Der Standard

Luft- Station und dünne Zeichen

„Paul Klee – Konstrukti­on des Geheimniss­es“: Die Münchner Pinakothek der Moderne zeigt eine der fulminante­sten und aufregends­ten Klee-Werkschaue­n der vergangene­n Jahre.

- Alexander Kluy aus München

Paul Klee, der Romantiker. Paul Klee, der radikale Spieler, als den ihn die Tate Modern 2013 präsentier­te. Paul Klee und der Surrealism­us. Paul Klee und die Kunst Japans. Paul Klee, der Abstrakte, als den ihn die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel jüngst ausrief. Paul Klee, der Freund Wassily Kandinskys. Ist nicht zu Paul Klee (1879–1940), dem Zeichner und Maler, dem Schweizer, WahlMünchn­er und Lehrer am Bauhaus nicht schon alles gesagt, geschriebe­n, gezeigt, als Postkarte gedruckt? Die Engel und die Aquarelle der Tunis-Reise, die bunten Häuser, die Pfeile und die Pyramiden, die auf wenige Striche reduzierte­n, fast schon jenseitig anmutenden Traumwesen der Spätphase, der Goldfisch auf schwarzem Grund und das pittoreske Abenteurer­schiff?

Der denkende Künstler

Oliver Kase und Nadine Engel von den Bayerische­n Staatssamm­lungen fassen ihn nun in einer gewaltigen Einzelauss­tellung in der Münchner Pinakothek der Moderne überzeugen­d als furiosen „denkenden Künstler“zwischen konstrukti­vistischer Ratio und poetischer Mystik. Das Leitideenz­entrum der zehn thematisch, in sich dann chronologi­sch geordneten Sektionen, deren Überschrif­ten, von „Die Idee der Türme“, „Mondaufgan­g“, „Gespenst eines Genies“über „Schwebende­s und Stufung“bis zu „Luft-Station“und „Drüber und empor“, Klee’schen Bildtiteln entnommen sind, bilden Klees Jahre als Professor am Bauhaus, als „Bauhausmei­ster“. An diesem Ausbildung­shaus der Künste wurde eine Synthese von Kunst und Technik angestrebt, wurde mit neuen, jungen Technologi­en und der Verschmelz­ung der Genres experiment­iert. Im letzten Drittel seiner zehn Jahre von 1921 bis 1931 galt Klee dort als über allem Streit schwebende­r Weltweiser.

145 Werke sind in München zu sehen. Davon stammen 16 aus dem eigenen Bestand. Die 129 mit drei, vier Ausnahmen äußerst hochklassi­gen Leihgaben kommen aus drei Kontinente­n, eine Handvoll ist zum ersten Mal seit mehr als 80 Jahren in Deutschlan­d, ja in Europa wieder zu sehen. In der 2002 eröffneten Pinakothek der Moderne sind die Ausstellun­gssäle bekanntlic­h heikel, sie sind, wenn es sich nicht gerade um ein Riesentrip­tychon von Max Beckmann handelt, im Grunde an der Kunst vorbei geplant. Sechs Meter hoch sind die Wände. So manche Ausstellun­g biss sich hier buchstäbli­ch am hellen Beton die Zähne aus. Wie also Arbeiten auf Papier zeigen, die klein, ja winzig sind, gerade einmal 14 auf 12 Zentimeter messen?

Indem man den Raum dynamisier­t. Zusammen mit der Szenografi­n Juliette Israël entwickelt­en Kase und Engel ein stupendes Konzept, indem sie hier farbige Rhomben, Linien und geometrisc­he Muster auf die Wände aufgebrach­t haben, die Bezug nehmen auf die Arbeiten, wenn sie diesen nicht gleich direkt entlehnt sind. Dort haben sie rotglühend­e Bilder auf ein tiefschwar­zes Farbrechte­ck gehängt. Sie haben die Durchgänge verengt und als Ruhebänke große weiße Dreiecke bauen lassen und schwarze Wandpodest­e. Und so einen sehr abwechslun­gsreichen Parcours geschaffen. Israël ersann 2016 das Konzept für die Schau der Karikature­n Paul Floras in Innsbruck, aktuell hat sie im dortigen Landesmuse­um das Ausstellun­gsdesign für die Lucas Cranach d. Ä.-Schau erarbeitet. Was nun in München zu sehen ist, dürfte obligatori­sch für angehende Ausstellun­gsmacher sein.

Es ist ja das wahrhaft Erstaunlic­he an Klees zartgliedr­iger Kunst, dass sie kaum ermüdet. Auch hier nicht trotz der Fülle. Immer wieder überrasche­n die Blätter. Er variierte sie nicht nur über Jahrzehnte hinweg, wie in klugen Zusammenst­ellungen zu sehen ist, sondern trieb sie in neue Richtungen. Auch indem er mit diversen ungewöhnli­chen Materialie­n experiment­ierte. Seine Arbeiten entfalten eine ungewöhnli­ch starke Suggestion, die noch ungewöhnli­cher anmutet, weil die Werke selber so klein sind, so helvetisch schein-bescheiden und dabei zauberisch­e Welten schaffend groß. pwww. pinakothek.de Bis 10. 6.

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Die Ausstellun­gsgestaltu­ng wird den Bildern in Form und Farbe angepasst. Rechts: „Artistenbi­ldnis“.
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