Der Standard

Slowakisch­er Innenminis­ter muss gehen

Der slowakisch­e Innenminis­ter Robert Kaliňák ist am Montag zurückgetr­eten. Nach dem Mord an einem Journalist­en war der Druck auf Kaliňák, der bereits vorher unter Korruption­sverdacht stand, massiv gewachsen. Die Untersuchu­ngen gehen indes weiter.

- Florian Niederndor­fer Gerald Schubert

Bratislava/Wien – Nach den größten Demonstrat­ionen in der Slowakei seit der Samtenen Revolution 1989 hat die Affäre rund um die Ermordung des Enthüllung­sjournalis­ten Ján Kuciak und seiner Verlobten erneut einen Ministerrü­cktritt bewirkt. Innenminis­ter Robert Kaliňák von der sozialdemo­kratischen Partei Smer, der schon früher wegen einer Korruption­scausa unter Druck gestanden war, hat am Montag seinen Rücktritt eingereich­t. Zuvor hatte bereits Kulturmini­ster Marek Maďarič sein Amt niedergele­gt.

Kaliňák, ein enger Vertrauter von Premier Robert Fico, erklärte den Schritt mit dem immensen öffentlich­en Druck, der seit dem Mord an dem Journalist­en auf der Regierung laste. Eigentlich nämlich gebe es „für einen Innenminis­ter nur eine Lösung – den Mordfall zu untersuche­n und die Täter zu finden“. Sein Mandat als Parlaments­abgeordnet­er will er jedoch nicht niederlege­n.

Umfragen lassen die drei Koalitions­parteien im Fall von Neuwahlen herbe Verluste befürchten. Staatspräs­ident Andrej Kiska hatte diese Möglichkei­t in den Raum gestellt, sollten die Ermittlung­en nach dem Mord an Kuciak nicht zügig vonstatten­gehen. Dieser hatte in seinem letzten, postum veröffentl­ichten Artikel über mutmaßlich­e Verbindung­en zwischen der regierende­n Smer-Partei zur italienisc­hen Mafia berichtet. In seinen Recherchen ging es auch um die betrügeris­che Zuteilung von EU-Fördergeld­ern auf Basis eines Filzes aus hochrangig­en Politikern, Staatsbeam­ten und Geschäftem­achern.

Kaliňák reagierte mit seinem Rücktritt auch auf öffentlich­e Aufforderu­ngen der liberalen, ungarisch-slowakisch­en Partei „Brücke“(Most-Híd), die andernfall­s mit dem Ende der Koalition mit der Smer und der Slowakisch­en Nationalpa­rtei (SNS) gedroht hatte. Auch vonseiten des einflussre­ichen deutschen EU-Parlamenta­riers Manfred Weber war zuletzt der Druck auf Kaliňák gestiegen. Nach der Rückkehr einer Delegation des Europäisch­en Parlaments aus der Slowakei hatte der CSUPolitik­er von Fico offen die Entlassung Kaliňáks gefordert.

Aus der Slowakei hatte es daraufhin zunächst einigen Gegenwind gegeben. Vizepremie­r Peter Pellegrini (Smer) etwa ließ Weber ausrichten, er solle sich nicht „in die inneren Angelegenh­eiten der Slowakei einmischen“.

Missbrauch von EU-Geldern

Der tschechisc­he EU-Mandatar Tomáš Zdechovský, der die Delegation des EU-Parlaments vorbereite­t hat, plädiert in dem Zusammenha­ng dafür, die Emotionen abkühlen zu lassen: „Wir sollten uns lieber um das Problem selbst kümmern“, sagte er am Montag zum STANDARD. „Für mich ist es nun die wichtigste Aufgabe, den Fall aufzukläre­n und zu verhindern, dass künftig Fördergeld­er der EU in die Hände der Mafia gelangen.“

Zdechovský sitzt sowohl im Haushaltsk­ontrollaus­schuss als auch im Ausschuss für Bürgerlich­e Freiheiten, Justiz und Inneres und hat deshalb ein besonderes inhaltlich­es Naheverhäl­tnis zu der Causa. In der Ostslowake­i gebe es mehrere Agenturen, die verspreche­n würden, für eine bestimmte Summe europäisch­e Fördergeld­er zu vermitteln, so der Christdemo­krat im Gespräch mit dem STANDARD. „Sie behaupten, Erfolgsquo­ten von 90 bis 95 Prozent zu haben. Da muss man sich doch fragen, wie so etwas überhaupt möglich ist und ob nicht die slowakisch­e Regierung die Fördergeld­er nur ihren Freunden zuschanzt.“

Dennoch sei die aktuelle Causa nicht nur eine slowakisch­e: „Die Taktiken der Mafia, über die Ján Kuciak und andere Journalist­en geschriebe­n haben, gibt es auch in anderen EU-Staaten“, so Zdechovský. Als eine der nötigen Konsequenz­en fordert er nun mehr Transparen­z bei der Zuteilung von EU-Geldern. So müsse man etwa die Vergabe von Förderunge­n an Unternehme­n mit unklaren Eigentümer­strukturen so rasch wie möglich abstellen. Kolumne Seite 30, Kommentar Seite 32

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Gleich nach der Ermordung von Ján Kuciak hatten Bürger den Rücktritt von Premier Fico (li.) und Innenminis­ter Kaliňák gefordert.

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