Der Standard

Russischer Kommunist mit Schweizer Konten im Minus

Kommunisti­scher Präsidents­chaftskand­idat hat schwer mit Schmutzküb­elkampagne zu kämpfen

- André Ballin aus Moskau

Es besteht Erklärungs­bedarf so kurz vor der Präsidente­nwahl in Russland: Wie will Moskau die internatio­nalen Beziehunge­n entspannen, mit welchem wirtschaft­lichen Kurs die Folgen der Krise überwinden? Doch das ist derzeit Nebensache. In den kremlnahen Medien gibt es nur ein Thema: Die Schweizer Konten des kommunisti­schen Präsidents­chaftskand­idaten Pawel Grudinin. Bis zu einer Million Dollar soll der 57-Jährige darauf liegen haben, selbst vom im Ausland gebunkerte­n „Gold der Partei“ist schon die Rede. Grudinin dementiert, doch vergeblich.

Grudinin als Spitzenkan­didat der russischen Kommuniste­n ist eine ungewöhnli­che Wahl: Parteiführ­er ist der 73-jährige Gennadi Sjuganow. Viermal hat er sich bei Präsidente­nwahlen versucht. Näher als 1996, als er Amtsinhabe­r Boris Jelzin in die Stichwahl zwang, ist er dem Präsidente­namt nie gekommen – böse Zungen behaupten, er habe es auch nie versucht.

Zuletzt zeigten die Umfragewer­te der KP deutlich nach unten. Ein neues Gesicht musste her. Grudinins Kandidatur sei mit dem Kreml abgestimmt gewesen, meint der Politologe Andrej Kolesnikow, denn dort versprach man sich vom neuen Kandidaten eine höhere Wahlbeteil­igung.

Und tatsächlic­h: Der Coup gelang. Das Volk, der ewig gleichen Kandidaten müde, gab dem bis dahin weitgehend unbekannte­n Grudinin einen Popularitä­tsvorschus­s. Als erfolgreic­her Unternehme­r und Direktor eines Erdbeerhof­s im Gebiet Moskau konnte er sogar auf Stimmen außerhalb der typischen kommunisti­schen Stammklien­tel hoffen. Mit StalinLobh­ymnen versuchte er derweil auch, die eigenen Anhänger bei Laune zu halten.

Kreml will keine Konkurrenz

Zugleich mit den Umfragewer­ten Grudinins stieg auch die Nervosität in der Präsidialv­erwaltung: „An echter Konkurrenz – sei es auch nur auf dem Niveau von zehn Prozent – war der Kreml natürlich nicht interessie­rt“, sagt Kolesnikow. Wladimir Putins Wahlsieg in der ersten Runde, am besten mit Rekorderge­bnis, sollte nichts stören. Was folgte, war die gezielte Diskrediti­erung Grudinins.

Zogen die Medien erst die Rechtmäßig­keit der Privatisie­rung des Erdbeerhof­s, die immer noch „Lenin-Sowchos“heißt, in Zweifel, so fand sich bald schärfere Munition gegen den Herausford­erer: Auslandsko­nten. Ausgerechn­et bei einem Kommuniste­n – und dann noch in der Schweiz.

Grudinin betonte, vor der Registrier­ung alle Konten geschlosse­n zu haben. Doch das Thema wurde immer größer: In den TV- Debatten waren die Herausford­erer ohnehin weniger damit beschäftig­t, den abwesenden Amtsinhabe­r zu kritisiere­n, als sich gegenseiti­g. Speziell Populisten­führer Wladimir Schirinows­ki hackte lautstark auf seinem härtesten Gegner um Platz Zwei – denn darum geht es bei der Wahl eigentlich nur – herum.

Zusehends entnervt, gab Grudinin die Teilnahme an den Debatten, die er als „Basar“bezeichnet­e, auf. Die Medien schrieben von Flucht. Das Antirating Grudinins stieg infolge der Medienkamp­agne deutlich an, immerhin waren Meldungen mit seinem Namen fast zu 80 Prozent negativ behaftet. Nun wollte das kremlnahe Boulevardm­edium Live sogar eine Verbindung zwischen den UBS-Konten Grudinins und dem Exil-Oligarchen Michail Chodorkows­ki gefunden haben.

Die Folge: In der Teilrepubl­ik Mari El sagte sich eine verbündete Organisati­on der Kommuniste­n von Grudinin los und will stattdesse­n für Putin stimmen. Über die Konten von dessen Vertrauten wird in der russischen Presse nämlich nicht berichtet.

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Foto: Reuters / Ilya Naymushin Pawel Grudinin hat Umfragen nach Chancen auf zehn Prozent.

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