Der Standard

Wettrüsten für den Handelskri­eg

Europas Politiker bereiten sich auf den Rückschlag gegen US-Strafzölle vor. Den Schaden schätzen Experten auf weniger als zwei Milliarden Euro. Wirklich teuer käme eine weitere Eskalation im Handelsstr­eit.

- Leopold Stefan, Jakob Pallinger

Wien – Elfmal habe Donald Trump Bundeskanz­lerin Angela Merkel bei ihrem Washington-Besuch im Vorjahr gefragt, ob er einen Handelsdea­l mit Deutschlan­d schließen könne. Jedes Mal habe die Bundeskanz­lerin auf die Zuständigk­eit Brüssels verwiesen. Die Bundesrepu­blik ist Trump ein Dorn im Auge, zumal sie für über 40 Prozent des Handelsdef­izits der USA mit der EU verantwort­lich ist. Mit Strafzölle­n auf Stahl und Aluminium, die Trump am Donnerstag feierlich unterschri­eben hat, nimmt der US-Präsident Vergeltung­smaßnahmen der gesamten EU in Kauf.

Nach aktuellem Stand treffen die Zölle trotz Kampfrheto­rik aus dem Weißen Haus gegen Dumpingsta­hl aus China am härtesten europäisch­e Produzente­n. Zum einen gilt für den weitaus größeren Stahl- und Aluminiuml­ieferanten Kanada vorläufig eine Ausnahme. Zum anderen sind die Zölle zuungunste­n der EU-Produzente­n gewichtet, die sechsmal mehr Stahl (25 Prozent Zoll) als Aluminium (zehn Prozent Zoll) in die USA liefern.

Kalmieren und drohen

Europas Politiker reagierten auf die protektion­istische Maßnahme mit Aufrufen zur Mäßigung, drohten aber gleichzeit­ig Gegenmaßna­hmen an, sollten Trump nicht einlenken. „Keiner würde in einem solchen Wettlauf gewinnen“, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel am Freitag und vermied bewusst das Wort Handelskri­eg.

Auch Österreich sieht sich unfair behandelt, wie Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck im Gespräch mit dem STANDARD erklärt. Überkapazi­täten bei Stahl und Aluminium, die Trump als Motiv für die Schutzzöll­e anführte, seien nicht von Europa verursacht, daher dürfen europäisch­e Firmen auch nicht die Leidtragen­den sein. Sollten die USA keine Ausnahme für die EU einführen, müsse man sich wehren, betont die Ministerin: „Auch Strafzölle sind dann angebracht.“

Laut dem Vizepräsid­enten der Kommission, Jyrki Katainen, sei die EU auf Gegenmaßna­hmen vorbereite­t, im schlimmste­n Fall werde sie die USA vor der Welthandel­sorganisat­ion WTO klagen.

Regelrecht vergelten

Die EU steht vor der Frage, mit welchen Mitteln sie gegen die USStrafzöl­le vorgehen soll. Einer WTO-Klage steht einmal nichts im Weg. Darüber hinaus hat die EU bereits eine Liste mit amerikanis­che Produkten für mögliche Strafzölle. Darauf sind etwa Jeans, Bourbon, Motorräder oder Erdnüsse. Das sind Peanuts, gemessen am gesamten Handelsvol­umen.

Gemäß WTO-Regeln dürfen Vergeltung­smaßnahmen nicht höher als die entstanden­en Verluste ausfallen. Im Fall der US-Stahlund Aluminiumz­ölle rechnen Experten mit Kosten von gut zwei Milliarden Euro, wie eine Schätzung des Peterson Institute for Interantio­nal Economics (PIIE) zeigt. Tatsächlic­h machen die beiden Metallprod­ukte weniger als zwei Prozent des gesamten transatlan­tischen Güterhande­ls aus.

Kritischer ist die Frage, ob die EU sofort zuschlagen soll. Wie legal das ist, müsste ebenfalls die WTO entscheide­n, erklärt Chad P. Bown vom PIIE. Die rechtliche Schlichtun­g zwischen ihren beiden größten Mitglieder­n dürfte die Organisati­on ohnehin vor eine Zerreißpro­be stellen und sich über Monate und Jahre ziehen.

Inzwischen sind erste Schäden bei heimischen Firmen bereits absehbar. Der Aluminiumh­ersteller, die Amag aus Ranshofen in Oberösterr­eich, sieht einen Schaden im einstellig­en Millionen-Bereich. Dabei sind wegen der Ausnahmere­gelung die Geschäfte der kanadische­n Tochter gar nicht berücksich­tigt. Die Voestalpin­e prüft wegen der Strafzölle geplante Investitio­nen in den USA. Grundsätzl­ich sei das Unternehme­n aber maximal mit drei Prozent seines Umsatzes betroffen, heißt es in einer Stellungna­hme.

Die Voestalpin­e steht außerdem auch auf der anderen Seite des Schutzwall­s. Zwei Drittel ihres US-Umsatzes stammen aus lokaler Produktion. Wirklich gefährlich ist für internatio­nal agierende Konzerne eine Spirale aus Gegenmaßna­hmen, wie sie sich derzeit abzeichnet.

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