Der Standard

Sein & Schein

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Das verbrecher­ische Nazi-Regime machte aus ihr eine Chronistin der Opfer, der Deportiert­en, der Vertrieben­en. Vor 1938 war Dora Philippine Kallmus (1881–1963) ein Fixstern im Wiener Fin de Siècle, im Universum der Reichen, Schönen, der Intellektu­ellen, Künstler und Bonvivants. Als die Kallmus alias Madame d’Ora 1907 in der Wipplinger­straße ihr Atelier eröffnete, zählten Emilie Flöge und Gustav Klimt, Arthur Schnitzler, Alma Mahler-Werfel, Anna Pawlowa, Bertha Zuckerkand­l, Anita Berber, Lina Loos, Julius Meinl, nahezu alle Größen der Gesellscha­ft zu den Stammkunde­n. Sie waren ganz selbstvers­tändlich Teil der bourgeoise­n Boheme, die sich narzisstis­ch fotografis­ch in Szene setzte und für die Nachwelt verewigen ließ. Nach ihrem Studium – als erste Frau erkämpfte Dora Kallmus Zugang zu den Kursen der Graphische­n in Wien, in Berlin bei Nicola Perscheid und im Atelier von Hans Makart – repräsenti­erten sie und ihr Salon die Moderne und im Sinne der Avantgarde weibliche Emanzipati­on. Dass daraus eine Allianz mit den Flöge-Sisters, mit Marie Gutheil-Schoder und Lina Loos entsprang, war eine logische Konsequenz. 1938 emigrierte sie nach Paris. Zu ihren neuen Modellen zählten Coco Chanel, Pablo Picasso, die Baronin Rothschild, Josephine Baker et alii. Ihre Porträts waren einzigarti­g expressiv. Impressiv zeigt Monika Fabers Neusichtun­g die Bildsprach­e ihrer ikonografi­schen Inszenieru­ngen. Persönlich. Emotional. Sinnlich. Erotisch. Gregor Auenhammer

Monika Faber (Hg.), Esther Ruelf, Magdalena Vukovic, „Machen Sie mich schön, Madame d’Ora. Dora Kallmus, 1907–1957“. € 50,– / 348 Seiten. Christian-Brandstätt­er-Verlag, Wien 2018 Tipp: Die gleichnami­ge Ausstellun­g präsentier­t bis 18. 3. 2018 das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg bzw. von 13. 7. 2018 bis 29. 10. 2018 das Leopold-Museum im MQ in Wien.

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