In Gedanken an den Zauberer
Das Schnellturnier in Moskau beschwor Anfang März den Geist von Michail Tal. Exweltmeister Anand gelang eine Glanzpartie ganz im Stil des Magiers aus Riga. Von ruf & ehn
Es ist ein seltsamer Treppenwitz der Geschichte der Magie, dass ausgerechnet ein Zauberkünstler den größten Rationalisten unter den Schriftstellern vor allzu viel Vertrauen in sie warnen musste. Sir Arthur Conan Doyle, Autor der SherlockHolmes-Romane, glaubte wie viele seiner Zeit an die Möglichkeiten des Spiritismus und fand im größten Zauberkünstler seiner Zeit, Harry Houdini, einen entschlossenen Kritiker der Geisterbeschwörungen. Houdini kannte die Tricks seiner Kollegen.
Mit Spiritismus hat das Schnell- und Blitzturnier in Moskau zwar nichts zu tun, aber dennoch: Es wurde ein großer Geist beschworen. Das Turnier knapp vor dem Berliner Kandidatenturnier fand zu Ehre von Michail Tal (1936–1992) statt. Der aus Riga stammende Großmeister war der größte Zauberer seiner Zeit. Er gewann 1960 als junger Mann die Weltmeisterschaft, aber mehr noch als seine Erfolge bestach sein Stil. Tal brachte das Je ne sais quoi, das Unbeschreibliche, das über Jahrhunderte der Kunst vorbehalten schien, auf das Schachbrett. Viele seiner Partien verfügen über magische Momente der Schönheit, die uns auch heute noch sprachlos staunen lassen.
Tal sah sich als Künstler und liebte das Schnell- und Blitzschach. So schien es logisch, dass ein Turnier zu seinen Ehren im Moskauer Museum der impressionistischen Malerei stattfand und als Turniermodus Rapid- und Blitzschach ge- wählt wurde. Durch Raum und Form konnte man den Eindruck gewinnen, dass während der Partien ein unsichtbarer Dritter über die Schulter der Spielenden blickte und sie inspirierte. Als besonders empfängliches Medium erwies sich Tals Weltmeisterkollege Viswanathan Anand. Auch der Inder gilt als Magier am Schachbrett, in Moskau konnte er seine intuitiven Fähigkeiten am besten ausspielen. Trotz seiner 48 Jahre gewann Anand das Schnellturnier ungeschlagen mit großem Vorsprung vor WM-Finalist Sergej Karjakin, Shakhriyar Mamedyarov aus Aserbaidschan und dem Amerikaner Hikaru Nakamura.
In der achten Runde setzte sich Anand gegen Alexander Grischuk ganz im Stile Tals durch: Eine dynamische Eröffnung, die durch heterogene Rochaden eine unbalancierte Position mit taktischem Potenzial herstellte, dann ein auf den ersten Blick undurchsichtiges Bauernopfer im 23. Zug, schließlich eine überraschende und tödliche Pointe fünf Züge danach; am Ende wird Grischuk einfach matt gesetzt. Alle Spuren der Arbeit und der jahrelangen Vorbereitung sind verwischt, alles wirkt einfach und leicht wie eine Volte von Juan Tamariz.
Anand – Grischuk Moskau 2018, Rapid
Ein Anti-Sizilianer, nach dem New Yorker Taxifahrer und Großmeister Nicolas Rossolimo benannt. Die Moskau erinnert sich an den Magier: Michail Tal.
probate Methode, obwohl Schwarz eine Reihe guter Fortsetzungen, wie 3… e6 3… Sf6 oder 3… a6 zur Verfügung steht. Anand selbst propagierte neben dem Textzug auch sofortiges 4.0-0 Lg7 5.Te1 Sf6 6.e5.
Um der Fesselung durch Lg4 zu entgehen. Schwarz kann auch mit 6… e5 nebst De7 und Sf6 eine starke Zentralstellung aufbauen.
Ein interessanter Plan à la Kasparow ist Sd7, e5 nebst Sf8-e6-d4.
Gibt dem Spiel enorme Schärfe. Weiß will lang rochieren und am Königsflügel angreifen. Möglich, weil 10.Sxe5 mit 10… Sxe4 beantwortet wird.
Startet den Gegenangriff, der auch mit 11… b5 oder 11… Le6 eingeleitet werden konnte. Am schärfsten. Gut ist auch 13.Lxg7 Kxg7, wonach der Sc3 ähnlich wie in der Partie über e2 nach g3 überführt werden kann.
Auf 14… a3 würde 15.b3 folgen. Anand wartet noch einen
Zug mit dem Abtausch der Läufer.
Greift nicht nur den Be5 an, der gar nicht leicht zu decken ist, sondern hat noch andere Überraschungen in petto. Schlauer wäre die indirekte Deckung durch 17... Te8! gewesen, wonach Weiß weder 18.Dxe5? Lxa2+ noch 18.Sxe5? a3 19.b3 Dd4 spielen darf, sondern mit 18.Thg1 oder 18.Sf5+ fortsetzen muss. Jetzt öffnet sich die g-Linie.
Das beste Gegenspiel.
Obwohl die Lage für Schwarz bedrohlich aussieht, ist die Stellung noch immer im Gleichgewicht.
Der Inder treibt die Komplikationen auf die Spitze, doch nach 25.h5 c4 geht die Initiative schon auf Schwarz über. Natürlich nicht 25… hxg5?? 26.hxg5+ mit Damenverlust. Stellt die nächste Falle.
Und Schwarz fällt darauf herein! Nach 26... Kh8! funktionierte die Springergabel nicht, sodass der weiße Angriff stockt und Anand mit 27.Dg4 oder 27.h5 im Trüben fischen musste.
Das Springeropfer, zugleich eine Gabel, ist durchschlagend, weil sich alle Linien gegen den schwarzen König öffnen.
Auch nach 27... Txg5 28.hxg5 Kg8 29.gxh6 Sf8 30.Tg1+ wird der weiße Druck zu groß.
Das Tüpfelchen auf dem i, Schwarz verliert die Dame oder wird matt!
matt. Eine Partie ganz nach dem Geschmack Michail Tals.
Kxd7 Te1!!1. Vorwoche):( 2758 Lösungen: