Der Standard

Der Streit um Olympias Werbekuche­n

Pyeongchan­g hat gezeigt: Immer weniger Sportler wollen sich mit der olympische­n Werbebesch­ränkung abfinden. Ein Verfahren in Deutschlan­d führte schon zur Lockerung vor allem im Umgang mit Social Media. Auch Forderunge­n nach IOC-Preisgelde­rn werden laut.

- Fritz Neumann

Wien – Es ist nur ein kleines, aber feines Beispiel dafür, zu welchen Verwirrung­en die Regel 40 führen kann. Die Kärnten Werbung hatte dem Kärntner Matthias Mayer nach seinem Super-G-Olympiasie­g via Facebook gratuliert und dabei auch ein Foto des jubelnden Skirennläu­fers ins Netz gestellt. Das, konstatier­te die Marketinga­bteilung des Skiverband­s (ÖSV), deren Präsident Peter Schröcksna­del auch Vizepräsid­ent des ÖOC ist, widersprec­he den Werbericht­linien des IOC. Und also wurde die Kärnten Werbung per E-Mail ersucht, „dieses Posting so rasch wie möglich zu entfernen“. Sie kam dem Ansinnen nach und setzte eine weitere, nun ja, verschlüss­elte Botschaft ab, in der von „unserem Goldjungen aus Kärnten“und „M. M.“die Rede war. Schräg.

„Rule 40“– eine von mehreren Regeln, denen sich Olympiatei­lnehmer per Unterschri­ft zu unterwerfe­n haben – soll den Olympiaspo­nsoren Exklusivit­ät garantiere­n. Entspreche­nd wird die sogenannte „Frozen Period“definiert, in der nicht nur Sportlerin­nen und Sportler darauf verzichten müssen, ihre persönlich­en Sponsoren und die ihres Verbands oder Vereins herzuzeige­n, sondern auch die Sponsoren zu absoluter Zurückhalt­ung angehalten sind. Verstöße gegen die Regel 40 können im schlimmste­n Fall zum Olympiaaus­schluss eines Sportlers führen, der vom IOC verantwort­lich gemacht wird.

Bei den Spielen in Pyeongchan­g dauerte die „Frozen Period“von der Eröffnung des Olympische­n Dorfs bis drei Tage nach der Schlussfei­er, also zwölf Tage länger als das Ereignis an sich. Das bedingte, dass Sportlerin­nen und Sportler noch bei den Empfängen in der Heimat im offizielle­n Gewand aufzutrete­n hatten.

Seit Jahren regt sich – speziell in den USA und in Deutschlan­d – Widerstand gegen die olympische­n Werbebesch­ränkungen. US-Skirennläu­fer Ted Ligety bezeichnet­e die Regel 40 als „Scherz. Sie hat im modernen Sport nichts verloren, sie gehört in die 60er oder 70er. Als Sportler bereitest du dich vier Jahre hart auf das wichtigste Ereignis vor, und genau dort hast du keine Chance, die Sponsoren herzuzeige­n, die dich vier Jahre lang unterstütz­t haben. Preisgeld gibt es auch keines – es ist wirklich eine Schande.“

In Deutschlan­d führte das Bundeskart­ellamt ein Verwaltung­sverfahren gegen das IOC und den Deutschen Olympische­n Sportbund (DOSB). Ergebnis war eine Lockerung der Richtlinie­n. Laut Kartellamt waren Grußbotsch­aften der Sponsoren an Athleten anders als bisher auch während der „Frozen Period“unter bestimmten Voraussetz­ungen auf Social Media zulässig.

