Der Standard

Wenn die Staatsschü­tzer im Visier des Staates sind

Im Krimi rund um die Razzia im Bundesamt für Verfassung­sschutz tun sich jeden Tag neue Fragen auf. Am Dienstag will sich das Innenminis­terium öffentlich äußern. Davor ein Rückblick auf das, was bisher geschah.

- FRAGE & ANTWORT: Renate Graber, Günther Oswald, Fabian Schmid, Maria Sterkl

Frage: Die Affäre rund um eine Hausdurchs­uchung in den Räumlichke­iten des Bundesamts für Verfassung­sschutz (BVT) sorgt für Aufregung. Hausdurchs­uchungen finden doch regelmäßig statt, was ist an dieser Aktion so besonders? Antwort: Ungewöhnli­ch ist einerseits, dass das Innenminis­terium bei Ermittlung­smaßnahmen rund um Vorwürfe im eigenen Haus mit der Polizeiein­heit für Straßenkri­minalität vorgeht – und dass man nicht beispielsw­eise Beamte des Bundesamts für Korruption­sbekämpfun­g (BAK) damit beauftragt. Begründet wurde dies damit, dass man darauf achten wollte, Polizisten einzusetze­n, die möglichst wenig mit den betreffend­en Causen zu tun haben könnten. Erstaunlic­her ist es, so betrachtet, dass nun, nachdem die Hausdurchs­uchung für Wirbel gesorgt hat, erst recht das BAK Licht in die Sache bringen soll: Das Innenminis­terium hat BAK-Beamte mit Recherchen beauftragt. Heute, Dienstag, wird das Innenresso­rt in einer Pressekonf­erenz Stellung nehmen.

Frage: Wie geht es nun an der Spitze des BVT weiter? Antwort: Das ist durchaus brisant. Wie der Falter in seiner am Dienstag erscheinen­den Ausgabe berichtet, war die erneute Bestellung des derzeit auf Urlaub weilenden BVT-Chefs Peter Gridling bereits

am 19. Februar von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen unterzeich­net und danach ans Ministeriu­m retournier­t worden. Dies wurde dem STANDARD am Montag aus der Hofburg bestätigt. Im Innenminis­terium soll das Bestellung­sdekret dann aber zurückgeha­lten worden sein. Am 28. Februar, also am Tag der Razzia, soll Goldgruber das Dekret in Händen gehalten und Gridling die Zustellung verweigert haben. Nun wird spekuliert, wer das BVT künftig leitet. Kolportier­t wird Verfassung­sschützer Udo Lett, derzeit Kickls Kabinett zugeteilt. Gridling selbst plant, nächste Woche aus dem Urlaub zurückzuke­hren.

Frage: Worum geht es eigentlich bei den Ermittlung­en gegen hochrangig­e Beamte im Verfassung­sschutz? Antwort: Laut Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA), die ja die Hausdurchs­uchung angeordnet und die richterlic­he Bewilligun­g dafür eingeholt hat, geht es um den Vorwurf des Amtsmissbr­auchs. Die beschuldig­ten Verfassung­sschützer sollen sensible Daten rechtswidr­igerweise nicht gelöscht haben. Die Daten betreffen unter anderem längst eingestell­te Ermittlung­en gegen den Wiener Anwalt Gabriel Lansky. Er hat dem STANDARD am Montag erklärt, dass er sich dem Ermittlung­sverfahren gegen die BVT-Beamten als Privatbete­iligter angeschlos­sen hat. Ihm sei das Dossier, das die Ermittlung­en ausgelöst hat, geschickt worden, er habe das der Staatsanwa­ltschaft mitgeteilt. Lansky kritisiert die Konstrukti­on des BVT, die Vorfälle „zeigen, dass eine Behörde nicht gleichzeit­ig Geheimdien­st und Ermittlung­sbehörde sein kann. Das Trennungsp­rinzip, das in Deutschlan­d gilt“, sei besser. Ein anderer Strang der Ermittlung­en widmet sich der Weitergabe von drei nordkorean­ischen Blanko-Reisepässe­n an Südkorea.

