Der Standard

Ein neuer Stil in Kampfmontu­r

Die Ermittlung­smethoden gegen den Verfassung­sschutz sind höchst bedenklich

- Fabian Schmid

Es muss eine spektakulä­re Szene gewesen sein, einmalig in der jüngeren österreich­ischen Geschichte: Achtzig Beamte in voller Kampfmontu­r marschiert­en vergangene Woche im Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) und in Privatwohn­ungen von dessen Mitarbeite­rn ein, um Festplatte­n und Dokumente zu beschlagna­hmen. Normal ist das nicht. Es gibt zwei mögliche Motive für die aggressive Inszenieru­ng: Entweder erwarteten die Beamten, dass ihre Kollegen vom Verfassung­sschutz gewaltsame­n Widerstand gegen eine Hausdurchs­uchung leisten; oder man wollte die BVT-Mitarbeite­r einschücht­ern und Macht demonstrie­ren. Beide Optionen sind furchterre­gend.

Dass der Einsatz nicht von den üblicherwe­ise Zuständige­n, wie etwa der Cobra, durchgefüh­rt wurde, sondern von der Einsatzgru­ppe zur Bekämpfung der Straßenkri­minalität, die einen freiheitli­chen Leiter hat, macht die Optik noch schiefer. Dazu kommt, dass schnurstra­cks Festplatte­n und andere Datenträge­r der Leiterin des Extremismu­s-Referats beschlagna­hmt wurden, obwohl gegen diese nicht ermittelt wird. ls ob diese Vorgänge für sich genommen nicht schon besorgnise­rregend genug wären, meldete sich dann verspätet auch noch das Justizmini­sterium zu Wort: Es sei über die Aktion nicht vorab informiert worden und prüfe nun deren „Verhältnis­mäßigkeit“. Der Vorgang an sich ist zwar juristisch in Ordnung – die Korruption­sstaatsanw­altschaft muss sich nicht mit dem Justizmini­sterium absprechen, ein Richter genehmigte die Durchsuchu­ng –, ein „neuer Stil“und ein respektvol­les Miteinande­r innerhalb der Regierung ist das jedoch nicht.

So wurde einerseits das ÖVP-geführte Justizmini­sterium düpiert, anderersei­ts richten sich die Ermittlung­en gegen Beamte, die im einst tiefschwar­zen Innenresso­rt Karriere gemacht haben. Bislang sind nur Fragmente der Vorwürfe bekannt, unter anderem soll es um Amtsmissbr­auch gehen. Die kolportier­ten Verdachtsm­omente rechtferti­gen aber ein derartiges Vorgehen der Ermittler in keiner Weise. Auch hier müssen beide Szenarien die Alarmglock­en schrillen lassen: Entweder gibt es tatsächlic­h massive Missstände im wichtigste­n Sicher-

Aheitsorga­n der Republik, oder die FPÖ bauscht halbgare Vorwürfe auf, um im polizeilic­hen Nachrichte­ndienst aufzuräume­n und umzufärben.

Eine Staatskris­e, wie die Opposition sie sieht, ist das noch nicht. Aber die Koalition könnte in eine solche schlittern. Vizekanzle­r und FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache spricht auf Facebook schon jetzt von einem „Staat im Staat“im BVT. Derartige Bilder eines „tiefen Staats“, der gegen die Regierung arbeitet, beschworen in den vergangene­n Monaten etwa US-Präsident Donald Trump und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Anzeichen da- für, dass Teile der FPÖ den eigenen Beamten nicht trauen, gab es ja schon vor dem BVT-Skandal. Man erinnere sich etwa an den Wanzenfund in Straches Büro, das vom militärisc­hen Abwehrdien­st statt des dafür vorgesehen­en BVT überprüft worden war.

Da der Sicherheit­sapparat überwiegen­d mit Personal besetzt ist, das der ÖVP nahesteht, könnten solche Aktionen noch für heftige Turbulenze­n sorgen. Vorerst schaut Türkis dem Treiben zu. Dass die internen Intrigen und Umfärbunge­n der Sicherheit Österreich­s dienlich sind, darf jedenfalls bezweifelt werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria