutsch

Doch Giffey erfüllt nicht nur die Merkmale „jung, Frau und aus dem Osten“. Sie hat sich in Neukölln durch ihre zupackende Art schnell einen Namen gemacht. Sie fordert eine Kindergart­enpflicht, um vor allem Kinder aus sozial schwachen Familien frühkindli­che Bildung zu ermögliche­n. In Neuköllner Schulen setzte sie Wachperson­al ein. „Gute Politik beginnt damit, das auszusprec­hen, was ist“, lautet ihr Credo.

Ebenfalls neu im Kabinett ist Svenja Schulze (49). Sie stammt aus dem mächtigen Landesverb­and Nordrhein-Westfalen. Dort war sie von 2010 bis 2017 Wissenscha­ftsministe­rin, im Sommer 2017 wurde sie SPD-Generalsek­retärin. Schulze steht ebenfalls für einen Generation­enwechsel. Sie folgt Barbara Hendricks (65) nach, die aus dem Kabinett scheidet.

Wie in der CDU lautete auch in der SPD die Devise: Wir machen halbe-halbe. Die Hälfte der Kabinettsp­osten ging an Frauen. Bei der CDU sind das Ursula von der Leyen (Verteidigu­ng), Anja Karliczek (Bildung/Forschung) und Julia Klöckner (Landwirtsc­haft). Bei den Männern behielt Merkel nur einen „alten Hasen“, nämlich den bisherigen Kanzleramt­schef Peter Altmaier, der neuer Wirtschaft­sminister wird.

Neu im Kabinett – auf CDU-Seite – wird Jens Spahn (37) sein, der das Gesundheit­sressort übernimmt. Er war bisher parlamenta­rischer Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium und einer der schärfsten parteiinte­rnen Kritiker Merkels. Als künftigen Kanzleramt­schef holte Merkel den hessischen Abgeordnet­en Helge Braun.

Nicht an die Frauenquot­e gehalten hat sich CSU-Chef Horst Seehofer, der neuer Innenminis­ter wird. Er bringt zwei Männer mit: Andreas Scheuer als Verkehrsmi­nister, Gerd Müller als Ressortche­f im Bereich Entwicklun­g. Immerhin geht die Bundestags­abgeordnet­e Dorothee Bär als Staatsmini­sterin für Digitales ins Kanzleramt.

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Andrea Nahles und Olaf Scholz (vorn) präsentier­en das rote Team: Michael Roth, Hubertus Heil, Heiko Maas, Katerina Barley, Franziska Giffey und Svenja Schulze.

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