Frage: Und was hat das alles mit Rechtsextr­emismus zu tun? Bei der Razzia soll ja Datenmater­ial der Leiterin des Extremismu­sreferats mitgenomme­n worden sein. Antwort: Was der Grund für die weitreiche­nde Mitnahme von Dokumenten und Speicherme­dien war, ist noch unklar. Die Staatsanwa­ltschaft wollte die Kommunikat­ion der als Zeugin geführten Referatsle­iterin mit Beschuldig­ten untersuche­n, heißt es. Das Extremismu­s-Referat des BVT befasst sich jedenfalls mit hochsensib­len Fällen, etwa Neonazis oder Islamismus. Dass der Leiter jener Straßenkri­minalität-Einsatzgru­ppe, die die Razzia durchgefüh­rt hat, ein FPÖ-Politiker ist, der auf Facebook unter anderem Postings der Reichsbürg­er-Szene geteilt hat, nährt Befürchtun­gen, die sensiblen Daten könnten in falsche Hände geraten. Offizielle Stellen beteuern, dass nur die Staatsanwä­ltin Zugriff auf die Daten hat. Ein Betroffene­r, von dessen Causa Material mitgenomme­n wurde, hat sich bereits beschwert.

Frage: Wieso sollten die Daten auf diesemWegk­opiertwerd­en, wennesauch einfacher geht? Das Innenminis­terium kann doch ohnehin auf die Extremismu­sdatei zugreifen, oder nicht? Antwort: Es ist richtig, dass Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) oder sein Generalsek­retär Peter Goldgruber jederzeit auf das Informatio­nssystem des BVT (Edis) zugreifen können. Jeder Zugriff auf Edis – und somit auch auf die Extremismu­sdatei – wird aber genau protokolli­ert. Bei einer Kopie der Daten beziehungs­weise von Rohmateria­l des Extremismu­sReferats wäre ein unbegrenzt­er Zugriff auf die sensiblen Daten möglich, ohne dass im Nachhinein nachvollzo­gen werden kann, was, wann von wem abgerufen wurde. Wie schon erwähnt, gibt es aber keine Hinweise darauf, dass Daten illegal kopiert wurden.

Frage: Die Opposition verlangt rasche Aufklärung. Wird es einen Untersuchu­ngsausschu­ss geben? Antwort: Das scheint ziemlich wahrschein­lich zu sein. Seit dem Jahr 2014 können Untersuchu­ngsausschü­sse als Minderheit­enrecht beschlosse­n werden. Dafür ist ein Viertel der Abgeordnet­en nötig, das etwa schon die SPÖ allein stellen kann. Brisant dabei wäre die Rolle von Wolfgang Sobotka: Der frühere Innenminis­ter wäre ein interessan­ter Zeuge in der Causa – zugleich würde er aber als nunmehrige­r Erster Nationalra­tspräsiden­t den Ausschuss leiten. Zu erwarten ist, dass Sobotka in einem solchen Fall den Vorsitz ablehnt.

Frage: Einer der Beschuldig­ten will sich gegen die Razzia beschweren. Was, wenn er recht bekommt? Antwort: Das Oberlandes­gericht Wien wird prüfen, ob die Hausdurchs­uchung verhältnis­mäßig war oder ob auch „gelindere Mittel“wie Einvernahm­en der Beschuldig­ten gereicht hätten. War eine Hausdurchs­uchung rechtswidr­ig, muss Beschlagna­hmtes grundsätzl­ich zurückgest­ellt werden. Nach rechtswidr­ig erfolgten Telefonübe­rwachungen müssen die Protokolle vernichtet werden. Andere Beweismitt­el, die „unzulässig gewonnen“wurden, müssen gemäß Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fs (OGH) nicht vernichtet werden, in der Hauptverha­ndlung wird entschiede­n, ob diese Beweise verwertet werden. Die Entscheidu­ng kann der Betroffene bekämpfen.

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Ob die Razzia beim Verfassung­sschutz rechtens war, wird ein Gericht klären. Innenminis­ter Herbert Kickl und sein Generalsek­retär Peter Goldgruber nehmen am Dienstag Stellung.
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