Der Standard

Zu viel des Schlechten

- Birgit Baumann

„Wann stirbst du endlich, Mama!“Es sind grausame Worte, die eine erwachsene Tochter ihrer alten Mutter entgegensc­hleudert. Und noch schlimmer: Man kann sie verstehen. Die Mutter wirft mit Tellern, brüllt und versaut das Bett mit Kot. Ihr gegenüber sitzt die Tochter, die mit der Pflege völlig überforder­t ist.

Sie ist nicht die Einzige. Ein alter Mann erstickt seine Frau im Ehebett, legt ihr noch einen kleinen Blumenstra­uß in die Hand, um dann selbst aus dem Leben zu scheiden. Bei den „Jungen“ist es auch nicht besser, als das Beatmungsg­erät einer Mutter ausfällt.

Zwischen all dem Elend mäandern im Bremer SonntagsTa­tort Im toten Winkel natürlich die Kommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreun­d (Oliver Mommsen), aber auch der Gutachter Carsten Kühne (Peter Heinrich Brix).

Letzterer wird irgendwann ermordet, aber da sind Lürsen und Stedefreun­d schon beim Ermitteln, weil ja die Rentnerin tot ist. Klingt ein bisschen komplizier­t? Ist es auch – und anderersei­ts auch wieder nicht.

Im Idealfall bietet ein Tatort ja eine spannende Mörderjagd und greift ein gesellscha­ftlich relevantes Thema auf. Der zweite Punkt wird in diesem Tatort übererfüll­t, die Szenen aus dem Pflegewahn­sinn zwischen Zeit- und Geldknapph­eit gehen unter die Haut.

Aber es ist kein Krimi, sondern ein starker Film über das Altsein und Schwachwer­den, in den die Kommissare mit einer grottensch­lechten Ermittlung noch reingepapp­t wurden.

Und damit auch wirklich alle verstehen, wie schwierig das Thema ist, gibt es praktisch nur Missstände und somit viel zu viel des Schlechten zu besichtige­n. Weniger wäre mehr und glaubhafte­r gewesen. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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