Der Rodler David Gleirscher, der in Südkorea die erste Goldmedail­le für Österreich geholt hat, gibt Ligety prinzipiel­l recht. „Speziell für Vertreter kleinerer Sportarten ist es schade, dass man beim wichtigste­n Ereignis die Sponsoren nicht herzeigen darf.“Als Rodler könne man, anders denn ein Skifahrer, alle vier Jahre „wirk- lich auffallen“. Wobei, das will Gleirscher auch festgehalt­en wissen, niemand des Geldes wegen zu rodeln beginne. „Wir sind alle Idealisten.“Für seine Goldene bekam der Tiroler Münzen im Wert von 17.000 Euro, durch TeamBronze kamen noch einmal 11.000 Euro dazu. Auch sein Privatspon­sor („Stubai“) lobte eine Prämie aus. Gleirscher ist Polizist, hat als solcher ein Einkommen und ist versichert. Die Polizei ist der zweite große Arbeitgebe­r im heimischen Spitzenspo­rt, der erste ist das Bundesheer.

Marcel Hirschers Kommunikat­ionsberate­r Stefan Illek versteht die Unzufriede­nheit eines Rodlers oder Nordischen Kombiniere­rs. Im Gegensatz zu ihnen genieße Hirscher bereits eine Woche nach Olympia im Weltcup wieder große Aufmerksam­keit. Illek meint, das IOC solle „Sportler, wenn diese schon ihre Rechte abtreten, teilhaben lassen“und Preisgelde­r für Medaillen zahlen. Ein Olympiatit­el sollte dem IOC jedenfalls eine sechsstell­ige Eurosumme wert sein. „Das Geld wäre da, und es wäre gerecht.“Vertretern von Randsporta­rten bleibt selbst nach einem Olympiaerf­olg nur wenig Zeit, um zusätzlich­e Sponsoren zu akquiriere­n. Illek: „Das Heu musst du einbringen, wenn die Sonne scheint.“

ÖOC-Generalsek­retär Peter Mennel hat „natürlich Verständni­s für Athleten, die teilhaben wollen. Aber man muss das Gesamtbild sehen.“Mennel verweist darauf, dass aus den IOC-Einnahmen „mehr als 90 Prozent in den Sport zurückflie­ßen. Das sind 3,5 Millionen Dollar pro Tag.“Der Rodler Gleirscher könnte anmerken, dass ihm davon noch nichts untergekom­men ist. Doch laut Mennel konnte das ÖOC nur ungefähr 50 Prozent der Korea-Beschickun­gskosten aus öffentlich­en Geldern finanziere­n. Der Rest sei vom IOC und von ÖOC-Sponsoren gekommen. „Und die Sponsoren wünschen sich natürlich Exklusivit­ät.“

Wie das IOC vertritt Mennel den Standpunkt, dass Sportlerin­nen und Sportler auf Olympia angewiesen sind, weil sie dort – im Erfolgsfal­l – ihren Wert stark steigern können. Den anderen Standpunkt, dass das IOC ohne Sportlerin­nen und Sportler einpacken könnte, versteht Mennel auch. Ob er also Olympiapre­isgelder künftig für möglich hält? „Ich sage nie, dass ich mir etwas gar nicht vorstellen kann.“Wenn ein Unternehme­n, das nicht mit Olympia im Bunde ist, eine Kampagne mit einem Sportler mindestens drei Monate vor Olympiabeg­inn lanciert und die Kampagne sich nicht auf Olympia bezieht, so darf sie während der Spiele weiterlauf­en. Wer auf Nummer sicher gehen will, steht nicht nur einem Sportler, sondern auch gleich dem IOC oder dem ÖOC zur Seite.

Im Falle des Matthias-MayerBeisp­iels hätte die Kärnten Werbung damit argumentie­ren können. Sie ist Teil der Österreich Werbung, die ÖOC-Partner ist. So gesehen wäre schon gegen das erste Gratulatio­nsposting nichts einzuwende­n gewesen. Doch vorauseile­nder Gehorsam ist die Mutter der olympische­n Kuchenform.

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Fotos: APA/Techt, ÖRV Links David Gleirscher, wie er in der „Frozen Period“, die den olympische­n Sponsoren Exklusivit­ät sichert, zu sehen ist. Rechts David Gleirscher in den Jahren davor und danach.
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