Der Standard

„Geduld, Geduld, Geduld, die Krisen lösen sich langsam“

Ex-Premiermin­ister Sakskoburg­gotski warnt davor, die Osteuropäe­r ständig in einen Topf zu werfen

- Thomas Mayer

Sofia/Brüssel – Nichts und niemand kann den Optimismus von Simeon Borissow Sakskoburg­gotski erschütter­n: „Ich glaube nicht, dass die Europäisch­e Union zerbrechen könnte. Schauen Sie sich doch nur den Brexit an und die Schwierigk­eiten, die es dabei gibt“, sagt er, „viele sind verzweifel­t. Das zeigt, dass die Union zusammenha­lten muss.“Seiner Ansicht nach gilt das auch bzw. gerade, weil Großbritan­nien im nächsten Jahr austreten wird.

In zwei Monaten wird dieser Mann mit einer sehr sanften Stimme, der im Gespräch immer wieder in französisc­he Ausdrücke abgleitet, 81 Jahre alt. Aber er betont im Gespräch mit dem STANDARD, dass er viel zu tun habe – nicht zuletzt wegen der EU und weil sein Heimatland derzeit den EU-Ratsvorsit­z innehat. Die Regierung in Sofia hat ihn gebeten, als eine Art „Botschafte­r“seiner Heimat und ihrer komplizier­ten langen Geschichte mitzuhelfe­n.

Dazu ist Sakskoburg­gotski, so sein bürgerlich­er Name, mit seinem Wissen und seiner Berufs- und Lebenserfa­hrung wohl geeignet wie kaum jemand, obwohl er den größten Teil seines Lebens im Ausland – im Exil in Syrien, Ägypten, Spanien und Portugal – verbracht hat: Denn Simeon war einst König von Bulgarien, sechs Jahrzehnte später dann Premiermin­ister, der in Brüssel die EUBeitritt­sverhandlu­ngen geführt und sein Land zum EU-Mitglied ab 2007 gemacht hat. Ein Unikum der Historie. 1937 in Sofia geboren, wurde der Sohn von Zar Boris III. 1943 mit sechs Jahren König, ein Jahr später noch unter deutscher Besatzung nach Syrien gebracht. Den Thron war er dann 1946 unter sowjetisch­er Besatzung los. Nach der Wende 1989 kehrte der Adelige aus dem Haus Sachsen-Coburg nach Bulgarien zurück, gründete eine Partei, gewann im skandalgeb­eutelten Land 2001 die Mehrheit, wurde Regierungs­chef, der erste König/Zar der Welt, der das zustande brachte.

Bei einer solchen schichte verwundert Lebensgees nicht wirklich, dass er „das gemeinsame Europa“auch als „die einzige Lösung“für den Kontinent sieht: „Ich bin ein überzeugte­r Europäer“, betont er oft, das habe ihn „Erzherzog Otto gelehrt“, der verstorben­e Otto Habsburg, der viele Jahre EU-Abgeordnet­er war.

Von Krisen dürfe man sich nicht abbringen lassen, meint Sakskoburg­gotski, man solle nur im Auge behalten, wie lange Amerika gebraucht habe, um zu den Vereinigte­n Staaten zu werden. Die Union brauche daher im Moment vor allem eines: „Geduld, Geduld, Geduld. Krisen lösen sich nur langsam.“Sein Land würde jedenfalls alles tun, um den Zusammenha­lt zu fördern, „eine riesige Herausford­erung“, betont er. Dass nicht nur die politische Führung, sondern auch die Bulgaren selbst im Vergleich zu anderen mittelund osteuropäi­schen Staaten ganz besonders EU-freundlich sind, führt er nicht nur auf die hohen Förderunge­n durch die EU zurück. „Der Grund ist, dass die Bul- garen sich so lange völlig isoliert gefühlt haben. Wir waren ausgesperr­t aus Europa, obwohl wir immer Europäer waren“, erklärt er. Daher sei auch die Freude so groß gewesen, als man nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder „in die Familie zurückgeke­hrt ist“.

Sakskoburg­gotski warnt davor, in den Fehler zu verfallen, „die Osteuropäe­r in einen Topf zu werfen“. Mit der EU-skeptische­n Haltung, wie Polen oder Ungarn sie gerade an den Tag legten, könne man in Sofia nichts anfangen. Auf der anderen Seite sei er „begeistert, welch positive Entwicklun­g die Menschen im Baltikum, etwa in Estland, zustandege­bracht haben, das ist fantastisc­h“, sagt der Ex-König und Ex-Premier.

Österreich könnte eine wichtige Rolle spielen: „Die Hälfte der Union liegt östlich von Österreich, die andere westlich. Und es gibt eine Affinität zwischen Österreich und Bulgarien“, sagt er und erinnert sich, dass Kanzler Schüssel ihm bei den Beitrittsv­erhandlung­en „sehr geholfen hat“. Was heute tun? „Wir müssen weitermach­en, sollen nicht ständig sagen, alles bricht zusammen.“

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Foto: Mayer Simeon Sakskoburg­gotski, Ex-König und Ex-Premier.

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