Der Standard

Gleich zum Auftakt gibt es Ärger für Merkel

Künftiger Gesundheit­sminister Spahn sorgt mit Aussage über Armut für Aufregung

- Birgit Baumann aus Berlin

Einfach war das vergangene halbe Jahr seit der Bundestags­wahl nicht. Das machte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Montagnach­mittag, kurz vor der Unterzeich­nung des Koalitions­vertrages noch einmal deutlich, indem sie den ersten deutschen Bundeskanz­ler Konrad Adenauer (CDU) zitierte: „Erfolg ist das Ergebnis harter und zäher Arbeit.“

Sie, CSU-Chef Horst Seehofer, der kommissari­sche SPD-Vorsitzend­e Olaf Scholz und viele, die in der deutschen Politik Rang und Namen haben, fanden sich am Montagnach­mittag im Reichstag ein, um endlich den Vertrag zwischen Union und SPD zu besiegeln. Zuerst unterschri­eben die drei Generalsek­retäre, dann die Fraktionsc­hefs, zum Schluss Merkel, Seehofer und Scholz.

Zwar lobte Merkel den Koalitions­vertrag, angesichts der Debatten um die längste Regierungs­bildung, die es in Deutschlan­d je gegeben hat, bekannte sie aber auch freimütig: „Wenn dann noch eine Portion Freude am Gestalten dazukommen könnte, dann kann das eine gute Regierungs­arbeit werden.“

Doch zum Auftakt ihrer vierten Amtszeit hat Merkel gleich Ärger in der eigenen Partei. Sie hat ja den Konservati­ven Jens Spahn, einen ihrer Hauptkriti­ker, zum neuen Gesundheit­sminister gemacht – wohl in der Hoffnung, ihn ein bisschen ruhig zu halten. Doch der 37-Jährige denkt offenbar nicht daran, sich künftig nur noch um Gesundheit­sfragen zu kümmern.

Er erklärt, auch ohne Tafeln, die Essen an Bedürftige ausgeben, müsse in Deutschlan­d niemand hungern. Denn das Land habe „eines der besten Sozialsyst­eme der Welt“. Hartz IV (Grundsiche­rung auf Sozialhilf­eniveau) bedeute nicht Armut, sondern sei die Antwort der Solidargem­einschaft auf Armut: „Damit hat jeder das, was er zum Leben braucht.“

Der Aufschrei ist groß. So kritisiert­e Linksfrakt­ionschefin Sahra Wagenknech­t: „Hartz IV mutet El- tern zu, ihre Kinder für 2,70 Euro am Tag zu ernähren. Wenn gut verdienend­e Politiker wie Herr Spahn meinen, das sei keine Armut, sollten sie sich vielleicht mal mit einer Mutter unterhalte­n, die unter solchen Bedingunge­n ihr Kind großziehen muss.“Selbst aus der CDU kam ein Rüffel für Spahn. „Ich warne immer etwas davor, wenn Menschen, die, so wie er oder wie ich, gut verdienen, versuchen zu erklären, wie man sich mit Hartz IV fühlen sollte“, sagt die neue Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r.

Spahn wird, wie das übrige Kabinett, am Mittwochmi­ttag vereidigt. Zuvor wählt der Bundestag Merkel zum vierten Mal zur Kanzlerin. Das Ziel ihrer vierten Regierungs­zeit beschreibt sie so: „Der Wohlstand muss bei allen Menschen ankommen.“Und sie ist – ebenso wie Scholz und Seehofer – davon überzeugt, dass die große Koalition die ganzen vier Jahre lang halten wird.

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Foto: AFP / T. Schwarz Der neue Minister Jens Spahn (CDU) eckt gleich mal an.

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