Der Standard

Konzerne sparen am liebsten bei Steuern

Multinatio­nale Konzerne zahlen deutlich weniger Steuern als vor zehn Jahren. Einerseits führt Wettkampf unter den Staaten zu Steuersenk­ungen, anderersei­ts wurde gegen Steuerschl­upflöcher noch kaum etwas getan.

- Andreas Danzer

Wien – Was von Globalisie­rungsgegne­rn und der „linken Flanke“schon lange behauptet wird, bestätigt jetzt das Haus- und Hofblatt der Bankerbran­che: Laut einer Untersuchu­ng der Financial Times zahlen große multinatio­nale Konzerne deutlich weniger Steuern als noch vor dem Beginn der Finanzkris­e im Jahr 2008. Ein Jahrzehnt voller staatliche­r Bemühungen, Defiziten entgegenzu­wirken und Steuerrege­lungen zu reformiere­n, habe die Unternehme­nswelt wenig beeindruck­t.

Der effektive Steuersatz (das Verhältnis aus tatsächlic­her Steuerlast und dem Unternehme­nsertrag vor Steuern, Anm.) ist seit 2008 um neun Prozent gefallen. Diese Entwicklun­g trotze allen politische­n Bemühungen, gegen Steuerverm­eidung vorzugehen. Es könne nur die Hälfte des Rückgangs durch staatliche Steuersenk­ungen erklärt werden, der Rest basiere demnach auf geschickt eingefä- delten Steuerkons­trukten. Ein Blick zurück zur Jahrtausen­dwende veranschau­licht die Entwicklun­g noch deutlicher. Der in den entspreche­nden Bilanzen ausgewiese­ne Effektivst­euersatz fiel seit dem Jahr 2000 um fast ein Drittel, von 34 auf 24 Prozent.

Daten der Wirtschaft­sprüfungsk­anzlei KPMG zufolge haben Staaten den Körperscha­ftsteuersp­itzensatz seit 2008 um fünf Prozent gesenkt, die Einkommens­steuer dafür um sechs Prozent angehoben. „Das ist der Konkurrenz­kampf unter den Staaten“, sagt Michael Devereux, Professor für Unternehme­nssteuern an der Universitä­t von Oxford gegenüber der Financial Times. „Ich sehe kein Ende dieses Trends.“Er meint, die kürzliche Steuerrefo­rm in den USA könnte diesen Wettbewerb noch verstärkt haben. Andere Branchenke­nner sehen in Steuerschl­upflöchern wie Patentboxe­n ein Problem.

Steuergese­tze anpassen

Seit einem Jahrzehnt werde laut Devereux versucht, die Industries­taatenorga­nisation OECD und die G20-Staaten zu ermutigen, für Anpassunge­n bei nationalen Steuergese­tze zu sorgen, um Konzernen die „Erleichter­ung“schwerer zu machen. Das bringe allerdings überrasche­nd wenig.

Der EU-Kommissar Pierre Moscovici meint: „Eine internatio­nale Steuerrefo­rm wäre notwendig, doch nicht der Spitzenste­uersatz bewegt Firmen zur Steuerverm­eidung, sondern die Möglichkei­ten Gewinne zu verschiebe­n.“

Brisante Daten aus den Paradise oder Panama Papers haben das sogenannte „profit shifting“vermehrt in den Mittelpunk­t gerückt. Prominente Namen wie Apple, Google und Amazon tauchen darin bekanntlic­herweise immer wieder auf. Und ebendiese TechKonzer­ne tendieren dazu, auf auswärtige Profite weit weniger Steuern zu zahlen, als sie eigentlich an Gewinn einbringen.

Dem Institute on Taxation and Economic Policy zufolge hatten US-amerikanis­che Konzerne Ende des Vorjahres 2,6 Billionen unversteue­rte Dollar auf OffshoreKo­nten zwischenge­lagert.

Die Financial Times hat sich auf die zehn größten börsennoti­erten Unternehme­n aus neun standardis­ierten Sektoren konzentrie­rt: Konsumgüte­r, Dienstleis­tungen, Energie, Finanzen, Informatio­nstechnolo­gie, Gesundheit, Industrie, Telekommun­ikation. Auf Basis der Jahresabsc­hlüsse der vergangene­n 25 Jahre haben die Analysten die abgeführte­n Steuergeld­er ausgerechn­et. Auch die zehn Unternehme­n mit den größten Offshore-Vermögen wurden miteinbezo­gen. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Firmen, gemessen am Gewinn, dem öffentlich­en Finanzsekt­or – unabhängig der steuerlich­en Bemessungs­grundlage – immer weniger Geld beisteuern.

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